Warum will niemand mehr einen handwerklichen Beruf erlernen?

@Schrotty

Schrotty schrieb:Meines erachtens nach, liegt die unattraktivität, an einem völlig Überholtem Darstellungsbild, gestiegenen Ausbildungsanforderungen, welche von viel zu wenigen Schulabgängern noch erfüllt werden ( Bildungsmissere ) und auch daran, das es den Schülern zuwenig nahe gebracht wird.

Da hast du recht , zu meiner Zeit war der Hauptschulabschluss völlig ausreichend um die meisten Berufe erlernen zu können , da ist man 15 in die Lehre und mit 18 hatte man seinen Gesellenbrief.

Heute bekommt man Lehrlinge die schon fast 20 sind , was ist da passiert ?

@Heijopei
Im Grunde genommen hast Du recht. Aber ist Dir mal folgendes aufgefallen? Kaufst Du ein Produkt und es geht während der Garantiezeit kaputt wird auf Teufel komm raus repariert (um die Kosten so gering wie möglich zu halten), läuft diese aber ab sind Deine beschrieben Baugruppen plötzlich ganz großes Thema. Money, Money, Money:)

@Laucott

Laucott schrieb:Kaufst Du ein Produkt und es geht während der Garantiezeit kaputt

Sowas gibts doch gar nicht , kaputt geht doch erst was wenn die garantiezeit rum ist und das ist ja auch so gewollt . :D

Wikipedia: Obsoleszenz

@Heijopei
Ha, mein Kaffevollautomat ist während der Garantiezeit kaputtgegangen, ab zum Mediamarkt, repariert (man hat zwei Kabel ersetzt). Ein Jahr später wieder kaputt, wieder zum Mediamarkt, diesmal sagte man mir die komplette Brühgruppe müsste ausgetauscht werden. Seitdem steht dar Ding im Keller:(

Heijopei schrieb:Da hast du recht , zu meiner Zeit war der Hauptschulabschluss völlig ausreichend um die meisten Berufe erlernen zu können , da ist man 15 in die Lehre und mit 18 hatte man seinen Gesellenbrief.

So wars früher. Die Hauptschüler wurden Handwerker, die Realschüler Sachbearbeiter und die Gymnasiasten studierten.
Heute gibts ein Überangebot an "Fachkräften". Viele Stellen sind mit theoretisch Überqualifizierten besetzt, weil eben jeder meint studieren zu müssen. Versuch mal mit einer normalen kaufmännischen Ausbildung eine kaufm. Stelle zu bekommen. Deine Konkurrenz sind BWL-Studis, die zwar ihr Studium in der Tasche haben, aber für ihr Studium keine passende Stelle finden, also besetzen sie die Stellen, für die halt eine normale Ausbildung gereicht hätte. Die Chefs kriegen fürs gleiche Geld einen Studierten, der mit der Ausbildung guckt doof.
Vielleicht gibts in paar Jahren keine Toilettenfrau mehr, die keine akademische Ausbildung vorweisen kann.

@Laucott
Mein Gravierendstes Erlebnis war das ein ABS sensor an meiner Kiste kaputt war , war zu der Zeit noch Opelfahrer .
Und die sind ja ins radlager eingepresst , Opel wollte mir eine Komplette Achseinheit verkaufen weil es das einzeln nicht gibt .
Materialpreis was bei 500 euro plus einbau :ok:

aufm schrottplatz hab ich mir ein Radlager ausgebaut , hat 20 euro und ne Stunde Arbeit gekostet .

@dino
So habe ich das noch garnicht gesehen , es findet also eine Art downgrading statt.

@Heijopei
Siehst Du genau das gleiche. Die Kaffeemaschine kostete mich neu 499 Euro, die Brühgruppe hätte mich mit Einbau 230Euro gekostet. Da sag ich nur: Mediamarkt, ich bin doch nicht blöd. :)

Heijopei schrieb:Heute bekommt man Lehrlinge die schon fast 20 sind , was ist da passiert ?

Die sind wohl länger in die Schule gegangen.

Aber im Ernst, 20jährige Lehrlinge sind ja heutzutage keine Seltenheit mehr. Und die müssen ja auch das machen, wie ihre jüngeren Kollegen im gleichen Ausbildungsjahr.

Pallas schrieb:Aber im Ernst, 20jährige Lehrlinge sind ja heutzutage keine Seltenheit mehr. Und die müssen ja auch das machen, wie ihre jüngeren Kollegen im gleichen Ausbildungsjahr.

Die Frage ist aber, was haben die 5 Jahre lang vorher gemacht.

@insideman

Pallas schrieb:Die sind wohl länger in die Schule gegangen.

Bei mir waren es ein Jahr Vorschule, dann vier Jahre Volksschule, vier Jahre Hauptschule und fünf Jahre Handelsakademie einschließlich Matura. War nachdem Abschluss also schon zwanzig.

Pallas schrieb:Bei mir waren es ein Jahr Vorschule, dann vier Jahre Volksschule, vier Jahre Hauptschule und fünf Jahre Handelsakademie einschließlich Matura. War nachdem Abschluss also schon zwanzig.

Nach der Matura ist es aber nicht üblich eine Lehre zu beginnen, wobei das war wohl früher mal so.

@insideman

Ob es üblich ist, weiß ich nicht.

Ich denke aber, dass man früher den Beruf der Eltern gelernt hat, waren sie also Tischler hat man den Tischlereiberuf erlernt, waren sie Ärzte den Arztberuf. Jedenfalls nach Wunsch der Eltern.

Wieso der Handwerksberuf für viele scheinbar nicht attraktiv ist, weiß ich nicht. Kann aber sein, dass vielen das Talent dafür fehlt Dinge zusammenzuschrauben, oder dass Lehrjahre auch kein Zuckerschlecken sind.
Meine Schwester kann ein Lied davon singen.

Warum will niemand mehr einen Handwerklichen Beruf erlernen ?

Weil keiner Bock hat, gerade so über die Runden zu kommen, mit Mitte 40 nen kaputten Rücken zu haben und den Beruf nicht mehr ausüben zu können.

Warum sollte man körperlich arbeiten, wenn sich mit geistiger Arbeit leichter und mehr Geld verdienen lässt?

Ich bin ja dafür, humanoide Roboter, sogenannte Androiden, zu konstruieren, die dann physisch anstrengende Tätigkeiten übernehmen und selbstständig ausführen können. Irgendwann wird das auch der Fall sein

Draiiipunkt0 schrieb:Warum sollte man körperlich arbeiten, wenn sich mit geistiger Arbeit leichter und mehr Geld verdienen lässt?

wirklich leichter?
Wieviele Leute kloppen sich denn heute um einen sauberen Bürojob während man sich nach Handwerkern die Finger leckt? Und als Handwerker hast du immer noch die Möglichkeit, in der Nachbarschaft, in der Familie, bei Freunden usw. was privat dazu zu verdienen (jaja Schwarzarbeit aber zeigt mir einen Handwerker der das nicht macht). Als Bürokaufmann kannste keine Dienste nach Feierabend anbieten. Und das Arbeit im Büro leicht ist und nicht krank macht kann ich so auch nicht bestätigen. Körperlich vielleicht weniger anstregend, aber es gibt genug Büroleute, die stressbedingt auf dem Zahnfleisch gehn.
Stände ich heute nochmal vor der Wahl: ich würde einen Handwerksberuf lernen.

dino schrieb:Als Bürokaufmann kannste keine Dienste nach Feierabend anbieten.

Nach Feierabend hätte ich ehrlich gesagt keine Lust mehr weiterzuarbeiten! Das Leben ist viel zu kostbar um es mit zusätzlicher Arbeit zu verschwenden

collectivist schrieb:Nach Feierabend hätte ich ehrlich gesagt keine Lust mehr weiterzuarbeiten! Das Leben ist viel zu kostbar um es mit zusätzlicher Arbeit zu verschwenden

ne, wenn Kohle dabei rumkommt, ist zusätzliche Arbeit gut. Arbeit ist immer gut, wenn man die Früchte davon gleich ernten kann.

@Alfio
Geld ist nicht alles! Und das sage ich als materialistischer Hedonist

Das mag wohl verschiedene Gründe haben, einer ist sicherlich die teilweise miserable Bezahlung in manchen Handwerksberufen. Wenn man da nicht "schwarz" nebenher arbeitet, sieht's finanziell doch ziemlich düster aus.

Ich kenne nicht all zu viele Handwerksgesellen, aber was man so hört liegt die Bezahlung für Gesellen meist unter 2200€ Brutto. Wenn man mehr verdienen möchte ist der Meister Pflicht. Die Schule kostet dann viel Geld und eine Anstellung als Meister hat man danach auch nicht sicher, gerade weil die potentiellen Arbeitgeber in den klassischen Handwerksberufen meist kleine Betriebe mit wenigen Mitarbeitern sind, die nicht wirklich einen Meister brauchen oder einem ein gutes Gehalt bezahlen können.

In mittelständischen Industriebetrieben sieht es da deutlich besser aus, was auch ein Grund dafür sein dürfte, dass Ausbildungsberufe wie Werkzeug-, Zerspanungs-, Verfahrens-, ...-mechaniker bei den heutigen Schulabsolventen viel gefragter sind als Installateur-, Elektriker-, Maurer- oder Zimmermannslehren.

Was bleibt einem denn groß übrig als Geselle in einem klassischen Handwerksberuf?
Einerseits die Selbständigkeit, die zuerst große Investitionen/Schulden nötig macht und alles andere als sicher ist. Oder man geht für größere Firmen auf Montage, verdient da mehr, ist dann allerdings auch die meiste Zeit nicht zuhause.

Von dem her kann ich es verstehen, wenn vor allem Handwerker ihren Kindern abraten, einen solchen Beruf zu erlernen. Mir wurde selbst auch immer eingebläut, dass mir die Enterbung drohe, sollte ich anfangen auf dem Bau zu arbeiten... ;)