therealjoker schrieb:Vielleicht könnte Andy siepowicz etwas zu seiner Einschätzung der haftbedingungen im Unterschied zwischen usa und d sagen? Das wäre schön.
Owei, das ist gar nicht so einfach. Es gibt nämlich seit einiger Zeit in Sachen Strafvollzug kein Deutschland mehr, und hat nie eine USA gegeben: In Deutschland ist Strafvollzug seit einigen Jahren Ländersache, und in den USA ebenfalls. Und wie die Länder, bzw. die Bundesstaaten den Strafvollzug organisieren, ist oft sehr unterschiedlich.
Aber versuchen wir es einmal. Ich selbst komme aus Bayern und habe einige Zeit in Bayern und in Hessen in verschiedenen Gefängnissen verbracht, ebenso in den amerikanischen Bundesstaaten New Jersey, Californien, Arizona und New Mexico.
(Wer mich noch nicht kennt, wird nun überlegen ob ich Schwerkrimineller, Justizvollzugsbeamter oder Rechtsanwalt bin - letzteres stimmt
:) Mein Aufenthalt in Gefängnissen hat noch nie mehr als ein paar Stunden am Stück gedauert, aber aus diesen Besuchen meiner Mandanten und anderen Begebenheiten kann ich doch einiges berichten. Besonders habe ich in meiner Ausbildung viel Zeit in der hessischen JVA Schwalmstadt verbracht, einer JVA für die eher schweren Jungs, und durch die dortigen Beamten viel gelernt. Darauf kann ich meine Aussagen hier stützen. )
Hessen und Bayern folgen einem eher restriktiven Modell des Strafvollzugs, im Gegensatz zu Ländern wie z.B. Brandenburg. Das bedeutet, die Einschränkung der persönlichen Freiheit und Entfaltung des Gefangenen ist in Bayern und Hessen weitaus spürbarer als anderswo.
Wie das in Virginia im Einzelnen ist, kann ich nicht aus eigener Erfahrung sagen, aber ich kenne die sehr restriktiven Staaten Texas und Arizona und die eher lockeren wie New Jersey, Californien und das Bundessystem der USA und vermute Virginia liegt irgendwo in der Mitte.
Was einige hier erstaunen wird ist, dass es mir schwerfällt pauschal zu sagen, dass Strafvollzug in den USA per se restriktiver ist als in Deutschland. Gerade wenn man von dem persönlichen Empfinden des einzelnen Gefangenen ausgeht, und der gelebten Realität im Gefängnis, und nicht von dem in fröhlichen Farben beschriebenen Idealzustand der Theoretiker in den Justizministerien, wird man erstaunliches sehen.
Ich versuche das nun einmal aus der Sicht eines Gefangenen wie JS zu beschreiben. Der hat sich in dieser Sache ja auch geäussert und ein Buch darüber geschrieben, das ich allerdings nicht kenne.
Grundsätzlich gilt in beiden Fällen: Die Verurteilung zu "lebenslänglich" trifft erst mal sehr stark. Lebenslänglich kann man sich nicht vorstellen. Selbst in Deutschland, wo das ja nur ca. 15 Jahre bedeutet, klingt es für den Gefangenen erst mal wie eine Ewigkeit. 15x Weihnachten im Knast. 15 Sommer ohne Freibad, ohne Radtour in der Sonne, ohne leicht bekleidete Mädels vor den Kneipen der Stadt an lauen Sommerabenden, 15 Geburtstage ohne die Kumpels feiern, ohne die Familie... In den USA können anstatt der 15 auch 30 oder mehr Jahre eingesetzt werden. Egal: Wer selbst erst 19 oder 20 ist, kann sich das nicht vorstellen. Es klingt erst mal nur verdammt lang.
Am Beginn denkt man darüber aber gar nicht so sehr nach. Erst mal steht im Vordergrund mit der völlig anderen Welt im Knast fertig zu werden. Hier in den USA sagen erfahrene Knackis es so: NICHTS was draussen galt, gilt hier drin! Hier lebt man nach komplett anderen Gesetzen und Werten. Und vielleicht noch härter: DU bist nichts. Kein Schwein kümmert es, ob Du hier bist oder nicht. Wir haben hier alle unsere eigenen Probleme und Deine werden wir uns nicht aufhalsen. Und das gilt auch für das Personal! Für das Personal bist Du nur eine Nummer.
Nicht viel anders in Deutschland: Auch dort bist Du nur eine Nummer. Das Personal ist chronisch unterbesetzt und gereizt, unterbezahlt (in deren Augen jedenfalls) und nicht dazu da, dein Babysitter zu sein. Deine Probleme interessieren niemanden - auch nicht die hübsche Sozialarbeiterin, die sich einmal im Monat für 20 Minuten mit Dir zusammensetzt und dich nach 5 weiteren Terminen nicht mehr von den anderen Häftlingen unterscheiden kann. Vielleicht der Gefängnispfarrer, der empfindet vielleicht wirklich etwas für Dich, aber er hat keine Macht, irgendwas zu ändern. Und dein Anwalt hat dich längst vergessen.
Wer einmal bei der Bundeswehr gedient hat, kennt das vielleicht: auf einmal ist man in einer komplett anderen Welt und man ist gar nichts. Man hat einem neuen Kodex zu gehorchen und die eigene Befindlichkeit interessiert die anderen nicht.
Damit musst du erst mal klarkommen. Das dauert. Du vermisst auf einmal schmerzhaft, was du bisher für selbstverständlich gehalten hast: vor allem die sozialen Kontakte.
Das fällt in Deutschland sogar viel stärker auf als in den USA.
Fortsetzung folgt