Zbigniew Brzezinski - Die einzige WeltmachtZwanzig Jahre nachdem Brzezinski Sicherheitsberater bei Jimmy Carter war, schrieb er dieses Buch (1997), und weitere 20 Jahre später habe ich es gelesen
;)Kernpunkte seiner Analysen sind die Randzonen des eurasischen Kontinents (Europa, Zentralasien und Ostasien) und die Frage, welche politische Haltung die USA einnehmen sollten.
Als roter Faden zieht sich durch das Werk, dass die USA militärisch nicht in der Lage sind, in Eurasien Fuß zu fassen, und aus diesem Grund ein pluralistisches System von Regionalmächten mit Bindung an die USA zu errichten ist, um eine stabile geopolitische Welt zu schaffen.
Seine Vorstellungen von einer friedlichen Welt erscheinen fast als Quadratur eines Kreises, die jedoch tief in den Vorstellungen des Kräftegleichgewichts wurzelt:
- Europäische Einigung unter deutsch-französischer Führung
- Bindung der osteuropäischen und zentralasiatischen Staaten an den Westen
- Integrierung Russlands als Partner und nicht Gedemütigter
- Ausgleich mit dem Iran und Akzeptanz als regionale Macht
- Förderung Indiens als Muster einer asiatischen Demokratie
- Beibehaltung der US-Schutzmacht für Japan, um dessen Wirtschaftskraft zu stärken
- Akzeptanz Chinas als Regionalmacht innerhalb klar definierter Grenzen
Partnerschaft ist eines seiner Kernbegriffe und als Ziel der US-Hegemonie sieht er ein zur Demokratie strebendes globales Kräftegleichgewicht, das schließlich die Weltmacht USA überflüssig macht, ohne dass die wirtschaftlichen bzw. politischen Interessen der USA beeinträchtigt werden.
Zwanzig Jahre danach erscheint er als Träumer und Fantast, aber er formuliert auch die Gefahren, welche drohen, wenn ein Gleichgewicht nicht zustande kommt.
Den Konflikt mit Russland formuliert er bereits aus: 1993 sei die Chance vertan worden, um mit Russland eine Partnerschaft zu entwickeln, seitdem sei Russlands Politik immer mehr von russisch bzw. sowjetisch gesinnten Großreichfantasten bestimmt (Putin kannte er zur Zeit der Niederschrift noch nicht). Eine mögliche Hinwendung Russlands an China könnte aber traumatisch enden: Russland würde erfahren, dass selbst China wirtschaftlich und politisch überlegen ist.
Richtig auch seine Analyse der staatlichen Eigenständigkeit der Ukraine: wenn es nicht gelingt, die Ukraine an Westeuropa zu binden, sind territoriale Integrität und selbst die Existenz bedroht. Mit geopolitischen Auswirkungen, die weit über die Ukraine hinausstrahlen.
Auch sieht er in einer stabilen laizistischen Türkei mit europäischer Ausrichtung einen wichtigen geopolitischen Angelpunkt. Eine Hinwendung der Türkei zum Islamismus würde zur Folge haben, dass sich die kaukasischen Staaten (Georgien, Armenien, Aserbaidschan) aus Selbsterhaltungstrieb enger an Russland binden müssten ... mal schauen ... das ist sehr aktuell.
Den Schutzvertrag mit Japan sieht Brzezinski als sehr wichtigen Stabilisierungsfaktor in Ostasien, da er ein militärisch und nationalistisch wiedererstarktes Japan als Unsicherheitsfaktor sieht, da sämtliche ostasiatischen Staaten dies als Bedrohung sähen. Einen moderierenden Partner, wie Deutschland ihn in Frankreich hat, sieht er für Japan nicht.
Eine Wiedervereinigung Koreas wird sehr zurückhaltend gesehen, da es letztlich nur zwei Optionen gäbe: ein Korea mit US-Militärpräsenz oder ein chinesisch dominiertes Korea. Ersteres würde China nicht akzeptieren, zweiteres würde beinahe automatisch die militärische Zurückhaltung Japans beenden, beides würde die Region destabilisieren.
Insgesamt eine sehr interessante Lektüre, da Brzezinski tief im Nähkästchen kramt und US-Entscheidungsträger sehr direkt, wenn auch ohne Namensnennung, kritisiert, weil sie Verbündete wie Vasallen betrachten. Brzezinski ist überzeugter Vertreter von partnerschaftlichen Beziehungen.
Interessant ist, dass in der Welt der Verschwörungsgläubigen Brzezinski als der Leibhaftige gesehen wird, der die NWO der übermächtigen Dunkelmänner propagiert, dabei aber nur Halbsätze in Endlosschleife zitiert.
Ich empfehle, das komplette Buch zu lesen: es ist locker und spannend geschrieben.