Persönlichkeitsstörungen: Diskussion, Erfahrungen, Fragen
10.11.2017 um 20:10
Ich glaube, ich kann jetzt noch genauer definieren, wie die Welt in mir drin aussieht.
Ich habe oft das Gefühl, dass es bei mir noch echt speziell ist, jedenfalls ist meine negative Sicht echt extrem und ich möchte nun versuchen zu erläutern, woher das kommt.
Ich war nun schon oft in paar Krankenhäusern, jedes Mal zur Krisenintervention.
Man geht dorthin, um aus der Krise zu kommen und für den Moment wieder eine gewisse Stabilität zu bekommen.
Bei mir ist aber jedes Mal das Gegenteil der Fall.
Warum?
Kompliziert, ich versuche wirklich alles zu berücksichtigen und vielleicht versteht man, wieso ich meine Welt ständig so schwarz male und den Glauben einfach immer wieder verliere.
Nun, einen Ass im Ärmel habe ich noch: eine ambulante Therapie und betreutes Wohnen.
Es wäre wirklich wichtig, aber ja, ich hasse es, ständig Leute ordern zu müssen, die bezahlt werden.
Das war in Heimen so, in denen ich mehrere Jahre verbracht habe.
Eigentlich hätten meine Eltern da sein müssen.
Mit Zuneigung und Geborgenheit.
Heime geben Beides nicht.
Jedenfalls nicht in den Heimen, in denen ich war.
Als ich meine erste Wohnung hatte in einem Ort und auch Bundesland, wo ich nie sein wollte, aber erst mal nicht wegkam, habe ich mich zurückgezogen.
Ich habe die bunte Welt der Stadt vermisst und ebenso mein geliebtes Nordhrein-Westfalen.
Jedenfalls habe ich in dem Heim, in dem ich zuletzt war, nur eine Isolation erfahren. Keine Ausgänge, keine Handys... Ich habe stets dafür gekämpft, aber am Ende wurde ich rausgeworfen.
Kurz vor meinem Achtzehnten.
Als ich es mit etlich viel Glück geschafft hatte, durch das Jobcenter eine Wohnung zu bekommen, die jetzt auch nicht optimal war, habe ich nur eines gesehen: Wohin? Jetzt kann ich raus, besitze ein Handy, aber wohin jetzt?
Ich hatte durch Jobcentermaßnahmen nur Kontakt zu Leuten, zu denen man keinen Kontakt will.
Geil, man sitzt zwischen asozialen Arbeitslosen, die ungepflegt sind und rumrennen wie die Lumpen.
Ich war ein Außenseiter da.
Ich hatte mich bemüht, meinen Weg zu finden, aber die fehlende Mobilität und die immer stärker werdende Gewissheit, dass das hier kein Ort für mich ist, machten mir zu schaffen.
Ich habe es irgendwann geschafft. Ich hab es rausgeschafft und sitze nun wieder zwischen all dem Leben und bunten Straßen in NRW.
Aber auch ein Problem hier: ich kenne hier keinen.
Hatte mich zuerst wieder isloliert, aber ich hab es erst mal genossen, wieder da zu sein, wo ich hingehöre.
Nein, so ganz isoliert habe ich mich nicht.
Ich sitze gerne in Cafes und lauf durch die Stadt.
Jedenfalls spürte ich, dass mit mir was nicht stimmte, ich fühlte mich immer so komisch und unwohl in der Nähe von anderen. Einfach, weil ich nie was zu erzählen hatte. Ich konnte einfach nie erzählen, dass ich meinen Weg ganz normal bestritten habe, eine Lehre abgeschlossen hatte und einfach mein Leben lebte.
Nein, ich könnte nur das erzählen, was ich hier gerade erzähle und was die Leute, die ich treffe, niemals nachvollziehen könnten. Ich war auch echt unsicher im Umgang mit anderen, weil ich es nicht lernen konnte.
In meiner Pubertät bestimmte das Heim meine Entwicklung, nicht die Interaktion mit Freunden und so fehlte mir dieser Bereich einfach. So setzt sich meine zwischenmenschliche Interaktion zusammen: ich verstehe die Menschen in meinem Alter nicht und kriege deren Verhalten einfach nicht übersetzt.
Jedenfalls fühle ich mich wie ein Kind, so unsicher und angestrengt.
Für mich habe ich festgestellt: ich komme mit älteren besser klar, mit gereifteren Menschen.
Menschen, die eine innere Ruhe ausstrahlen, denn sie beeinflussen mich positiv, stecken mich damit an.
Ich merke, es tut mir gut. Ich kann denen auch besser Vertrauen entgegen bringen.
Das ist aber nur eine Seite, alles eigentlich noch nüchtern betrachtet.
Denn während ich es schaffe, in einem nüchternen Zustand meine Motivation zusammenzuhalten und meinen Willen zu ballen, so fällt alles zu einem Haufen zusammen, wenn etwas passiert, was eigentlich sehr schön ist. Wenn man sich verliebt.
Wenn man eine Bindung zu einer anderen Person spürt und mit ihr eine Zeit verbringt wie aus dem Bilderbuch. Wenn man gemeinsam lacht, sich neckt und einfach nah ist. Wenn die Sorgen und Probleme verschwinden, die mich sonst beschäftigen und der Lichtblick mich so anstrahlt, als gäbe es keine Dunkelheit.
Das Problem, es ist wirklich schön - aber leider tut es nach einer Zeit nur noch weh. Denn man hat Angst. So eine unglaublich beschissene Angst, dass es nicht hält oder dass man enttäuscht wird. Viel schlimmer aber ist die Angst, dass ich sie enttäuschen könnte.
Brutal, dieses Gefühl.
Ab da geht es bergab.
Ich sehe nur noch Gespenster und alles tut einfach nur scheiße weh.
Aber das ist noch nicht alles.
Denn alles andere ist nicht mehr wichtig. Völlige Leere...
Jedes Mal das Gleiche.
Tja, immer wieder scheiße, aber das ist auch noch nicht alles.
Wieso zum Teufel passiert mir das selbst dann, wenn ich zur Unterstützung ins Krankenhaus gehe?
Wieso passiert der Mist, wenn ich dahin gehe, um genau diese Probleme anzugehen?
Ich habe einfach keine Ruhe.
Es ist, als würde ich die Haustür verlassen und direkt ein Chaos betreten.
Mit dem Ergebnis, dass ich jedes Mal diese Leere fühle.
Ich glaube, dass ich einfach niemals die schönen Seiten dieser Welt genießen kann, ohne dass es für mich zu einer richtigen Tortur wird.
Nein, ich nutze das Wort “Fluch“ nicht einfach so, ich nutze es, um zu beschreiben, was es für mich ist - ohne jegliche Übertreibung.
Nun, wenn mir das selbst passiert, wenn ich mir Hilfe suche und diese Hilfe nicht mehr annehmen kann, vor allem, daran glauben zu können, dann ist es schon richtig verzwickt.
Natürlich ist es schon schwer daran zu glauben, wenn man in diesen Gefilden von der Problematik verschont bleibt, aber so ist es noch mal etwas härter...
Ja, ich hasse das, denn ich brauche etwas, wo ich mich anlehnen kann. Eine Mutterfigur.
Etwas, dass ohne Kompromisse für mich da ist und mir meinen Platz auf der Welt immer wieder vor Augen führt.
Diese selbstverständliche Art der Liebe kenne ich nicht.
Zumindest nicht gefühlt. Ich kenne sie nur von anderen Menschen.
Eine stetige Zwickmühle und ein Loch im Herzen.
Ich kann nicht was herzaubern, was einfach nicht da ist und schon gar nicht kann ich etwas nicht wegzaubern, was dadurch präsent ist: die Stille, die Leere, die Verzweiflung.
Ich würde dran glauben, würde es mal anders laufen.
Würde mal etwas sich verändern, aber wie soll es gehen?
Ich selber werde stets blockiert.
Könnte ich mal weniger Gespenster sehen, wäre es phantastisch, aber der Gedanke, andere zu enttäuschen kommt nicht von ungefähr, es resultiert aus der Summe meiner Erfahrungen. Meine Eltern, die Heime... ich wurde stets fallen gelassen. Ich wurde weggegeben und praktisch weggeworfen.
Ja, es zehrt am Selbstwertgefühl. Normalerweise soll es von innen kommen.
Und ich spüre meinen Wert, so ist es nicht.
Ich kenne meine Stärken und guten Eigenschaften und der Wille, alles zu verändern unterstreicht meinen Wunsch, die momentanen Umstände nicht zu akzeptieren und mir das zu holen, was ich verdient habe.
Doch ich kann nicht.
Ich kann einfach nicht alles alleine überwinden.
Es ist wichtig, ein beständiges Umfeld zu haben, aber das kann ich nicht vorzeigen.
Ich bin ratlos und stehe immer an der gleichen Schranke.
Meine Gefühle sind scheiße. Und ich will sie nicht.
Man hat mir gesagt, dass man etwas, was man so sehr von sich wegschieben möchte, einem umso stärker hallo sagen. Ja, leider. Aber ich kann es auch nicht nicht wollen.
Denn man will keine schmerzenden Gefühle, sie kommen trotzdem und man fühlt es trotzdem. Ab da ist es schon egal, ob man es will oder nicht, es ist bereits da...