Warum Feminismus nicht ok ist
27.11.2018 um 11:20@Kältezeit
Ich schrieb bereits, dass proletarische, sub-proletarische Frauen und die in der Landbevölkerung immer beruftstätig waren bzw. sein mussten. Nicht selten sogar in Berufen, die uns heute überraschen, als Fischerinnen, Schifferinnen, Bergarbeiterinnen etc. Da reichte das Einkommen des Mannes nie für das Überleben der Familie.
Die Ausnahme stellten Grossbürgertum und Adel dar. Da musste Frau nicht arbeiten, sondern wurde in einer nach ökonomischen Gesichtspunkten arrangierten Ehe vom Mann versorgt. Sie durfte nicht studieren, nicht berufstätig sein, keine eigene Geschäftstätigkeit unterhalten, kein Konto etc. Sie hatte zu repräsentieren und zu gebären. Das mochte damals manchen Frauen als ausreichend erschienen sein, Vielen allerdings auch nicht. Sie bekamen dann die Konsequenzen zu spüren. Die waren durchaus manchmal tödlich.
Es gibt erstaunlicherweise auch heute noch offenbar tatsächlich Menschen, die sich von Freiheit überfordert fühlen und sich Unfreiheit wünschen.
Man schaue sich an, warum beispielsweise, um hier bei Frauen zu bleiben, sich Frauen in der AfD, in der NPD oder iin Nazi-Kameradschaften organisieren, in Bewegungen gegen Abtreibung, gegen Homosexualität, in radikal-evangelikalen Christensekten oder in salafistisch-islamistischen Organisationen.
Warum also wählen Menschen freiwillig für sich die Unfreiheit?
Weil sie Angst vor Entscheidungen haben, Angst davor, ihr Leben selbst und eigenverantwortlich zu gestalten.
Bitte plane und organisiere jemand mein Leben für mich. Das ist nicht nur bequemer, sondern enthebt mich auch vom Nachdenken und vor allem - von der Verantwortung, wenn es schief geht.
Dieser Wunsch nach Unfreiheit, wie er sich auch in Wahlergebnissen oder politischen Äusserungen zeigt, ist leider nicht an ein Alter oder ein Geschlecht gebunden. Folglich kann es auch junge Frauen treffen.
Als historischen Rundum- und Kahlschlag noch mal aus meinem Beitragsarchiv und einem anderen Kontext gekramt und liebevoll vom Staub der Jahre freigepustet:
Na, und weil es auch hier passt, wie die Faust ins Gretchen:
So lange Frauen bei gleicher Arbeit schlechter bezahlt werden, so lange Altersarmut weiblich ist, so lange Kinderaufzucht und Hausarbeit an Frauen hängen bleiben, so lange mehr Frauen als Männer vergewaltigt werden, so lange mehr Frauen als Männer Opfer häuslicher Gewalt werden, so lange mehr Frauen als Männer im Alter medikamentös ruhig gestellt werden, so lange ist "Gleichberechtigung" weit weg - und so lange ist Feminismus notwendig.
Denjenigen, die heute über eine "Männerverfolgung" klagen, die nach ihrer Darstellung mindestens die Ausmasse der Judenverfolgung im Faschismus angenommen zu haben scheint, wünsche ich manchmal eine Zeitmaschine. Zurück in die 1970er, als der Feminismus sich selbst wiederentdeckte und noch "jung & wild" war. Als Bewegungslesben das "Manifest zur Vernichtung der Männer" von Valerie Solanas lasen oder die Westberliner Schwarzen Botinnen männliche Embryos in Spiritus als Zimmerdeko verwendeten, als die Rote Zora Sexshops in Brand setzte und Frauengruppen lautstark ein nächtliches Ausgangsverbot für alle Männer ab 14 forderten. Die These, dass bis zur endgültigen Befreiung der Frau die Männer gewaltsam unterdrückt werden müssten, so wie einst im nachrevolutionären Russland die Bourgeoisie zugunsten des Proletariats, war Standardgespräch bis in Juso-Kreise. In WGs galt die These "Hausarbeit ist ab sofort Männersache" - und Penetration beim Sex als Vergewaltigung.
Es ist ja nun auch nicht so, dass der Feminismus über uns gekommen ist wie ein Tsunami über das AKW.
Die erste Generation geht bis zurück zur französischen Revolution, in der Frauen die theoretischen Grundlagen legten und erste Forderungen stellten. Beispiel: Olympe de Gouges.
Die zweite Generation wären die Suffragetten, die sich, von England ausgehend, hauptsächlich für ein Wahlrecht der Frauen einsetzten. Und zwar durchaus mit terroristischen Methoden oder Suizidaktionen. Bekannte Namen sind Emmeline und Christabel Pankhurst.
Die dritte Generation wären die jenigen Frauen, die eine "praktische Gleichberechtigung" lebten, bzw. leben mussten, weil Männer Kriege führten und sie in der Produktion, in Verkehrsbetrieben und auch im Kriegsdienst "ihren Mann stehen mussten", als Trümmerfrauen der Nachkriegszeit ohnehin. Danach liessen sie sich die erkämpften und erworbenen Freiheiten nur sehr ungern wieder abnehmen. Wobei zu sagen ist, dass der Umbruch nach dem Ersten Weltkrieg durchaus grösser war, weil er auch mit anderen gesellschaftlichen Veränderungen einher ging.
Die vierte Generation war dann die Bewegung, die vollständige Gleichberechtigung forderte und auch Fragen der Sexualität thematisierte.
Nach jeder "Emanzipationswelle" erfolgte ein Roll back, d.h. Männer sicherten ihre angestammten gesellschaftlichen Positionen oder stellten sie wieder her, in dem sie Frauen wieder zurück drängten.
Der ersten Generation wurde zum Teil noch der Kopf abgehackt und sie fielen der Vergessenheit anheim.
Die zweite Generation war erfolgreicher und setzte nach dem Ersten Weltkrieg das Frauenwahlrecht, die Studienmöglichkeiten und neue Berufsfelder weitgehend durch, thematisierte beispielsweise auch Sexualaufklärung, Verhütungsmittel oder den § 218. Diese Ära endete im Deutschen Reich allerdings 1933.
Die dritte Generation musste nach beiden Weltkriegen erleben, wie sie zusehends aus der Rolle der Arbeiterin und Kämpferin wieder in die Rolle der Hausfrau und Mutter zurück gedrängt wurde. Vergleiche dazu das Rollenbild und die Gesetzeslage in der BRD nach 1948. Damals konnte der Mann den Aufenthaltsort der Familie allein bestimmen, den Job seiner Frau kündigen oder ihre Geschäfte rückgängig machen. Erst der Arbeitskräftemangel des späten Wirtschaftswunders hat in der BRD die Frauen als billig entlohnte industrielle Reservearmee reaktiviert.
Die vierte Generation wiederum stellte, teils in sehr revolutionären Forderungen, radikal das überkommene Rollenbild in Frage und ging weiter als die Emanzipationsbewegungen vor ihr. Sie war zweifelsohne auch erfolgreicher. Gesetze, die Frauen diskriminierten oder benachteiligten, landeten auf dem Müll. Themen, die vorher keine Beachtung fanden, fanden ihren Weg in die Medien und die öffentliche Wahrnehmung. Weibliche Hetero- wie Homosexualität wurde zum Thema. Die Selbstbestimmung über die Nachwuchsplanung war möglich, hohe schulische wie berufliche Qualifikation wurde zusehends auch für Mädchen und Frauen selbstverständlich. Frauen wurden im Grossen und Ganzen gesehen unabhängiger, selbstständiger und selbstbewusster als ihre Mütter und Grossmütter zuvor.
Die Frauen, die danach aufwuchsen oder sozialisiert wurden, neig(t)en möglicherweise dazu, die Errungenschaften als selbstverständlich anzusehen, sie nicht mehr für verteidigenswert zu halten, und Männer reagieren genervt mit einem "Was wollt ihr denn nun noch alles?"
Heute ist, vgl. die 1970er, Feminismus handzahm und lendenlahm.
Da ich selbst jahrzehntelang als Radikaler galt und heute noch gelte, stört mich auch radikaler Feminismus nicht. Schliesslich war so einiges, was ich an "feministischen" Forderungen in den späten 1960er und frühen 1970er kennen gelernt habe, deutlich radikaler ist als Frau Schröders "das Gott" oder eine freiwillige Quotenregelung in der Chefetage eines DAX-Konzerns. Auch Feministinnen werden alt, bequem und spiessbürgerlich. Wenn schon die einstige (angebliche) Ikone der westdeutschen Frauenbewegung als Ratekasperin im TV auftrat oder für BILD warb (nicht als Tittengirl), dann bestätigt das nur meine Vermutung.
Mutti ist zahnlos geworden, und Töchterchen nimmt die erkämpften Errungenschaften als selbstverständlich hin und richtet sich brav häuslich in einer Rolle darin ein, von der neuen Mütterlichkeit über das Girlie zur Karrierefrau.
Ich schrieb bereits, dass proletarische, sub-proletarische Frauen und die in der Landbevölkerung immer beruftstätig waren bzw. sein mussten. Nicht selten sogar in Berufen, die uns heute überraschen, als Fischerinnen, Schifferinnen, Bergarbeiterinnen etc. Da reichte das Einkommen des Mannes nie für das Überleben der Familie.
Die Ausnahme stellten Grossbürgertum und Adel dar. Da musste Frau nicht arbeiten, sondern wurde in einer nach ökonomischen Gesichtspunkten arrangierten Ehe vom Mann versorgt. Sie durfte nicht studieren, nicht berufstätig sein, keine eigene Geschäftstätigkeit unterhalten, kein Konto etc. Sie hatte zu repräsentieren und zu gebären. Das mochte damals manchen Frauen als ausreichend erschienen sein, Vielen allerdings auch nicht. Sie bekamen dann die Konsequenzen zu spüren. Die waren durchaus manchmal tödlich.
Es gibt erstaunlicherweise auch heute noch offenbar tatsächlich Menschen, die sich von Freiheit überfordert fühlen und sich Unfreiheit wünschen.
Man schaue sich an, warum beispielsweise, um hier bei Frauen zu bleiben, sich Frauen in der AfD, in der NPD oder iin Nazi-Kameradschaften organisieren, in Bewegungen gegen Abtreibung, gegen Homosexualität, in radikal-evangelikalen Christensekten oder in salafistisch-islamistischen Organisationen.
Warum also wählen Menschen freiwillig für sich die Unfreiheit?
Weil sie Angst vor Entscheidungen haben, Angst davor, ihr Leben selbst und eigenverantwortlich zu gestalten.
Bitte plane und organisiere jemand mein Leben für mich. Das ist nicht nur bequemer, sondern enthebt mich auch vom Nachdenken und vor allem - von der Verantwortung, wenn es schief geht.
Dieser Wunsch nach Unfreiheit, wie er sich auch in Wahlergebnissen oder politischen Äusserungen zeigt, ist leider nicht an ein Alter oder ein Geschlecht gebunden. Folglich kann es auch junge Frauen treffen.
Als historischen Rundum- und Kahlschlag noch mal aus meinem Beitragsarchiv und einem anderen Kontext gekramt und liebevoll vom Staub der Jahre freigepustet:
Na, und weil es auch hier passt, wie die Faust ins Gretchen:
So lange Frauen bei gleicher Arbeit schlechter bezahlt werden, so lange Altersarmut weiblich ist, so lange Kinderaufzucht und Hausarbeit an Frauen hängen bleiben, so lange mehr Frauen als Männer vergewaltigt werden, so lange mehr Frauen als Männer Opfer häuslicher Gewalt werden, so lange mehr Frauen als Männer im Alter medikamentös ruhig gestellt werden, so lange ist "Gleichberechtigung" weit weg - und so lange ist Feminismus notwendig.
Denjenigen, die heute über eine "Männerverfolgung" klagen, die nach ihrer Darstellung mindestens die Ausmasse der Judenverfolgung im Faschismus angenommen zu haben scheint, wünsche ich manchmal eine Zeitmaschine. Zurück in die 1970er, als der Feminismus sich selbst wiederentdeckte und noch "jung & wild" war. Als Bewegungslesben das "Manifest zur Vernichtung der Männer" von Valerie Solanas lasen oder die Westberliner Schwarzen Botinnen männliche Embryos in Spiritus als Zimmerdeko verwendeten, als die Rote Zora Sexshops in Brand setzte und Frauengruppen lautstark ein nächtliches Ausgangsverbot für alle Männer ab 14 forderten. Die These, dass bis zur endgültigen Befreiung der Frau die Männer gewaltsam unterdrückt werden müssten, so wie einst im nachrevolutionären Russland die Bourgeoisie zugunsten des Proletariats, war Standardgespräch bis in Juso-Kreise. In WGs galt die These "Hausarbeit ist ab sofort Männersache" - und Penetration beim Sex als Vergewaltigung.
Es ist ja nun auch nicht so, dass der Feminismus über uns gekommen ist wie ein Tsunami über das AKW.
Die erste Generation geht bis zurück zur französischen Revolution, in der Frauen die theoretischen Grundlagen legten und erste Forderungen stellten. Beispiel: Olympe de Gouges.
Die zweite Generation wären die Suffragetten, die sich, von England ausgehend, hauptsächlich für ein Wahlrecht der Frauen einsetzten. Und zwar durchaus mit terroristischen Methoden oder Suizidaktionen. Bekannte Namen sind Emmeline und Christabel Pankhurst.
Die dritte Generation wären die jenigen Frauen, die eine "praktische Gleichberechtigung" lebten, bzw. leben mussten, weil Männer Kriege führten und sie in der Produktion, in Verkehrsbetrieben und auch im Kriegsdienst "ihren Mann stehen mussten", als Trümmerfrauen der Nachkriegszeit ohnehin. Danach liessen sie sich die erkämpften und erworbenen Freiheiten nur sehr ungern wieder abnehmen. Wobei zu sagen ist, dass der Umbruch nach dem Ersten Weltkrieg durchaus grösser war, weil er auch mit anderen gesellschaftlichen Veränderungen einher ging.
Die vierte Generation war dann die Bewegung, die vollständige Gleichberechtigung forderte und auch Fragen der Sexualität thematisierte.
Nach jeder "Emanzipationswelle" erfolgte ein Roll back, d.h. Männer sicherten ihre angestammten gesellschaftlichen Positionen oder stellten sie wieder her, in dem sie Frauen wieder zurück drängten.
Der ersten Generation wurde zum Teil noch der Kopf abgehackt und sie fielen der Vergessenheit anheim.
Die zweite Generation war erfolgreicher und setzte nach dem Ersten Weltkrieg das Frauenwahlrecht, die Studienmöglichkeiten und neue Berufsfelder weitgehend durch, thematisierte beispielsweise auch Sexualaufklärung, Verhütungsmittel oder den § 218. Diese Ära endete im Deutschen Reich allerdings 1933.
Die dritte Generation musste nach beiden Weltkriegen erleben, wie sie zusehends aus der Rolle der Arbeiterin und Kämpferin wieder in die Rolle der Hausfrau und Mutter zurück gedrängt wurde. Vergleiche dazu das Rollenbild und die Gesetzeslage in der BRD nach 1948. Damals konnte der Mann den Aufenthaltsort der Familie allein bestimmen, den Job seiner Frau kündigen oder ihre Geschäfte rückgängig machen. Erst der Arbeitskräftemangel des späten Wirtschaftswunders hat in der BRD die Frauen als billig entlohnte industrielle Reservearmee reaktiviert.
Die vierte Generation wiederum stellte, teils in sehr revolutionären Forderungen, radikal das überkommene Rollenbild in Frage und ging weiter als die Emanzipationsbewegungen vor ihr. Sie war zweifelsohne auch erfolgreicher. Gesetze, die Frauen diskriminierten oder benachteiligten, landeten auf dem Müll. Themen, die vorher keine Beachtung fanden, fanden ihren Weg in die Medien und die öffentliche Wahrnehmung. Weibliche Hetero- wie Homosexualität wurde zum Thema. Die Selbstbestimmung über die Nachwuchsplanung war möglich, hohe schulische wie berufliche Qualifikation wurde zusehends auch für Mädchen und Frauen selbstverständlich. Frauen wurden im Grossen und Ganzen gesehen unabhängiger, selbstständiger und selbstbewusster als ihre Mütter und Grossmütter zuvor.
Die Frauen, die danach aufwuchsen oder sozialisiert wurden, neig(t)en möglicherweise dazu, die Errungenschaften als selbstverständlich anzusehen, sie nicht mehr für verteidigenswert zu halten, und Männer reagieren genervt mit einem "Was wollt ihr denn nun noch alles?"
Heute ist, vgl. die 1970er, Feminismus handzahm und lendenlahm.
Da ich selbst jahrzehntelang als Radikaler galt und heute noch gelte, stört mich auch radikaler Feminismus nicht. Schliesslich war so einiges, was ich an "feministischen" Forderungen in den späten 1960er und frühen 1970er kennen gelernt habe, deutlich radikaler ist als Frau Schröders "das Gott" oder eine freiwillige Quotenregelung in der Chefetage eines DAX-Konzerns. Auch Feministinnen werden alt, bequem und spiessbürgerlich. Wenn schon die einstige (angebliche) Ikone der westdeutschen Frauenbewegung als Ratekasperin im TV auftrat oder für BILD warb (nicht als Tittengirl), dann bestätigt das nur meine Vermutung.
Mutti ist zahnlos geworden, und Töchterchen nimmt die erkämpften Errungenschaften als selbstverständlich hin und richtet sich brav häuslich in einer Rolle darin ein, von der neuen Mütterlichkeit über das Girlie zur Karrierefrau.