Narrenschiffer
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05.01.2018 um 15:55Ludwig Laher - Bitter
Ein nicht schwer zu entschlüsselnder Roman über den österreichischen Gestapo- und SS-Schergen Friedrich Kranebitter, im Buch Fritz/Friedrich Bitter genannt.
Formal ein Doku-Roman mit eingebauten zeitgenössischen Dokumenten sowie Interviews mit Familienmitgliedern. Sprachlich von einem ewig präsenten, fast aufdringlichen Erzähler in sehr nüchterner Sprache vorgetragen, "Kanzleisprache" nennt es Laher, die Greueltaten mehr als einmal beinahe grotesk schildert, was ich nicht immer passend finde.
Bitters Leben ist chronologisch aufbereitet, und neben seinen Tätigkeiten als Nazi wird viel Raum seiner Zielstrebigkeit, seiner Weiberei, seiner Familie (Frau, Kinder, Schwester) und seinem Alkoholismus (er wird an Leberzirrhose und Leberkrebs sterben) gewidmet.
Inhaltlich lässt sich das Buch dritteln.
Wichtig ist Laher herauszustreichen, dass Bitter sowohl als Gestapo-Mann in Wiener Neustadt und Wien an Folter wie KZ-Verschickungen mit Todesfolge als auch als SS-Mann in Charkow wie in Italien an Massenmorden beteiligt war, wegen dieser Verbrechen jedoch nie Anklage erhoben wurde, womit Bitter - auch mit Hilfe seiner Seilschaften - im Nachkriegsösterreich ein geordnetes Leben führen konnte. Erst nach Bitters Tod kamen Rechtshilfeansuchen aus Italien wie aus Deutschland.
Mit dem Genre Doku-Roman habe ich jedoch meine Probleme, es ist nicht Fisch, nicht Fleisch. Nicht Fisch, da es kein Kunstwerk ist, welches an einer fiktiven Person Grenzen auslotet und in seelische Tiefen steigt. Nicht Fleisch, da das Buch akribisch mit Hilfe von Quellen, die ein ganzes Team ausgehoben hat, arbeitet, diese jedoch nur genannt, aber nicht nachvollziehbar offengelegt sind. Nicht mal ein Quellverzeichnis gibt es in einem Anhang.
Damit ist das Buch als Quelle für Kranebitter nicht geeignet, da nicht nachrecherchiert werden kann. Außerdem gibt der Erzähler am Ende des Buches an, aus dramaturgischen Gründen gewisse Ereignisse verdichtet zu haben, sprich: es ist nicht die Realität nach bestem Wissen und Gewissen dargelegt, sondern der Text ist fiktiv geformt, ohne zu wissen, was in Bezug auf die Realität geändert wurde.
Wenn man sich nun den Wikipedia-Eintrag von Friedrich Kranewitter betrachtet, sieht man jedoch, dass dort Lahers Roman als historische Quelle herangezogen wird:
Wikipedia: Friedrich Kranebitter
Mit dem hier vorgelegten Text des Genres Doku-Roman habe ich also die gleichen Probleme wie mit den derzeit so beliebten Doku-Dramen: er ist keine geeignete historische Quelle, gibt es jedoch vor zu sein.
Auch auf der Website von Laher finden sich keine weiteren Informationen oder Quellangaben, dafür aber eine lange Liste an überschwänglichen Kritiken:
http://www.ludwig-laher.com/bitter.htm
Dies hinterlässt einen fahlen Beigeschmack.
Ein nicht schwer zu entschlüsselnder Roman über den österreichischen Gestapo- und SS-Schergen Friedrich Kranebitter, im Buch Fritz/Friedrich Bitter genannt.
Formal ein Doku-Roman mit eingebauten zeitgenössischen Dokumenten sowie Interviews mit Familienmitgliedern. Sprachlich von einem ewig präsenten, fast aufdringlichen Erzähler in sehr nüchterner Sprache vorgetragen, "Kanzleisprache" nennt es Laher, die Greueltaten mehr als einmal beinahe grotesk schildert, was ich nicht immer passend finde.
Bitters Leben ist chronologisch aufbereitet, und neben seinen Tätigkeiten als Nazi wird viel Raum seiner Zielstrebigkeit, seiner Weiberei, seiner Familie (Frau, Kinder, Schwester) und seinem Alkoholismus (er wird an Leberzirrhose und Leberkrebs sterben) gewidmet.
Inhaltlich lässt sich das Buch dritteln.
- Karriere als Polizist in Wien mit Doktorat in Juristik, illegaler Nazi
- Gestapo in Wiener Neustadt und Wien (Bereicherung durch wilde Arisierungen - Auto, Villa), Kommandant für den SD in Charkow (Teilnahme an LKW-Vergasungen), Einsatz in den Lagern Fossoli und Bozen
- Kriegsgefangenschaft in Italien, England und Deutschland, 1948 Verurteilung wegen illegaler Mitgliedschaft bei den Nazis, schließlich Arbeiter in einer Plastikfabrik und später Versicherungsvertreter
Wichtig ist Laher herauszustreichen, dass Bitter sowohl als Gestapo-Mann in Wiener Neustadt und Wien an Folter wie KZ-Verschickungen mit Todesfolge als auch als SS-Mann in Charkow wie in Italien an Massenmorden beteiligt war, wegen dieser Verbrechen jedoch nie Anklage erhoben wurde, womit Bitter - auch mit Hilfe seiner Seilschaften - im Nachkriegsösterreich ein geordnetes Leben führen konnte. Erst nach Bitters Tod kamen Rechtshilfeansuchen aus Italien wie aus Deutschland.
Mit dem Genre Doku-Roman habe ich jedoch meine Probleme, es ist nicht Fisch, nicht Fleisch. Nicht Fisch, da es kein Kunstwerk ist, welches an einer fiktiven Person Grenzen auslotet und in seelische Tiefen steigt. Nicht Fleisch, da das Buch akribisch mit Hilfe von Quellen, die ein ganzes Team ausgehoben hat, arbeitet, diese jedoch nur genannt, aber nicht nachvollziehbar offengelegt sind. Nicht mal ein Quellverzeichnis gibt es in einem Anhang.
Damit ist das Buch als Quelle für Kranebitter nicht geeignet, da nicht nachrecherchiert werden kann. Außerdem gibt der Erzähler am Ende des Buches an, aus dramaturgischen Gründen gewisse Ereignisse verdichtet zu haben, sprich: es ist nicht die Realität nach bestem Wissen und Gewissen dargelegt, sondern der Text ist fiktiv geformt, ohne zu wissen, was in Bezug auf die Realität geändert wurde.
Wenn man sich nun den Wikipedia-Eintrag von Friedrich Kranewitter betrachtet, sieht man jedoch, dass dort Lahers Roman als historische Quelle herangezogen wird:
Wikipedia: Friedrich Kranebitter
Mit dem hier vorgelegten Text des Genres Doku-Roman habe ich also die gleichen Probleme wie mit den derzeit so beliebten Doku-Dramen: er ist keine geeignete historische Quelle, gibt es jedoch vor zu sein.
Auch auf der Website von Laher finden sich keine weiteren Informationen oder Quellangaben, dafür aber eine lange Liste an überschwänglichen Kritiken:
http://www.ludwig-laher.com/bitter.htm
Dies hinterlässt einen fahlen Beigeschmack.