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Der Mensch Jens Söring

40.372 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Kino, Gefängnis ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Mensch Jens Söring

Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 00:55
Also ich denke es war wie folgt: EH hat sich mal wieder bei ihren Eltern angemeldet zum Abendessen, aber JS kam mit, weshalb nur für drei gedeckt war und wollten ein klärendes Gespräch führen und vielleicht ist die Situation, aufgrund der allgemeinen Abneigung der Eltern gegen JSs etwas besserwisserischen Charakter plus der hohe Alkoholpegel der Eltern, eskaliert, da JS merkte, dass er mit seiner Argumentation damals (wie heute noch) nicht weiter kam.

Warum waren beide da und nicht nur eine/r? Nachbarn, wenn ich mich recht erinnere, wollen gesehen haben wie EH ihren Fußabdruck mit dem blutigen Sockenabdruck verglichen haben soll bei den Reinigungsarbeiten am Tatort Tage später, nachdem die Mordkommission da war; also war sie im jeden Fall dabei. Er war alleine ins Haus aber ging zurück direkt nach der Tat Stichwort: Außenlichtschalter, welchen er aber nicht gefunden hatte, weil er EH nicht fragte bevor er ins Haus zurück ging, da er wohl wie jeder normale Mensch dachte, dass der irgendwo bei der Haustür wohl ist. Ein zweites Mal wollte niemand der beiden mehr ins Haus.

Interessant wäre zu wissen, ob JS ursprünglich gestanden hatte, was mit dem Tatmesser passiert ist und warum das Außenlicht überhaupt an war?


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 07:37
Zitat von therealjokertherealjoker schrieb:Vielleicht könnte Andy siepowicz etwas zu seiner Einschätzung der haftbedingungen im Unterschied zwischen usa und d sagen? Das wäre schön.
Owei, das ist gar nicht so einfach. Es gibt nämlich seit einiger Zeit in Sachen Strafvollzug kein Deutschland mehr, und hat nie eine USA gegeben: In Deutschland ist Strafvollzug seit einigen Jahren Ländersache, und in den USA ebenfalls. Und wie die Länder, bzw. die Bundesstaaten den Strafvollzug organisieren, ist oft sehr unterschiedlich.

Aber versuchen wir es einmal. Ich selbst komme aus Bayern und habe einige Zeit in Bayern und in Hessen in verschiedenen Gefängnissen verbracht, ebenso in den amerikanischen Bundesstaaten New Jersey, Californien, Arizona und New Mexico.

(Wer mich noch nicht kennt, wird nun überlegen ob ich Schwerkrimineller, Justizvollzugsbeamter oder Rechtsanwalt bin - letzteres stimmt :) Mein Aufenthalt in Gefängnissen hat noch nie mehr als ein paar Stunden am Stück gedauert, aber aus diesen Besuchen meiner Mandanten und anderen Begebenheiten kann ich doch einiges berichten. Besonders habe ich in meiner Ausbildung viel Zeit in der hessischen JVA Schwalmstadt verbracht, einer JVA für die eher schweren Jungs, und durch die dortigen Beamten viel gelernt. Darauf kann ich meine Aussagen hier stützen. )

Hessen und Bayern folgen einem eher restriktiven Modell des Strafvollzugs, im Gegensatz zu Ländern wie z.B. Brandenburg. Das bedeutet, die Einschränkung der persönlichen Freiheit und Entfaltung des Gefangenen ist in Bayern und Hessen weitaus spürbarer als anderswo.

Wie das in Virginia im Einzelnen ist, kann ich nicht aus eigener Erfahrung sagen, aber ich kenne die sehr restriktiven Staaten Texas und Arizona und die eher lockeren wie New Jersey, Californien und das Bundessystem der USA und vermute Virginia liegt irgendwo in der Mitte.

Was einige hier erstaunen wird ist, dass es mir schwerfällt pauschal zu sagen, dass Strafvollzug in den USA per se restriktiver ist als in Deutschland. Gerade wenn man von dem persönlichen Empfinden des einzelnen Gefangenen ausgeht, und der gelebten Realität im Gefängnis, und nicht von dem in fröhlichen Farben beschriebenen Idealzustand der Theoretiker in den Justizministerien, wird man erstaunliches sehen.

Ich versuche das nun einmal aus der Sicht eines Gefangenen wie JS zu beschreiben. Der hat sich in dieser Sache ja auch geäussert und ein Buch darüber geschrieben, das ich allerdings nicht kenne.

Grundsätzlich gilt in beiden Fällen: Die Verurteilung zu "lebenslänglich" trifft erst mal sehr stark. Lebenslänglich kann man sich nicht vorstellen. Selbst in Deutschland, wo das ja nur ca. 15 Jahre bedeutet, klingt es für den Gefangenen erst mal wie eine Ewigkeit. 15x Weihnachten im Knast. 15 Sommer ohne Freibad, ohne Radtour in der Sonne, ohne leicht bekleidete Mädels vor den Kneipen der Stadt an lauen Sommerabenden, 15 Geburtstage ohne die Kumpels feiern, ohne die Familie... In den USA können anstatt der 15 auch 30 oder mehr Jahre eingesetzt werden. Egal: Wer selbst erst 19 oder 20 ist, kann sich das nicht vorstellen. Es klingt erst mal nur verdammt lang.

Am Beginn denkt man darüber aber gar nicht so sehr nach. Erst mal steht im Vordergrund mit der völlig anderen Welt im Knast fertig zu werden. Hier in den USA sagen erfahrene Knackis es so: NICHTS was draussen galt, gilt hier drin! Hier lebt man nach komplett anderen Gesetzen und Werten. Und vielleicht noch härter: DU bist nichts. Kein Schwein kümmert es, ob Du hier bist oder nicht. Wir haben hier alle unsere eigenen Probleme und Deine werden wir uns nicht aufhalsen. Und das gilt auch für das Personal! Für das Personal bist Du nur eine Nummer.

Nicht viel anders in Deutschland: Auch dort bist Du nur eine Nummer. Das Personal ist chronisch unterbesetzt und gereizt, unterbezahlt (in deren Augen jedenfalls) und nicht dazu da, dein Babysitter zu sein. Deine Probleme interessieren niemanden - auch nicht die hübsche Sozialarbeiterin, die sich einmal im Monat für 20 Minuten mit Dir zusammensetzt und dich nach 5 weiteren Terminen nicht mehr von den anderen Häftlingen unterscheiden kann. Vielleicht der Gefängnispfarrer, der empfindet vielleicht wirklich etwas für Dich, aber er hat keine Macht, irgendwas zu ändern. Und dein Anwalt hat dich längst vergessen.

Wer einmal bei der Bundeswehr gedient hat, kennt das vielleicht: auf einmal ist man in einer komplett anderen Welt und man ist gar nichts. Man hat einem neuen Kodex zu gehorchen und die eigene Befindlichkeit interessiert die anderen nicht.

Damit musst du erst mal klarkommen. Das dauert. Du vermisst auf einmal schmerzhaft, was du bisher für selbstverständlich gehalten hast: vor allem die sozialen Kontakte.

Das fällt in Deutschland sogar viel stärker auf als in den USA.

Fortsetzung folgt


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 07:59
@Hesse18
das mit dem vergleichen des Fußabdrucks stand so in dem Buch Wo alles Mitleid ändert. Allerdings wurde der herausgeschnitte Abdruck einmal in einer Sendung gezeigt, von daher gingen wir hier davon aus, dass es sich so nicht zugetragen haben kann. Der blutverschmierte Linoleumboden aus der Küche z. B. wurde auch herausgeschnitten und befindet sich in der Asservatenkammer in Viginia. Was ja auch Sinn macht, als wenn man Beweismittel durch Reinigung vernichten würde.

Wegen dem Außenlicht ist JS lt. seiner Aussage nach noch einmal zurück auf Socken ins Haus gegangen, um es auszuschalten. Er hatte den Lichtschalter allerdings nicht gefunden, weil dieser sich, wie @MissMary schon geschrieben hatte, im Schlafzimmer der Eltern befand. Das hätte z. B. EH gewusst, wenn sie mit am Tatort gewesen wäre, oder im Auto gewartet hätte. Das Tatmesser wurde lt. seiner Aussage in einem Müllcontainer entsorgt, sofern ich mich noch richtig erinnere.


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 08:17
Teil 2:

Einige der ersten Fragen, die dir durch den Kopf gehen: Wann gibt es Hafturlaub? Wann kann ich Bewährung bekommen? Wann komme ich hier bloss wieder raus? - Du bist Lebenslänglicher, selbst in Deutschland reden wir von diesen Dingen frühestens in ein paar Jahren! - Schock.

Wann kann meine Freundin mich besuchen? Wenn ich keine Freundin habe, dann mein bester Freund? Wenn ich keine Freunde habe, dann wenigstens meine Mutter? Wann sehe ich ein freundliches Gesicht, einen Menschen, der sich für mich wirklich interessiert, jemanden, der keine Uniform trägt?

Antwort: Das dauert! Und es wird sehr selten sein:

Erst einmal wird es mehrere Wochen dauern, bis Du "eingezogen" bist. Während der Zeit, in welcher das System schwerfällig bürokratisch deine Ankunft verarbeiten muss, also genau während der Zeit, in welcher du am allerdringendsten das Bedürfnis verspürst, einen Menschen aus deinem früheren Leben zu sehen, ihm oder ihr gegenüberzusitzen, eine vertraute Stimme zu hören, eventuell gar ihn oder sie anfassen zu dürfen - gibt es keinen Besuch.

Eine Besucherliste muss erst genehmigt werden. Du musst erst eine endgültige Zuordnung erhalten haben. Egal ob Deutschland oder USA, das dauert, oft Wochen oder gar Monate.

Dann endlich: Besuch ist genehmigt. Der nächste Schock: so einfach ist es gar nicht mit dem Besuch. Du bist hunderte Kilometer von zu Hause weg. Deine Familie, deine Freundin, sie müssen weit fahren. Wenn sie kein Auto besitzen ist es noch komplizierter, z.B. Schwalmstadt in Hessen ist ein winziges Kaff in der Pampa, Straubing in Bayern, Blythe in California, weit weg von den urbanen Zentren, aus denen du vermutlich stammst, wie Frankfurt, München, Los Angeles. Der Staat baut Gefängnisse da wo es billig ist, nicht da, wo die meisten Insassen herkommen.

Ist der Besuch endlich angekommen, muss er durch die ganzen Sicherheitskontrollen. Im Edna Maham Gefängnis für Frauen in New Jersey dauert es für mich als Anwalt in der Regel 30 Minuten vom Eingang bis zum Besucherraum im Hochsicherheitstrakt. Und Anwälte werden bevorzugt behandelt. Kein Problem? Doch: denn die 30 Minuten werden von der Gesamtbesuchszeit abgezogen! Wenn ein Besuch 2 Stunden dauern darf wird die Zeit vom Eingang bis zum Ausgang berechnet. Wenn der Besucher eine Stunde braucht um herein und heraus zu kommen, hat er 50% der Besuchszeit bereits verbracht, ohne dich gesehen zu haben.

Samstag morgens in Blythe in Californien: Busladungen voller Frauen aus Los Angeles treffen ein. Diejenigen, die ein wenig mehr Geld besitzen haben in den überteuerten Motels dieses kleinen Wüstenkaffs geschlafen, die meisten haben das Geld nicht und nehmen einen Nachtbus, der sie nach 6 oder 7 Stunden Fahrt von Los Angeles am frühen Morgen vor dem Gefängnistor absetzt. Denke daran: Deine Freundin nimmt eine Reise von 20 Stunden auf sich nur um Dich 3 Stunden lang zu besuchen. Dazu eine entwürdigende Sicherheitskontrolle, in der sie sich fast sprichwörtlich vor unfreundlichen Justizbeamten ausziehen muss (fast!). Und wehe sie hat eine Regel nicht beachtet: der Besuch wird gestrichen. Sie wird dich heute nicht sehen. 20 Stunden umsonst. Vielleicht hatte sie ein beiges T-shirt an, das zusehr der Uniform der Insassen gleicht. Oder die Ärmel waren zu kurz. ...

Besuch. Der allerwertvollste und allerwichtigste Moment im Leben eines Gefangenen. In Bayern gibt es gerade einmal eine Stunde (!!) Besuch im Monat. Die wertvollsten 60 Minuten in deinem Leben. In Californien gibt es bis zu 8 Stunden im Monat, in New Jersey z.B. wöchentlich 2 Stunden).

Egal ob nun eine oder acht Stunden im Monat, die anderen siebenhundertundeinpaar Stunden im Monat bist Du allein.

Oder auch nicht. Heutige junge Leute sind es meist gewohnt, ein eigenes Zimmer im Elternhaus gehabt zu haben, und eine eigene Wohnung meist auch. Hier lebst Du nun mit mindestens einem, oft gar mit vier wildfremden Männern in einer winzigen Zelle.

In Bayern und Hessen gibt es kaum noch Einzelzellen, Belegung mit 2-4 Gefangen war zu meiner Zeit normal. Du hast NULL Privatsphäre. Man schaut dir sogar zu, wenn du auf dem Klo sitzt. In Californien genauso. In der Regel 2-4 in einer Zelle. In anderen Staaten gibt es gar "dorms," wie bei der Armee oder in alten Jugendherbergen gibt es Schlafsäle mit Stockbetten und 60 Mann in einem Saal.

Die "anderen" mit welchen du nun nahezu jede Minute deines Lebens in inniger Gemeinschaft verbringen musst, sind höchstwahrscheinlich aus einer ganz anderen Welt als der Schnösel JS: Keine Diplomatenkinder von der Eliteuniversität. Das sind Kinder aus den slums, Leute die kaum Lesen und Schreiben können. Die London nicht von Baltimore unterscheiden könnten und von Germany vermutlich nicht einmal wissen, dass man dort Fussball spielt.

Auch das ist in Deutschland nicht anders: Deine Zellengenossen sind höchstwahrscheinlich Kinder anatolischer Einwanderer, aufgewachsen in den quasi-Slums von Langwasser, Neuperlach, Nordweststadt usw. Selbst wenn sie deutsch sprechen klingt das ganz anders als deine geschliffene Studiertensprache. Und wenn sie dich für einen Schnösel halten, wird es lustig - nur nicht für dich.

Das Besuchsthema hatten wir schon. Was nun? Mir fällt hier die Decke auf den Kopf. Ich werde wahnsinnig. Die Typen in meiner Zelle reden Tag und Nacht auf Türkisch oder Russisch oder Spanisch, und ich hab' niemanden zum Reden!!!

Telefon! Klar, gibt es ja auch noch. Handies sind im Knast verboten. Du kannst in Deutschland allerdings eines kaufen. Bei Russen-Igor in Zelle 213 oder bei Kurden-Murat in Zelle 456. Aber das wird dich was kosten. Und wenn du erwischt wirst, gibt es die härteste Strafe: Besuchsentzug!

Was ist mit legalen Telefonaten? Wenn du in den USA bist hast Du Glück: du darfst Telefonieren soviel du willst, solange du es bezahlen kannst. Zwischen einem und fünf Dollar pro Minute knöpfen dir skrupellose Gefängnisverwaltungen ab, obwohl draussen die Gespräche weniger als 9 cents die Minute kosten würden. Aber immerhin: du darfst telefonieren.

In Deutschland in der Regel nicht. Nada. Nix. Kontakt zu den "normalen Menschen" draussen? Nur per Brief. Schreiben. Mit Kugelschreiber oder Bleistift. Auf Papier. Nix email, nix internet, gibt's alles nicht im Knast.

In den USA gibt es teilweise email. Immerhin. Dann dauert es keine 4-6 Wochen mehr, bis du Antwort bekommst auf Deinen Brief. Denn so lange kann das dauern. Dein Brief muss ja erst von einem Vollzugsbeamten gelesen werden, bevor er rausgeht. Und der Antwortbrief deiner Freundin wird auch erst gelesen, bevor du ihn haben darfst. Und deine Zellennachbarn wollen ihn auch lesen.

Yikes.

Weihnachtszeit. Als Student haben dir Mama und Oma und Freundin immer Päckchen mit Plätzchen und Lebkuchen in deine Studenten-WG gesandt. Im Knast: Nada.

Persönliche Pakete empfangen zu können wurde sowohl in Deutschland als auch in den USA weitgehend abgeschafft. Als ich mein erstes Praktikum im Gefängnis in New Jersey machte, gab es das noch. Zuviel Kontrollaufwand, heisst es. Angehörige dürfen dir Geld senden, damit du zu Wucherpreisen etwas im Gefängnis kaufen kannst. Aber keinen persönlichen touch mehr.

Na gut, was macht dann jemand wie JS?
Fortsetzung folgt


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 08:44
Teil 3:

Bücher lesen. In nahezu allen Gefängnissen in D und den USA gibt es Bibliotheken. Du darfst ein oder gar mehrere Bücher auf der Zelle haben. Du wirst sie verschlingen, denn jeder Tag hat ja 24 Stunden und die sind jeden Tag gleich gähnend langweilig.

Wenn du Geld hast, darfst du in den USA sogar Bücher bei amazon etc. bestellen.

Deine Zellkameraden werden dich für einen Bücherwurm halten. Sie haben in ihrem ganzen Leben vermutlich weniger als zwei Bücher gelesen. Aber du kannst dich hinter die Buchdeckel in eine andere Welt zurückziehen.

Bücher werden deine engsten Freunde werden.

Fernsehen. Je nach Gefängnis darfst du dir vermutlich einen Fernseher kaufen und in deiner Zelle aufstellen. Um das Programm musst du dich allerdings mit deinen Zellnachbarn verständigen. Wenn die 24 Stunden lang soap operas sehen wollen und du das literarische Quartett... das kann problematisch werden.

Radio - siehe Fernsehen.

Sport? Wenn Du Glück hast, darfst du eine Stunde am Tag Sport treiben, laufen im Gefängnishof, Gewichtheben, vielleicht auch in einem Team Basketball o.ä. spielen. Wenn du Pech hast ist der Gefängnishof baufällig, ist das Personal unterbesetzt oder es gilt eine andere der 1001 Entschuldigungen, warum die Verwaltung das Sportprogramm aussetzt.

Arbeiten?

Wenn Du Glück hast, gibt es Arbeit für Dich. Wenn Du Riesenglück hast, sogar halbwegs sinnvolle. Meist gibt es weniger Arbeitsplätze als Gefangene, daher ist Arbeit ein Privileg. Verdienen tust du sozusagen nichts, ein paar Euro oder Dollar im Monat, aber Geld ist nicht das wichtige: wichtig ist etwas gegen die Langeweile zu haben. In Schwalmstadt gibt es z.B. Werkstätten. Eine bundesweit gelobte Ausbildungsküche, in welcher die Gefangenen zum Koch ausgebildet werden können (ich habe oft dort gegessen, vermutlich das beste Gefängnisessen weltweit).

Ansonsten ist es meist "Handarbeit" (menial work). Autonummernschilder herstellen. Formulare der Verwaltung drucken.

So vergeht dein Tag. Jeder Tag. Aufstehen, hoffentlich arbeiten, essen -meist eher schlecht,- fernsehen, einen Brief schreiben, lesen, ein wenig Sport, sich aus den Rivalitäten der anderen Insassen heraushalten -sehr anzuraten!- sich bemitleiden und bejammern. Und von solchen Tagen hast du bei 15 Jahren über 5000.

Soering hat sich unter diesen Verhältnissen gar nicht so schlecht beschäftigt: er hat Bücher geschrieben, die gar nicht so schlecht sein sollen. Er unterhält seine Fan-Gemeinde. Er betreibt aktiv seine Interessenvertretung.

Einige der Widrigkeiten seiner Existenz hat er so wohl zum Positiven gewandelt: Aus Ausländer und Eigenbrötler in Virginia hat er mit nicht viel Besuchen durch die Familie rechnen dürfen, schon gar nicht, seit er sich dort verkracht hat - also hat er einen Unterstützungskreis aufgebaut, der seine Ersatzfamilie geworden ist. Das ist gut und wichtig, um nicht durchzudrehen.

Er hat seine intellektuellen Fähigkeiten genutzt und ist nicht abgestumpft. Auch das ist gut und wichtig.

Auch hier muss man sagen: es spielt gar nicht so sehr eine Rolle, ob er nun in Bayern einsitzt oder in Virginia: sein Leben im Knast wäre vermutlich in beiden Fällen relativ ähnlich verlaufen. Natürlich mit dem einen grossen Unterschied: in Deutschland hätte er von Anfang an gewusst, dass er nach ein paar Jahren wieder in Freiheit sein wird. Emotional hätte das vermutlich sich ausgewirkt. Aber wie gesagt, in den ersten Jahren ist das akademisch: da kommt dir jeder Tag zu lang vor, es ist egal ob du weisst, dass es 15 Jahre sind oder 45 Jahre.

Psychologen sagen oft, der tiefste Punkt bei lebenslänglichen ist nach ca. 7 Jahren. Man hat das Gefühl, es hat eh alles keinen Sinn mehr. Man hat das Gefühl, noch mal 7 oder gar mehr Jahre gehen gar nicht. An diesem Punkt ist die Suizidrate wohl am höchsten. Ob das stimmt, habe ich nicht überprüft, aber ich habe keinen Grund daran zu zweifeln.

Immerhin hat JS diesen Punkt schon lange überschritten. Er hat sich offensichtlich angepasst an die fremde Welt im Knast und sie ein klein wenig in seinem Interesse geformt.


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 09:00
@Rick_Blaine
danke für die interessante Einsicht in den Gefängnisalltag!

Weißt du ob es in den USA oder auch in Deutschland erlaubt ist, Briefe in einer anderen Sprache zu verfassen und abzuschicken bzw. zu erhalten? Wird das auch kontrolliert, bzw. ist es überhaupt möglich das zu kontrollieren? Insbesondere in den USA werden höchstwahrscheinlich die wenigsten deutsch sprechen können.


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 09:15
@Venice2009
Das ist eine gute Frage, die ich mir auch schon gestellt habe. Mir ist keine Regel bekannt, die es verbieten würde in seiner Muttersprache zu schreiben, und ich denke, das wäre auch verfassungswidrig. Allerdings gibt es überall die Regel, dass die JVA den Schriftverkehr kontrolliert. Solange es sich in den USA zumeist um Spanisch und in Deutschland zumeist um Türkisch oder Russisch handelt, dürfte das kein Problem sein, da man im Personal sicher jemanden hat, der diese Sprachen spricht. Aber Gefangene aus der Mongolei? Aus Papua Neuguinea?

Ich werd' mich bei meinem nächsten Besuch im Knast mal erkundigen. Wir haben hier einen freundlichen und kauzigen Schweizer, der schon seit vielen Jahren hier Gefängnisbeamter ist. Wir sprechen immer deutsch miteinander. Das wird mich daran erinnern, ihn mal nach dieser Thematik zu befragen. Meine Mandanten sprechen bisher immer Englisch oder Spanisch :)


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 09:20
@Rick_Blaine
das wäre prima, wenn du das in Erfahrung bringen könntest. Danke :)


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 09:28
@Rick_Blaine

...mal wieder ganz tolle Beiträge, Respekt!


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 10:00
@stupormundi
Danke

@Venice2009
Also in Deutschland ist das immer noch recht bürokratisch organisiert, was in der Praxis offensichtlich riesige Probleme macht:

Jeder Brief der nicht auf Deutsch ist muss, wenn es niemanden bei der zuständigen Gefängnisverwaltung, Staatsanwaltschaft oder dem Gericht gibt, der die Sprache spricht, von einem Dolmetscher übersetzt werden. Die Kosten soll eigentlich der Gefangene tragen, was aber recht illusorisch ist (Übersetzer nehmen locker mal 50 cents pro Wort).

Das Bundesverfassungsgericht und zahlreiche Oberlandesgerichte haben auch noch ihren Senf zu dieser Frage abgegeben, z.B. dass es wie geahnt verfassungswidrig ist, wenn ein Gefangener auf grund der hohen Dolmetscher-Kosten nicht mehr in seiner Sprache schreiben darf oder kann.

Wie reagiert also die Praxis:
Die durch die Enge aufgeheizte Atmosphäre in der Haftanstalt werde durch den hohen Ausländeranteil von 31 Prozent und die Nationalitätenvielfalt noch verstärkt, sagte Dantz (Leiter der JVA Brackwede I und II in NRW). »Bei uns leben Häftlinge aus 47 Nationen, die zumeist nur ihre Heimatsprache beherrschen und mit uns nicht kommunizieren können. Nur eines der damit verbundenen Probleme ist die Briefkontrolle. Sie kann nur stichprobenartig erfolgen, weil sonst die Dolmetscherkosten jeden Etat sprengen würden. «
http://www.jva-bielefeld-brackwede.nrw.de/behoerde/presse/archiv/geisel/index.php

In den USA hat es z.B. in Utah Regeln gegeben, die vorschrieben, dass die Gefangenen nur auf Englisch kommunizieren dürfen, aber nach Androhung einer Verfassungsklage durch die ACLU wurden diese Regeln abgeschafft.

Wie gesagt, ich werde mal nachfragen, wie die Praxis hier aussieht.


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 10:14
@Rick_Blaine
@Venice2009

Ich habe schon Fotos seiner Briefe gesehen. Die wurden auf FB gepostet und waren auf Deutsch. Keine Ahnung allerdings, ob sich das zuvor ein Übersetzer angesehen hat. Das wäre in der Tat sehr interessant zu wissen!


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 11:15
@Rick_Blaine

Mich würde zu Allem auch noch interessieren, wie es um die medizinische Versorgung in den Gefängnissen der USA bestellt ist.

Kommt beispielsweise einmal im Monat ein Doc und untersucht alle Gefangenen?
Und was ist, wenn einer, ausser der Reihe, mal rasende Zahnschmerzen hat?

Ich könnte mir vorstellen, das er dann u.U. länger auf medizinische Versorgung warten müsste, evtl. aus Schikane?


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 11:18
@Hesse18

Bei der Frage, ob JS alleine in Boonsboro war oder doch zusammen mit EH, bin ich hin und hergerissen.

Es gibt für beide Theorien gute Gründe:

1. JS war alleine in Boonsboro

- EH hat eine Skizze von dem Kino in ihrem Tagebuch (kann aber von Anfang an als zusätzliches Alibi, in Ergänzung zu den Kinokarten, gedacht gewesen sein).
- EH macht sich im Tagebuch sorgen, wegen der Fingerabdrücke von JS. Sie sorgt sich also ausdrücklich nicht um ihre eigenen Fingerabdrücke. Weil sie nicht vor Ort war oder weil es ok wäre, wenn man ihre Fingerabdrücke am Tatort findet, da es ja das Haus ihrer Eltern ist?
- Der Lichtschalter im Masterbedroom, den JS nicht gefunden hat um das Außenlicht wieder auszuschalten (möglicherweise haben aber beide den Tatort hektisch verlassen und vergessen daher die Außenbeleuchtung auszuschalten. Im Auto bemerken sie ihren Fehler und JS geht alleine zurück ins Haus).

2. JS und EH waren in Boonsboro

- Es gibt eine Blutspur von der Blutgruppe von EH am Tatort (es kann aber sein, dass diese Blutspur nicht im Kausalzusammenhang mit dem Verbrechen steht. Es war ja nur eine Spur und diese wurde im 1. OG gefunden).
- Keiner hat so ein richtig tolles Alibi. Damit meine ich nicht die Kinokarten, sondern vielmehr die Tatsache, dass keiner der beiden in Washington gesehen wurde bzw. sich niemand an sie erinnert hat.
- Meine persönliche Einschätzung ist einfach („Bauchgefühl“), dass es in gewisser Weise logischer wäre, wenn beide hingefahren wären. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass JS eher mitgemacht hätte, wenn er das Ding nicht alleine hätte durchziehen müssen.

3. Neutral

- Der Tisch, ob nun für zwei oder drei Personen gedeckt spielt mMn keine Rolle. Selbst wenn er für drei gedeckt war, bedeutet das ja nichts, weil EH JS ja kaum angekündigt hätte. Schließlich fuhren die beiden in diesem Szenario zu den Haysoms um sie abzumetzeln, nicht zum Dinieren.
- Die Nummer mit der Nachbarin, die angeblich EH Tage nach der Tat gesehen haben will wie sie Ihren Fußabdruck mit dem vom Tatort vergleicht, habe ich schon immer für eine Nebelkerze von JS gehalten. Zum einen ist doch zweifelhaft, ob die Vergleichsabdrücke überhaupt noch im Haus waren (siehe die Ausführungen von @Venice2009). Zum anderen muss sie ja einen sehr speziellen Blickwinkel gehabt haben, um zu sehen, was EH da treibt. Letztlich gab es einfach keinen Grund für EH die Abdrücke zu vergleichen. Wäre es wirklich ihrer gewesen, wüsste sie das ja. Wofür der Vergleich?

Fazit: Man kann es nicht genau sagen. Aber es spielt auch keine Rolle. Denn JS war definitiv vor Ort.


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 11:31
Zitat von ElvisPElvisP schrieb: Im Auto bemerken sie ihren Fehler und JS geht alleine zurück ins Haus).
Nach so einer Tat finde ich es absurd, nochmal das Haus zu betreten, um das Außenlicht zu löschen.

Immerhin hätte jemand ihr Auto sehen können und auch, das jemand das Haus betritt.

Das Risiko wäre eigentlich zu hoch gewesen, mein ich.

Wenn das Außenlicht weiter gebrannt hätte, wer hätte daraus geschlossen, das die Haysoms tot in ihrem Haus liegen?

Klar, EH u. Söring brauchten danach Zeit, doch selbst wenn die Tat sofort oder ein wenig später entdeckt worden wäre, wer hätte die Beiden mit dem Verbrechen im Zusammenhang gebracht...

Wahrscheinlich oder vielleicht hatte er Sorge, Spuren am Tatort hinterlassen zu haben, hat dem Tatort in Augenschein genommen, ob er keine Spuren hinterlassen hat, hat dann die Blutlachen bzw. Fußabdrücke verwischt, das erscheint mir plausibler.


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 12:11
@Rick_Blaine
Interessante, zugleich beklemmende Ausführungen zum Gefängnis-Alltag. Eines ist sicher, ich werde nichts tun um je dort zu landen ;-)
Danke dafür!

Was mich wundert. Ich habe länger in Italien gelebt. Dort sind die Gefängnisse auch überlastet und randvoll u. dennoch höre ich immer wieder, dass Gefangene sogar Uniabschlüsse machen, also Bachelor/Master inklusive Abschlussarbeit u. Verteidigung derselben. Dazu kommen wohl die Profs ins Gefängnis, aber da bin ich mir gerade nicht zu 100% sicher.
Wie ist das möglich? Man braucht Fachliteratur u. für die Abschlussarbeit einen PC etc. - Wenn das "sogar" in Italien funktioniert, trotz widriger Infrastruktur, dann doch erst recht in den USA und Deutschland würde man meinen?!
Oder stehen solche Angebote nur bestimmten Gefangenen zu, welche Hierarchie gibt es falls es sie gibt?
Auch JS schreibt seine Bücher doch sicher nicht per Hand, oder? Also hat er Zugriff auf einen PC im Gefängnis?!


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 12:26
@Rick_Blaine
Ich will noch rasch ein Beispiel anfügen.
Der Fall Meredith Kercher dürfte über die Grenzen Italiens bekannt sein - Stichwort Amanda Knox. Der einzig Verurteilte in dem Fall, Rudy Guede, hat im Gefängnis in diesem Jahr mit Bestnoten seinen Bachelor gemacht. Nun strebt er noch den Masterabschluss an bzw. eben die laurea magistrale, wie das in Italien heißt.
Rudy Guede si è laureato con 110 e lode in Scienze storiche del territorio e della cooperazione internazionale all’università di Roma Tre. La discussione è avvenuta nel carcere di Viterbo dove è detenuto per scontare 16 anni di reclusione per l’omicidio di Meredith Kercher. Guede ha annunciato che ora si iscriverà, sempre all’ateneo romano, al corso di laurea magistrale in Storia e ambiente.
http://www.lastampa.it/2016/07/16/italia/cronache/si-laurea-in-carcere-con-e-lode-rudy-guede-condannato-per-lomicidio-di-meredith-kercher-13jlt2oocZoeQLcAEDi92N/pagina.html
Das ist nicht der einzige Fall, den ich aus Italien von studierenden Inhaftierten kenne.
Ich finde es gut, dass es dort offenbar diese Möglichkeit für Inhaftierte gibt, in Deutschland habe ich davon noch nie gehört.


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 12:46
@Rick_Blaine
PS: Rudy Guede hat vor dem Bachelor im Gefängnis zunächst sein Abitur gemacht.
Vor dem Gefängnis hatte er keine abgeschlossene Berufsausbildung.

Da frage ich mich schon, warum jemand wie J.S. nicht auch weiter studieren konnte. Geld hätte er dafür sicher gehabt (Studiengebühren in den USA sind meines Wissens ja nicht niedrig), oder?!


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 12:53
@Misterioso
Thomas David Lukas Olsen hat, als er noch Magnus Gäfgen hieß, doch auch im Gefängnis sein erstes juristisches Staatsexamen abgelegt.


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 13:04
@hopkirk
Stimmt, danke!

Insofern verstehe ich aber diesen Aspekt der Langeweile, der in den Ausführungen von AndySipowicz sehr präsent dargestellt wird, nicht ganz. Langeweile hat doch dann nur der im Gefängnis, der sich keine Ziele steckt?!
Wie gesagt, Rudy Guede hat sich vor der Inhaftierung als ungelernter Gärtner und Basketballspieler verdingt. Im Gefängnis erst hat er sein Abitur nachgemacht, ein Studium begonnen und mit Prädikat abgeschlossen.
Das Gefängnis hat offenbar einen positiven Einfluss auf ihn. Klar, in den USA geht es im Strafvollzug nicht zuvorderst um Resozialisierung - bei der Haftstrafe von J.S. sowieso nicht - vielleicht gibt es daher keine vergleichbaren Angebote.


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Der Mensch Jens Söring

09.12.2016 um 13:48
Zitat von boraboraborabora schrieb:Nach so einer Tat finde ich es absurd, nochmal das Haus zu betreten, um das Außenlicht zu löschen.
Na ja, das der Täter bzw. einer von ihnen, nach der Tat das Haus erneut betrat ist ja unbestritten (so ist der blutige Sockenabdruck entstanden).
Zitat von boraboraborabora schrieb:Wahrscheinlich oder vielleicht hatte er Sorge, Spuren am Tatort hinterlassen zu haben, hat dem Tatort in Augenschein genommen, ob er keine Spuren hinterlassen hat, hat dann die Blutlachen bzw. Fußabdrücke verwischt, das erscheint mir plausibler.
Wenn du aber die Rückkehraktion als solche (zu) riskant findest, verstehe ich die obige Anmerkung nicht. Ihr wohnt ja dasselbe Risiko inne. Oder wie war das gemeint?


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