Narzissmus/seelischer Missbrauch in Beziehungen
07.01.2021 um 14:40
Mein letzter Partner war auch sehr speziell. Keine Ahnung, ob er Narzisst oder einfach nur bescheuert ist.
Wir waren ca. 3 Jahre zusammen, obwohl es mehr off als on war.
Unser Kennenlernen: Er war mein Nachbar (Tür an Tür) und ich fand ihn sehr sympathisch, zurückhaltend, irgendwie wirkte er auch traurig. Mehr als small talk lief da nicht. Soziale Kontakte schien er nicht zu haben, außer einen Freund, mit dem er ab und zu die Nacht durch trank.
Nachdem ich auszog, fingen wir an, uns zu schreiben. Er gab sich Mühe, mich zu beeindrucken.
Wenn ich mir diese E-Mails heute durchlese, bin ich immer noch fasziniert, wie gut er sich verstellt hat.
Die erste Auffälligkeit war, dass er mir von seiner traumatischen Kindheit schrieb. Da wir uns kaum kannten, wunderte mich das. Ich fragte ihn nach seinen Gründen und er gab an, dass mich das vielleicht beruflich interessieren könnte und dass es ja eine Erfolgsgeschichte sei, dass ein traumatisierter Mensch wie er, nun so gut im Leben stehen würde.
Nachdem wir zusammen kamen hatten wir neun schöne Monate. Er war aufmerksam, liebevoll mit Worten und Taten, wollte viel Zeit mit mir verbringen, schrieb nette Nachrichten (wenn auch nicht mehr so ausführlich wie in der E-Mail-Zeit), machte kleine Geschenke und Zukunftspläne. Die Kommunikation war auch noch recht problemlos; er interessierte sich für mich und er erzählte ungefragt viel von sich (wenn auch nur die halbe Wahrheit, wie sich später herausstellte).
Mir fiel aber schon in der Anfangszeit nach und nach auf, dass er eine Tendenz zum Ausfragen hatte und mich häufig mimiklos anstarrte. Er interpretierte viel in meine Sätze, wirkte immer pessimistischer und fragte dann, ob es ein Problem sei, dass er als Lkw-Fahrer und ich in einem akademischen Beruf arbeite. Oft wirkte er niedergeschlagen und sagte mir, er sei nicht gut für mich. Ich verstand nicht, wie er das meinte und bekräftigte um so mehr meine Liebe. Irgendwie brauchte er viel Bestätigung. Manchmal erzählte er auch Geschichten von früher, aus denen er als Held hervorging.
Dann wurde er immer eifersüchtiger, paranoider, stimmungsschwankender, launisch, egozentrischer, machte Vorwürfe, suchte Streit, beschimpfte mich, zeigte kaum Nähe, machte ständig Schluss, schmiss mich raus, schenkte mir nie wieder etwas, machte keine Komplimente mehr und Nachrichten beantwortete er gar nicht mehr oder nur knapp mit "ok". Er fragte mich nichts mehr (außer nach anderen Männern, die es nicht gab) und redete nur noch von sich.
Ja, ich weiß, an dieser Stelle fragt man sich schon, warum ich keinen cut gemacht habe. Ich weiß auch nicht, was damals mit mir los war. Das war nicht mehr ich.
Dass er sich veränderte, kam allerdings auch nicht über Nacht, sondern schleichend, so dass ich zunächst mir die Schuld gab. Er war doch am Anfang ganz anders, so zugewandt und liebevoll. Was habe ich falsch gemacht?
In meinen vorherigen Beziehungen (die eher durchschnittlich und ohne leidenschaftliche Konflikte verliefen) hatte ich nie das Problem, derart missverstanden zu werden. Ich entwickelte also den Ehrgeiz, dass mich dieser schwierige Mann doch endlich verstehen muss.....wenn ich mich nur genug anstrenge. Ich gab mir also noch mehr Mühe, achtete noch besser auf meine Sätze, sprach nichts Brisantes an, fragte nicht zu viel, war tolerant, hilfsbereit, schenkte ihm viel.
Der erste seiner Ausraster nach 9 Monaten Beziehung lief so ab:
Er lieh sich oft mein Auto (er musste gar nicht fragen, ich bot es von selbst an), tankte nie (was ich ihm nie vorwarf) und als ich ihm einmal sagte, dass ich das Auto heute selbst benötige, flippte er aus: Ich würde ihm unterstellen, dass er mich ausnutzt, ich wäre das Letzte, in seiner Welt sei man nicht so geizig.
Natürlich unterstellte ich ihm damals nicht, dass er mich ausnutzt, nicht mal im Subtext. Und so fühlte ich mich falsch verstanden. Ich weinte und er schrie auf mich ein. Danach machte er Schluss.
Nach einigen Tagen des Schweigens näherte er sich wieder an und ab da wiederholte sich das immer häufiger. Ich denke, er hatte den Respekt verloren, weil ich trotz seines Verhaltens keine Grenze zog und immer Verständnis zeigte.
Die Anlässe für seine Vorwürfe und Ausraster wurden immer nichtiger und unberechenbarer.
Manchmal schrie er mich an, wenn ich ihn nach seinem Tag fragte ("wird man denn hier nur noch kontrolliert und ausgefragt"). Dabei war er ja der eifersüchtig-kontrollierende.
Wenn ich mich hingegen einen Tag nicht meldete, dann unterstellte er mir, dass ich ohnehin längst jemand anderen hätte.
Er unterstellte mir, dass ich etwas mit dem alten Friseur um die Ecke hätte ("wenn du zu ihm gehst, dann macht er sich Hoffnung"). Klar, ich war halt seine Kundin.
Und fremde Männer auf der Straße hätten mich angeblich angelächelt, ich würde nur nicht zugeben, dass ich mit denen etwas hätte.
Meine Sätze verdrehte er komplett, machte daraus Dinge, die ich nicht mal ansatzweise meinte und zettelte aus dieser Interpretation einen Streit an. Die Unterstellungen wurden auch immer absurder. Das steigerte sich, bis es kein Treffen mehr ohne Unterstellungen, Reinsteigern und Bestrafung durch Kontaktabbruch gab. Ich musste gar nicht mehr reden oder reagieren, das war eine one-man-show.
Wenn er sich aufregte, war ich nur noch die "Fotze". Geschlagen hat er mich nie. Das aggressivste war, dass er vor mir stand und schrie "ich könnte dir die Kehle durchschneiden".
Das war wie aus einer anderen Welt.
Da ich bei Meinungsverschiedenheiten immer schon ruhig und sachlich blieb und Harmonie gerne mag, hielt er mich für arrogant. Wahrscheinlich ärgerte ihn das, aber ich bin nicht der Typ, der schreit.
Ganz am Anfang weinte und rechtfertigte ich mich ein paar Mal, wenn er ungerecht und laut wurde. Dann nutzte sich die Schreierei und das ständige Rausgeschmissenwerden bei mir ab. Ich deponierte keine Sachen und keinen Schlüssel mehr in seiner Wohnung, weil ich ja ohnehin bei jedem Ausraster wieder alles vor die Füße geschmissen bekam. Irgenwie wurde ich emotionslos.
Eine Zeit lang probierte ich noch erfolglos einige lösungsorientierte Gesprächstechniken aus, die ich für meine Arbeit gelernt habe.
Am Ende ließ ich nur noch seine wütenden Monologe auf mich einprasseln. Ich fing an, mich zu distanzieren, mein Leben weiterzuleben, konzentrierte mich auf meine Arbeit, lernte neue Leute kennen, traf ihn immer seltener und erzählte dann wenig von mir. Ab und zu regte er sich noch über irgendetwas auf, dann lehnte ich mich zurück und sah es mir wie ein interessantes Schauspiel an.
Der Zauber des Anfangs war längst verflogen und ich konnte das Gift langsam ausschleichen.
Heute haben wir nur noch selten Kontakt und wenn, dann nur sehr oberflächlich. Ich hatte ihm vor einem halben Jahr Bewerbungen geschrieben, so dass er nach längerer Arbeitslosigkeit wieder einen Job hat. (das selbe tat ich aber auch für eine Frau aus meinem Stadtteil, die ihre Arbeit verlor).
Wenn er frei hat, sitzt er in der Wohnung, zockt die Nacht durch, trinkt seine Bierchen und schimpft über Gott und die Welt. Sein Lieblingsspruch: "Ich bin wie ich bin und wem das nicht passt, der kann weg bleiben".
Auch wenn ich nicht mehr verstehen kann, was ich an dem mal fand; viel über mich gelernt habe ich trotzdem.