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Gedichte: Tragik

2.709 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Gedichte, Lyrik, Poesie ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Gedichte: Tragik

21.12.2012 um 17:03
Passend zum Datum!

Weltuntergang, 21.12.2012

Indianer in den Bergen
legten sich vor Jahren fest,
dass man zwölfe nach zweitausend
Milliarden zittern lässt.

Max und Moritz ähnlich schlugen
sie Verschnörkeltes in Stein,
wollten so die Nachwelt schrecken,
wissend, dies war hundsgemein.

Allzu viele glaubten ehern
an das Ende dieser Welt.
Grete Bauer tat desgleichen
und verschenkte all ihr Geld.

Traurig solcher Aberglaube,
fatalistisch, weltenfern.
Doch mit Gretes frei Verschenktem,
da ertrage ich das gern.

© Ingo Baumgartner




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Gedichte: Tragik

21.12.2012 um 17:07

Weltuntergang

Wenn einst die Stunde kommt, da dieses Sterns
Gereifte Seele in das Weltall haucht:
Dann glaubt die Menschheit nur an einen Gott
Und ist nur eine Herde, wieder Adam,
Wie einst im unverlornen Paradiese.
Ja, all die Menschheit ist nur eine Seele
Daran wir alle durch Millionen Fahre
Geformt, wir Gottgesandten, bis sie nun
In Reinheit wieder leuchtet, Gott zum Preis!

Dann kommt des Sterns erhabne Todesnacht.
Loblieder wehen aus des Weltalls Grund,
Und unser Stern gibt Antwort, die wie Flamme
Aus vielen Feuerherzen steigt und tönt,
Gott suchend in der unerhellten Nacht.
Und näher, brausend näher! Milliarden
Von Lichtgestalten hellen nun den Weltraum!
Es nahen festlich Meister und Erprobte,
Die je auf diesem Prüfungsland gewirkt:
In Glanzgewändern holen sie die Brüder,
Die letzten, aus der todgeweihten Erde
Hinüber in das Land endlosen Lichts!
O Festzug durch die Weltnacht! Weiße Straße
Von Pilgerseelen, tief in Regionen
Des Gotteslandes endend, tief am Lichtquell,
Wohin kein unbereitet Auge schaut!
Ihr Loblied, das von Stern zu Sternlein brandet
Umfaßt noch einmal machtvoll alle Lust
Und alles Weh der umgejagten Menschheit
Und löst es auf in edle Harmonie,
Die ihre Kreise zieht wie Wasserkringel,
Herrlich verzitternd übers Meer des Alls!

So leiten sie des Erdballs letzte Seelen
Im Jubelfestzug durch die schöne Nacht,
Und alle Sonnen schwingen in das Lied
Den Auferstehungsklang — und tief im Himmel,
Geahnt nur, nicht geschaut, sitzt Gott, der Ew'ge,
Sonne der Sonnen, alles Lebens Urkraftl
Da ist kein Pilger im gewalt'gen Zug,
Dem nicht als Herz in seiner Glanzgestalt
Ein Funke flammt, ein Strahl von Gottes Kraft,
Den ganzen Leib durchleuchtend, daß die Sterne
Erblassen von so wunderbarem Glanz - -
So gehn wir heim, wir all', ins ew'ge Licht!

Friedrich Lienhard




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Gedichte: Tragik

21.12.2012 um 17:07

Ureigener Weltuntergang

Es sagt sich wirklich munter:
Die Welt geht schon nicht unter!
Sie tut´s auch nicht! Na, Gott sei Dank.
Reicht nicht der eigne Untergang?
Lass andre ruhig weiter leben,
weil sie auf eig´nen Stühlen kleben.
Dem Menschen wird die beste Zeit,
fühlt nach Genuss er Dankbarkeit.
Denn zumeist - trotz aller Schläue -
fühlt er mitunter darob Reue,
hätt´ manches besser er getan ,
gelung´ner wär der Lebensplan.
Doch „hätt“ und „wär“ sind längst vergangen!
Vom leeren Baum die Blätter sprangen,
und hätt er niemals Lust genossen,
die Zeit wär ebenso verflossen…
Doch leer und tot blieb´ jeder Tag -
und jeden trifft einmal der Schlag.
Ich find´s schon gut, ging´s etwas bunter –
nicht nur grau in grau – für immer unter.
Drum sprech ich vorab meinen Dank
schon vor dem eig´nen Untergang.
Schöpf noch hier und jetzt aus Vollem!
Die Welt nach mir wird weiterrollen.
Nur für mich selber bleibt sie stehn.
Bis einst, ihr Lieben – Wiedersehn!

© Tilly Boesche-Zacharow




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Gedichte: Tragik

21.12.2012 um 17:08

Mein Weltuntergang

Mir träumte, daß ich eben noch zurecht kam,
als unterging die Welt, vor meinen Augen
tat sie es, eben noch kam ich zurecht,
denn auf ein Haar wär' ich zu spät gekommen.
Ich stand auf einem Vorsprung von Sorrent,
Signore! rief der Wirt, und subito
sank Capri, hastenichgesehn, ins Meer.
Schon aber wars für uns auch nicht geheuer,
und eine Riesenflamme stach herüber,
weil einer drüben noch am Gashahn spielte.
Am sichersten, sagt einer, wärs in Wien,
wann geht der Zug, schon zeigt auch der Vesuv
der Welt die Zunge, sichrer ists in Wien.
Schon ist der Wirt erstickt und in Neapel
beteuern tausend Kuppler ihre Unschuld,
denn ihrer aller Hure sei gestorben,
und bieten zum Ersatz den letzten Knaben.
Viel sicherer wärs freilich jetzt in Wien,
wie aber kommt man bei dem Untergang
hinüber, oben schweift schon ein Komet,
der Mond ist übernächtig und die Sonne,
die schläfrige, macht heute Überstunden,
jedoch die Grotte hat heut blau gemacht
und gelb vom Schwefel eines Fremdenführers
befremdet auf der Stelle sie den Fremden,
Leuchtkugeln läßt beim Feuerwerk des Himmels
ein Bravo Stuwer in die Gärten schwirren
und aus der Barke gellt der Hilferuf
des alten Lohndieners sein »Tramontano!«,
auch der von »Loreley!« ist schon zur Stelle,
der Leiermann spielt bella Napoli,
nimmt ewig Abschied, will mit einem Aug',
das zweite ist kaput, Neapel sehn
und sterben. Voller Schrecken ist die Nacht.
Ein Zuhälter mit einem halben Ohr,
als Legitimation zeigt er es vor,
ist hier und dort und läßt mich nicht mehr los,
beteuert fort, er selbst sei der padrone.
Am sichersten ists sicher jetzt in Wien,
was macht man heute abend in Sorrent,
meine Geliebte schläft mit einem Bettler,
es regnet Blut und ich hab keinen Schirm,
man schließt das Kino, hundert arme Kinder
sind ausgesperrt und scharen sich um mich,
verlangen noch die letzte Zigarette.
Dann sind sie tot. Ein Kutscher schlägt sein Pferd
und ruft mit letzter Leidenschaft sein »Ah!«
Wer lebt noch außer mir? Denn lebte einer,
müßt' den Verlust er auf Millionen schätzen.
Jetzt springt die Flut, die Flamme brennt ins Meer,
und eine Tafel wird am Fels befestigt,
darauf gedruckt schon, nicht geschrieben steht:
Preßburger, kaiserlicher Rat, gesund!

Karl Kraus




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Gedichte: Tragik

21.12.2012 um 17:09

Weltuntergangs-Sonette

I.

Am Tage, da die Welt sollt' untergehen,
Berührt vom Flammenschweife des Kometes,
Wie es verheißen kundige Propheten,
Die mehr als andre in den Sternen sehen;

Da, unter Weinen, Jammern, Schluchzen, Flehen,
Beim nahen Schall der Weltgerichtstrompeten,
Indeß die Einen fluchen, Andre beten,
Da ist der Wunder köstlichstes geschehen.

Nicht fraget, was! Nie wird aus meinem Munde
Ein sterblich Ohr die Kunde je erlangen
Von dem Geheimniß jener süßen Stunde.

Nur so viel wißt: indessen, furchtbefangen,
Die alte Erde bebt' in ihrem Grunde,
Ist eine neue Welt mir aufgegangen.

II.

Ja, es versank die altgewohnte Erde,
Dies Schattenthal, wo nichts als Thränen fließen,
Wo stets die Reue folgt auf das Genießen,
Der Nebelball voll Kummer und Beschwerde.

Durch neue Himmel lenkt die Flammenpferde
Der Sonnengott, in neuen Ufern fließen
Die Ströme jetzt, und neue Blumen sprießen,
Die nie verblühn, auf neues Schöpfungswerde.

Wie aber hat sich dieses zugetragen?
Wer hat, o sprecht, dies Wunder angerichtet?
Ein lächelnd Kind – nichts weiter darf ich sagen.

Der Seele Himmel hat sie mir gelichtet,
Daß wiederum, wie in der Jugend Tagen,
Mein jauchzend Herz in Tönen denkt und dichtet.

III.

Brich denn herein! Laß deine Donner rollen,
Weltuntergang! Ich lache deiner Schrecken,
Der Flammen lach' ich, die begierig lecken,
Als ob sie Erd' und Meer verschlingen wollen.

Was kümmert mich der Sterne zürnend Grollen?
Der Arm der Liebe, weiß ich, wird mich decken,
Ein treuer Wächter, wird sie mich verstecken
In ihrem Schoß, dem süßen, wonnevollen. –

Und so geschah's! Der Sturm, der uns bedrohte,
Zum Zephyr ward er; mit verkohlten Gluten,
Verschämt entwich der feur'ge Todesbote.

Und duftend hob aus neugestillten Fluten
Ein Eiland sich, verklärt vom Morgenrothe,
Darauf zwei Liebende in Schlummer ruhten.

IV.

Und war es wirklich keine falsche Kunde,
Und haben die Propheten nicht gelogen,
Und brechen wirklich heut' des Himmels Bogen,
Und Flammen schlagen aus dem finstern Schlunde:

Gegrüßt auch du, des Erdballs letzte Stunde!
Von der Geliebten süßem Hauch umflogen,
Verschränkten Armes, Mund an Mund gesogen
Im Wonnerausch, wie gern' geh' ich zu Grunde!

Rast, Stürme, rast! Entweicht, ihr goldnen Herden,
Die ihr am Himmel weidet! Brich zusammen
Im tiefsten Kern, du morscher Bau der Erden!

Versiegt, o Sonnen, ihr urew'gen Ammen!
Zum Brautbett muß das Chaos selbst uns werden,
Indeß als Hochzeitfackel Welten flammen!

V.

Nein, höhnt ihn nicht, den Aermsten, den Kometen,
Weil er sich heimlich machte auf die Socken!
Vor meiner Liebsten ist er so erschrocken,
Daß er es vorzog, gar nicht aufzutreten.

Das blaue Auge sah er, süß betreten,
Das flammende, vor dem die Pulse stocken,
Es sah von fern das Wallen ihrer Locken,
Wie sie gleich einem Schleier sie umwehten;

Und sprach zu sich: O welche holde Tücke!
Mit diesem Weib fürwahr kann ich nicht streiten,
Vor ihrem Glanze zieh' ich mich zurücke.

Sprach's und versenkte sich in Dunkelheiten,
Gebannt von meiner Liebsten süßem Blicke,
Als blasser Mond die Erde zu begleiten.

VI.

Nicht zürne mir, daß ich vermag zu scherzen
Und Lieder reime mit verwegnem Munde
Von jenem Tage, da zu ew'gem Bunde
Sich in einander gossen unsre Herzen.

Laß dich mein übermüthig Spiel nicht schmerzen!
Du weißt ja, Liebste, was mir diese Stunde,
Und wie in meiner Seele tiefstem Grunde
Nun ewig leuchten ihre heil'gen Kerzen.

Es giebt ein Glück, so über alle Grenzen,
Daß, während dankerfüllt die Lippen beten,
Die Augen doch von süßer Lust noch glänzen.

Solch Glück, solch sel'ges, gabst du dem Poeten,
Und wie man Heil'ge schmückt mit bunten Kränzen,
So nimm auch du die Lieder vom Kometen!

Robert Eduard Prutz




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Gedichte: Tragik

22.12.2012 um 15:42

Werwolf

Mein Liebster, wo bist du gewesen die Nacht?
Du hast dich so heimlich von dannen gemacht.

Und aus dem Walde rief es so grell,
Halb deine Stimme, halb Wolfsgebell.

Nun ist dir verloschen des Auges Gluth,
Um Lippen und Bart eine Spur von Blut;

Wo bist du gewesen? Was hast du gethan?
Was gingen die bellenden Wölfe dich an?

O frage nicht, Liebste, o frage mich nicht,
Die Nacht ist ja schwarz, und der Wald ist ja dicht.

Leicht spült sich die Lippe, leicht spült sich der Bart,
Dass Niemand die Spuren des Blutes gewahrt.

Erloschen die Augen in Scham und in Reu,
Bald glänzen in eherner Härte sie neu.

Und lächelnde Lüge verschleiert so klug
Die Hölle des Herzens, den Furienfluch.

Arthur Heinrich Wilhelm Fitger




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Gedichte: Tragik

22.12.2012 um 22:26

Barbarossalied

Was schläfst du, Barbaroffe, noch
In deinem Felsenstein?
So steig einmal zu Rosse doch,
Und lass' das Schlafen sein!
So brich hervor zum Werke
Aus deiner langen Nacht
Mit deiner Heldenstärke,
Mit deiner Heldenmacht!

Die alten Raben schwirren wol
Um deine Berge noch,
Die alten Raben kirren wol
Dein Volk in's alte Joch —
So lass' die Armbrust klirren
In deiner Faust so stark,
So lass die Bolzen schwirren
Den Raben in das Mark!

Ja, wie Vampyre schmiegen
sie Sich leis' an jede Brust,
Und wie Harpyen stiegen sie
Auf jeden Kelch der Lust;
Und willst du im Verstecke
Den lezten Flügelschlag
Erwarten, alter Recke,
Wart' bis zum jüngsten Tag!

Ludwig Pfau




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Gedichte: Tragik

22.12.2012 um 22:28

Roland I.


Der letzte Himmelsstern beginnt sich zu ereifern,
Die Nacht wird sich nicht lange mehr zu weichen sträuben!
So spricht der Nachhut Hauptmann jetzt zu seinen Pfeifern:
»Drum fangt zu spielen an, den Nacktspuk zu betäuben!«

»Oh Herr!« sagt einer von den Heerzugsmusikanten:
»Ich will ein Siegerlied, die Christenhymne, spielen,
So wie es heißt, daß Heiden sich zum Heiland wandten,
Und die Moscheeen rings in unsere Hände sielen!

Der Tag, der anbricht, sieht das Maurenheer geschlagen,
Bald sinkt die bleiche Mondscheinfestung der Khalifen,
Doch gegen Mittag läßt die Nacht Gespenster ragen,
Und Träume scheu ich nicht, die ihrem Leib entschliefen!

Die Flammenhähne, die auf Allahs Häusern rauften
Und sich die Zunderfetzen aus den Krallen zerrten,
Die einen Weltentag verkündend, bleich verschnauften,
Verschafften mir den Einblick zu den Spukkonzerten.

Das Schandpack Satans sah ich prachtvoll überglastet,
Rasch über Zacken, wie im Wald die Affen, tanzen.
Von Grat zu Grat hat manches nackte Paar gehastet,
Mit Firlefanzern schlossen Weiber Fleischallianzen!«

»Das was ich sah war furchtbar,« sagt ein anderer Spieler:
»Die Dulzaina wurde viel und wild geschlagen,
Wie Waldgebraus entrauschte ihr Gesaus, doch vieler
Verhexter Menschen Stimmen schienen durchzuklagen.«

Die Eulenschreie einstiger Heidenweiser schrillten
Durch dumpfes Schweinegrunzen christlicher Vampyre,
Die Rom verstieß, und ekle Hexerwittwen drillten
Sich drinnen ein, und Kuppler bildeten Spaliere.

Um Beelzebub selber wimmelten die Wichte,
Und manches Weib von Stand war da mit ihrem Schraten.
Bestimmt verlor der Leib von seinem Fleischgewichte,
Denn Diebsgesindel wirbelte zum Galgenpaten.

Agaras kam mit Chax im Priesterkleid und taufte
Die liederliche Unzuchtbrut aus seinem After,
Und als sein Segen aus den Eingeweiden schnaufte,
Da sank die Täuflingsschaar sogleich um sechzig Klafter.

Marchozias, Sabnak, Furfur, Ipes, Malphas brachten
Glasialabolas Weiber vor den weisen Kaiser,
Der sprach: »Ihr werdet nimmer lang nach Freiheit schmachten!
Mein Szepter ist der Schicksalsuhr Sekundenweiser.«

Da jauchzte Aamon und aus der Taufspukjauche
Schrie Gomory: »Was fletscht jetzt Zabans Hasenlippe?«
»Die Pest! Den Vatermord!« so unkte es: »Ich tauche
Als Kröte auf!« Und Weiber schrien: »Filippe!«

Da gab ihnen gleich Gaab eine schmutzige Kröte,
Und alle geiferten, indem sie sie zerrissen:
»So wie ich Dich, verrenktes Sumpfthier, tödte,
So thäte ich das lieber Dir, – Du Urgewissen!« –

»Hei!« ruft jetzt ein Soldat: »Die Wachtfeuer verstummen,
Die Flammenzungen fuchteln unvernehmbar weiter,
Die Geister aber wollen sich noch nicht vermummen
Und treiben dreister selbst ihr Spiel, als Besenreiter!«

Wahrhaftig über Felsenspitzen stiegen Zwitter:
So Schatten, Halbgestalten, wie aus Grau und Galle.
Ja, ja, das ist ein anderes Schlachtenungewitter:
Was jener Spuk ist, scheint mir eine Wahnsinnskralle.

Verfolgt mich jetzt der große Teufelsungedanke,
Nachdem die Sorge um den Morgen mich verlassen?
Ich glaubte doch, die ungeheure Weltnachtschranke
Wird nimmermehr, in sich zerrüttet, bang erblassen!

Das Schloß, das Harem unten ließ mir keine Ruhe.
Alektryomantie zwar gab mir gute Zeichen,
Doch ich besann mich fort, wie ich es eben thue:
Nun endlich aber weiß ich, daß die Heiden weichen.

Ich habe heute Nacht auch tapfer dreingeschlagen.
Die Burg muß fallen, doch die Weiber sollen leben,
Das war mein Wunsch: und »Roland« durfte nicht verzagen,
Die Flammen sollten sich vom Mannertrakt erheben!

»Horch Roland, horch doch, höre wenn Trompeten rufen!«
Was ist denn das! Hei, nochmals wagen es die Heiden
Hervorzubrechen! Stampft sie mit den Pferdehufen!
Ich reite vor, daß alle Streiter mich beneiden.

Versinke, ekler Mohr, Dich andern schlag ich blutig!
Das blitzt nur so! Sind das da Augen oder Splitter?
Ihr Funken stiebt! So merk es, Feind: der Christ ist muchig!
Eunuchen, sterbt, es übertrumpft Euch heut ein Ritter

Erbarmungslos und toll! Wie, ist mein Schwert magnetisch?
Der Feind verdirbt, wird auch sein Heerzug langer.
Ich kneble Euch, ich stürze Euren Lasterfetisch,
Da habt Ihr es, Ihr dreisten Frankenlandbedränger!

Haut ein, auch Ihr, ich bin Euch vor um zwanzig Männer!
Ein wuchtiger Schlag! Ich bin allein: das ist nicht schade,
Denn rings ist nichts, als gottverlassene Fluchbekenner:
Mir hilft der Herr, mein Pferd selbst überkommt die Gnade!

Die Flammen rascheln jetzt aus allen Mauerscharten,
Wie Blut entsichert Gluth den offenen Schmelzgeschwüren,
Auch flattern Feuerfledermäuse aller Arten,
Aus Sprühglastnestern, wo sie ihre Gluthbrut schüren.

Versinke, Burg, Du Herd der Scklechtigkeit auf Erden,
Du Festungsthurm, wo man die Weiblichkeit begraben,
Bordell, in dem die Laster sich als Herr geberden,
Du Haremswand, brich ein, ich will die Rache haben.

Du schwarzer Hund, steht noch Dein Dach, so tracht Dein Schädel!
Du Dreckbrut Du, auch Du verreckst durch Säbelhiebe!
Das trifft des Feldherrn Herz, sprecht, ist der Christ nicht edell
So merkt es denn, wie sehr ich Euer Springblut liebe.

Rings um mich her verspritzt Ihr es, Ihr hundert Hunde,
Bald werdet Ihr im Höllenloch die Houris küren!
Gar rührig fließt das Blut aus meiner Vollbrustwunde:
Das schwächt mich nicht, erst sprenge ich die Festungsthüren.

Selbst drinnen noch vertilg ich Euch, Saharakatzen,
Ich fürchte nichts, es hilft mir, schützt mich Christi Segen!
Was Roland, Roland! weg mit diesen Heidenfratzen,
Zur Kaba darf mir niemand mehr den Weg verlegen.

»Horch Roland, horch, Du selber hast Pardon versprochen,
Wirk nicht allein, Du Held, die Festung ist gefallen!«
Ich horche aus, doch höre ich das Herz nur pochen,
Dann fangen die Fanfaren an, laut zu erschallen.

Gesiegt hat Christus, unser Herr! wir danken, beten
Zu ihm, der diese Burg in unsere Hand gegeben.
Jetzt tretet ein, ihr Christenheere, mit Trompeten
Verkündet Sieg, laßt Schallkometen sich erheben.

Ein schöner Tag! besetzt die Festung, die Gefangenen
Schafft fort! ich selber geh zurück ins Lager.
Das Harem laßt! Den schleier und den schamverhangenen
Beherrscherinnen einen Gruß vom Alleswager!

Ich reite fort: mein Kaiser ist bestimmt zufrieden.
Man jubelt rings. »Heil Roland!« hör ich rufen:
»Ein Heilandsstreiter, wie Du bist, lebt nicht hienieden!«
Das weiß ich wohl, ich steige noch auf Ruhmesstufen.

Doch jedem Sieger folgt ein Zwerggespenst beständig,
Die Sonne ging rasch auf: der Kleine will mich packen!
»Heil Roland, Heil!« Mein Schatten wird lebendig.
»Hoch holder Held!« Soldaten hockt er schon im Nacken!

Vor diesem Zelte wird der Kaiser mich empfangen.
Da steht er hehr: sein Spuk verrenkt sich kleinlich, spöttisch.
Ich fühle nun in mir ein stilles Seelenbangen.
Sein Schatten platzt, lieb ich den Kaiser auch abgöttisch.

Der Kaiser spricht: »Ich fühle, wie mein Herz sich weitet,
Du mußt in ihm, am Schlachtfeld, Deine Ruhstatt nehmen!«
Im Perlenteppich, den die Sonne ausgebreitet,
Verkrampfen glatte Schatten sich wie Silberschemen!

»Du hast Dich,« sagt mir Karl: »Wie Gabriel geschlagen!«
Es gleicht Dein Wesen einem vollen Sommermorgen,
In Dir ist keine Furcht, kein Tadel, kein Verzagen,
Du bist so warm und klar und ohne Wolkensorgen.

»Oh Magnus,« meine ich: »Die Mannen alle stritten
Mit Herz und Kopf, ganz Männlichkeit und Frische,
Sie sind bereit, auf allen ihren Lebensschritten,
Sich zu behaupten, fest zu stehn, als kriegerische

Gesellen, überzeugt von ihrem Sein und Schaffen.
Doch ich, mein Oheim, bin blos eine Adlerfeder.
Ich kann und will mich nicht dem Schicksalshauch entraffen
Und werde nie des großen Geistes Widerreder.

Sankt Georg selber wirkt und webt in meinem Wesen:
Ich kann im Schlachtgetümmel ihn zu Pferd erkennen,
Er hat zu seinem Arm und Degen mich erlesen
Und Durendal hörte ich ihn mein Schwert benennen!«

»Du frommer Held,« sagt Ganelon: »Die Sarazenen,
Der Drache, den der Heilige durch Dich besiegte,
Beginnen sich nach Christi Leib und Blut zu sehnen,
Marsilius selber, der uns stets bekriegte,

Schickt AbdErRahman aus, den Sternpropheten,
Der ihm gerathen, sich mit Jesum zu versöhnen.
Er läßt sich taufen mit des Reiches ersten Rathen,
Und schwört, er komme bald mit seinen sieben Söhnen!

So wendet Euch an Karolus, er möge gnädig,
Wie Ihr es immer ward, den Feind verschonen.
Die holde Tochter des Khalifen ist noch ledig,
Die soll mit Roland bald in Saragossa thronen!«

»Oh Ganelon, sprich gradewegs zu Deinem Kaiser!«
Ruft Karolus und blickt voll Zorn auf den Vasallen.
Er streichelt seinen Bart und sagt dann etwas leiser:
»Allein in meine Macht ist Frankreichs Feind gefallen.

Ihr alle seid nur meiner Herrlichkeit Trabanten!
Selbst Roland muß, dem Monde gleich, sein Licht erborgen.
Von Rom, wohin sich eben diese Mohren wandten,
Empfangt sein Traum, wie alle Dunkelheit, den Morgen.

Ich selber aber bin der Tag, die Macht, das Leben.
Mein Silberhaar ist Winterschnee der Pyrenäen.
Der Bart die alten Gletscher, die zu Feuerreben
Die Frische ihrer ewigen Jugend munter wehen.

Mein Haar, mein Bart, sind auch das Frühlingsurerblühen,
Die weiße Fülle, die ein fruchtbar Jahr verkündet,
Mein Wollen Flüsse, wo sich Flotten vorwärts mühen,
Und mein Gemüth das Meer, in das die Weltfluth mündet!«

Fanfaren melden jetzt die Ankunft der Gesandten,
Sie stehen mit gefangenen Heiden noch beisammen
Und alle Rassen, die sich taub zu Allah wandten,
Sind da, ob sie aus Asien oder Tanger stammen.

In Purpur nahen blasse Perser. Ihre Bärte
Sind schwarz und schwer und scheinen sie herab zu zerren.
Mit ihnen gehen gelbgekleidete Gelehrte,
Und gleich daneben splitternackte Berberherren.

Den Turban tragen auch die schlankgewachsenen Mohren.
Es strahlt ihr Augenpaar. Es glänzen ihre Zähne.
Jetzt kommen auch Mongolen aus den Festungsthoren,
Und selbst ein Blonder folgt mit einer Löwenmähne.

Gefesselt sind die meisten: wenigen kleben Flecke
Von Schmutz und Blut am Feldzugskleid, in dem man streitet.
Ob hoch, ob nieder, jeder Dickwamms, jeder Recke
Hat seinen Negerzwerg, der ihn umsonst begleitet!

Ich selber habe meinen Mantel umgeschlagen
Und mag somit jetzt dem Dreiviertelmonde gleichen.
Was kann ich thun, daß mich die Schatten nimmer plagen?
Den Mittag in der eigenen Tiefe ganz erreichen!

»Gesandte des Marsilius, Eure Unterwerfung
Braucht Ihr mir nicht zu melden, kommt und steht um Schonung:
Mein Urtheil über Euch erfahrt keine Verschärfung,
Rebellen, in der Kasba nehm ich meine Wohnung!«

Das sagt der Kaiser. Und die heidnischen Gestalten
Sind wie vom Schlag gerührt und stürzen wimmernd nieder.
Doch endlich kann sich einer wieder aufrechthalten
Und spricht im Vollbesitze seiner armen Glieder:

»Oh großer Herr, das Schwert allein darf nicht befehlen.
Drei Monde nur laß uns durch Geistliche belehren,
Dann werden wir das Heil aus eigenem Drange wählen,
Das Kreuz und Dich allein in unsern Ländern ehren.

Laß Roland hier, magst Du nicht selbst in Spanien weilen,
Er kann bei uns die schönste Königstocher freien.
Getauft, kann jene dann des Landes Plagen heilen,
Wird Deine Wunderhand die weibliche einweihen!«

»Ihr Paladine, Ihr Gesandten, meine Kinder!«
Sagt Karol ernst: »Sprecht Eure Wünsche aus, ich höre!
Auch Eure Rathschläge bringt vor, ich bin kein Blinder,
Der ohne Freisicht zulaßt, daß man ihn bethöre.

Doch merkt Euch dies: was meine Lippen ausgesprochen,
Bleibt wahr und recht und einwandfrei, für Euch geheiligt!
Was rathet Ihr, soll ich ganz Spanien unterjochen?
So sprecht, Ihr seid mit Leib und Seele dran betheiligt!«

»Oh, Großer Herr, gestatte daß wir uns bewähren,«
Ruft Ganelon: »Wir fürchten nichts im eigenen Lande,
Laß uns den Bischof hier, die Heiden zu bekehren,
Verzagtheit ist des Franken allerärgste Schande.«

»Nun,« flüstert Nemo, Baierns Fürst in meiner Nähe,
Daß ich es kaum vernehme, zu des Kaisers Ohren:
»Dem Roland kannst Du vollauf trauen, ich gestehe,
Dem Ganelon nicht ganz, er hat an Wucht verloren!«

Ich trete weg und höre dennoch Nemos Worte:
»Laß Roland hier zurück und kehr dem Land den Rücken,
In Deutschland gährt es abermals an manchem Orte,
Dort müßte uns vor allen noch ein Feldzug glücken,

Bevor wir vollen Frieden unserm Reich bescheeren.
Unheimlich bleibt der Rhein, Gebirge, feste Grenzen:
Die Pyrenäen stehn und werden Schutz gewähren,
Doch in Gefahr sind die Ardennenresidenzen!«

»Oh Magnus« sage ich: »So lasse mich alleine,
Gieb Deinen Segen mir, und Gott wird mich beschützen:
Ich bleibe gern in Spaniens holdem Sonnenscheine,
Blos Olivier, der Gute, soll mich unterstützen.

Dann streite ich mit Durandal, dem edlen Schwerte,
Und mit Hauteclaire steh Olivier mir stets zur Seite.
Und Marchegai sein starkes Pferd, sein Schlachtgefährte,
Befreunde sich mit Veillentif, das ich bereite.

Dann ziehen wir in den Herbst hinein! Der Reisig,
Der rings die Erde deckt, zerknickt am Wege.
Es schwitzt das Pferd, der Wind aber wird eisig,
Und immer ists, als ob ein Reh sich wo bewege.

Die gläubigen Tannen bleiben grün und überleben,
In Ihrer Unschuldwucht, den Fall des alten Laubes,
Ihr Wesen ist erstaunlich frommes Sicherheben.
Sie fühlen: Herr, Du sagst: auch Du bist gut, ich glaub es!«

»Wie frei,« ruft Olivier: »Erscheint mir solch ein Leben!
Mein Kaiser, lasse uns zurück in diesen Thalern,
Der Heide wagt es nicht, sich nochmals zu erbeben,
Durch Christum heilen wir ihn bald von seinen Fehlern!«

»Mein Olivier!« so spreche ich mit Herzensfreude:
»Wir müssen dann nach Flüssen und nach Gründen spüren,
(Aus edelsten Gesteinen thürme ich Gebäude)
Um Aude, Deine Schwester, würdig heimzuführen.«

»Turbin,« sagtKarol nun: »Verschweigst Du Deine Meinung!
Du Kirchenfürst, wie glaubst Du, würde Rom jetzt rathen?
Du weißt, ich bin kein Freund von Furcht und Wunschverneinung,
Doch zaudre ich, mir ahnt von grausen Waffenthaten!«

»Mein Herr!« sagt da der Bischof frei zu seinem Kaiser:
»Vernunft und Vorgefühle muß ein Christ verneinen,
Den Krieg zu Ende führen, halte ich für weise,
Doch unnütz würden etwa tausend Mütter weinen.

Vertrauen wir dem Kreuz. Du magst die Heimath grüßen.
Ich bleibe hier und will in Frieden Heiden taufen:
Viel besser jetzt, als in der Hölle einst zu büßen,
Drum laß uns Mannen, um mit Abtrünnigen zu raufen!«

»Gestrenger Kaiser!« sagt der vornehmste Gesandte:
»Du kannst Dein Heer, wenn Du es willst, im Lande lassen,
Die Franken seien hier daheim, nicht als Verbannte,
Wir werden nimmermehr die Christenstamme hassen!

Dem Ganelon, der uns versteht, sind wir verpflichtet,
Er wird uns immer mehr mit seinem Volk verbinden.
Der Roland hat schon manchen Maurentrumpf vernichtet
Und mag die Herrschaft nun auf Männerachtung gründen«

»Fürwahr, ein großer Freudentag ist angegangen,«
Ruft Olivier: »Oh großer Herr, wir stehen alle,
So laß die Hand bald die erbangte Frucht erlangen,
Doch was Du sagst, ist gut, thu, daß es uns gefalle!«

»Dem Vater wird der Abschied schwerer als den Kindern!
So bleibt denn hier!« Sagt Karol sanft: »Ich werde scheiden.
Blos Nemo soll den Schmerz der langen Trennung lindern,
Auch Ganelon kommt mit, ich mag ihn hier nicht leiden.

Nur eines haben Herz und Geist sich vorbehalten:
Ich ziehe heim, doch folgt Ihr gleich, wenn ichs bestimme!
Mein Machtentschluß ist heut zum ersten Mal gespalten:
Ich wähne Sieg und Glanz, doch seh ich auch das Schlimme!«

Oh Gott, jetzt heißt es vom geliebten Kaiser scheiden!
Ich werde ihn voll Glaubenskraft und Muth vertreten,
Oh Gott, ich kann verschiedene Stimmung unterscheiden,
So hilf mir Herr, ich flehe stets in meinen Werkgebeten.

Oh Herr, der Drache hat sechshundert giftige Zangen,
Und viele tausend, abertausend falsche Augen!
Mein Seelenblick hat meinen Feind erkannt, durchdrungen:
Er steht so grad und kann zu keiner Tugend taugen.

Mein Herr, Du wirst Dein Werk am besten schützen!
Ich fürchte wirklich nichts, auch kann ich nimmer helfen.
Der Kaiser sprach sein Wort, kein Einspruch dürfte nützen,
Nun bangt vor mir, Ihr Drachen, Teufel, Elfen!

Jetzt reicht mir Nemo scheidend seine Hand. Ich fühle
Von ganzem Herzen: »Lebe Wohl!« das ich ihm sage.
Dem Kaiser thränt das Auge, düstre Abschiedsschwüle
Bedrückt uns alle, doch ich fürchte keine Klage.

Mein Olivier, auch Du bleibst stark, Du bückst Dich nieder
Und läßt vom Kaiser Dich umarmen und erheben.
Oh Ganelon, Dein Kuß ist mir, – warum! – zuwider:
Das ist in mir kein freundschaftinniges Erbeben.

Dein Reichthum ist mir fremd. Die grünen Edelsteine
Durchfrösteln mich. Opale lachen geil wie Greise.
Wie Kröten gelb und fahl sind diese falschen Scheine:
Doch das ist nichts! ich wünsch Dir eine gute Reise!

Mein Kaiser, nun empfang ich Deinen Weihesegen!
Oh weine keine Kleinodien zurück ins Innere.
Die Lippen, die sich sanft auf meine Stirne legen,
Sind schwer, weil ich mich an die Taufe jetzt erinnere.

Fürwahr, wir haben uns nun durch und durch vernommen.
So gehe, Herr. Dein Zwerggespenst wird Dich begleiten.
Das meine bleibt bei mir, es muß mir eben frommen,
Doch unsere Sehnsucht wird sich ineinander weiten!

Theodor Däubler




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Gedichte: Tragik

22.12.2012 um 22:30

Chinesisches Soldatenlied

Soldat, du bist mein Kamerad,
Marschierest mir zur Seite.
Der Kaiser, der befehligt uns.
Kein Mädchen mehr beseligt uns.
Soldat, du bist mein Kamerad,
Marschierest mir zur Seite.

Soldat, du bist mein Kamerad,
Wenn du das Schwert verloren,
So deck ich dich mit meinem Schild
Und bin als Bruder dir gewillt.
Soldat, du bist mein Kamerad,
Wenn du das Schwert verloren.

Soldat, du bist mein Kamerad,
Wenn unsre Knochen bleichen.
Mond fällt auf uns wie gelber Rauch,
Der Affe schreit im Bambusstrauch.
Soldat, du bist mein Kamerad,
Wenn unsre Knochen bleichen.

Klabund
(Alfred Henschke)




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Gedichte: Tragik

23.12.2012 um 16:20

Gedanken zu Weihnacht

Wessen Nacht wird hier gedacht,
wem die Weihe dargebracht?
Warum wurd’ dies nur einer Nacht,
nicht für’s Leben ganz erdacht?

Dem allmächtig Gott wir dann gedenken-
Ihm unsre Aufmerksamkeit schenken-
Von seiner Liebe rein uns lenken-
In Andacht tief wir uns versenken-
In dieser Zeit uns dies gelingt,
jedoch ist dies auch schnell verrinnt!


Weshalb nur Weihnacht das große Schweigen
der Waffen und wir friedvoll bleiben?

Wieso nur Weihnacht wir dem Leiden
and’rer Menschen mental verbleiben?

Warum nur Weihnacht präsent die Liebe
und sonst stets das Recht der Hiebe?

Was spricht der Vorstellung wohl gegen,
die ’Weihnacht’ übers Jahr zu leben?


Die Kirchen leer seit vielen Jahren-
In Weihnachtszeit, wir kommen in Scharen-
Heucheln vor ein gläubig Gebahren-
Wollen Gott sofort erfahren-
Für ein paar Tag’ dem Fest hingeben,
anstatt im Gottes Sinn zu leben!

Doch andrerseits, will mich besinnen,
in dieser Zeit, wir können beginnen
von neuem uns an Gott aufrichten
und unser Leben neu ausrichten.

So lasst gemeinsam uns versuchen,
das Fest der Liebe stets zu buchen
an jedem Tag auf Erden hier;
Für Mensch, die Welt und das Getier!

Der Liebe soll an Weihnacht gedacht,
der Liebe soll die Weihe gebracht.
Die Liebe nicht für eine Nacht,
sie ist fürs ganze Leben erdacht!

© Dukania Mauria




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Gedichte: Tragik

23.12.2012 um 16:21

Reiterlied

Die bange Nacht ist nun herum,
Wir reiten still, wir reiten stumm,
Und reiten ins Verderben.
Wie weht so scharf der Morgenwind!
Frau Wirtin, noch ein Glas geschwind
Vorm Sterben, vorm Sterben.

Du junges Gras, was stehst so grün?
Mußt bald wie lauter Röslein blühn,
Mein Blut ja soll dich färben.
Den ersten Schluck, ans Schwert die Hand,
Den trink' ich, für das Vaterland
Zu sterben, zu sterben.

Und schnell den zweiten hinterdrein,
Und der soll für die Freiheit sein,
Der zweite Schluck vom Herben!
Dies Restchen - nun, wem bring' ich's gleich?
Dies Restchen dir, o Römisch Reich,
Zum Sterben, zum Sterben!

Dem Liebchen - doch das Glas ist leer,
Die Kugel saust, es blitzt der Speer;
Bringt meinem Kind die Scherben!
Auf! in den Feind wie Wetterschlag!
O Reiterlust, am frühen Tag
Zu sterben, zu sterben!

Georg Herwegh




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Gedichte: Tragik

23.12.2012 um 23:55

Die Entwicklung der Menschheit

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur dreißigsten Etage.

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung übrigläßt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.

So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.

<smll>Erich Kästner




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Gedichte: Tragik

23.12.2012 um 23:57

Sommer

Am Abend schweigt die Klage
des Kuckucks im Wald.
Tiefer neigt sich das Korn,
der rote Mohn.

Schwarzes Gewitter droht
über dem Hügel.
Das alte Lied der Grille
erstirbt im Feld.

Nimmer regt sich das Laub
der Kastanie,
auf der Wendeltreppe
rauscht dein Kleid.

Stille leuchtet die Kerze
im dunkeln Zimmer.
Eine silberne Hand
löschte sie aus.

Windstille, sternlose Nacht.

Georg Trakl




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Gedichte: Tragik

23.12.2012 um 23:59

Untreu

Dein Lächeln weint in meiner Brust
Die glutverbissnen Lippen eisen
Im Atem wittert Laubwelk!
Dein Blick versargt
Und
Hastet polternd Worte drauf.
Vergessen
Bröckeln nach die Hände!
Frei
Buhlt dein Kleidsaum
Schlenkrig
Drüber rüber!

August Stramm




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Gedichte: Tragik

24.12.2012 um 21:49

Sturmflut


Gleichwie des Meeres Wogen dann und wann,
Den Damm zerreißend, mächtig überfluten,
Erscheinen jedem Menschen auch Minuten
Wo er sein Elend nicht verschweigen kann.

Sich selber überstürzend, naht es dann,
Aufwachen Qualen, die nur scheintot ruhten,
Vernarbte Wunden fangen an zu bluten,
Und es zerbricht des Schweigens starrer Bann.

Und wie das Meer, gepeitscht, der Stürme Spiel,
Aufrast und tobt und um Erlösung schreit,
So gellt der Mensch sein namenloses Leid
Hinaus zur Welt, wenn nur der Bann erst fiel.

Und rast und tobt und eher schweigt er nicht,
Als bis er todesmatt zusammenbricht.

Felix Dörmann




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Gedichte: Tragik

24.12.2012 um 21:49

Christtag 1844

Die alten Klänge hör' ich wieder schallen,
Des Gottessohns Verherrlichung geweiht,
Zu feiern seine gnadenreiche Zeit,
Wo er als Mensch Erlösung bracht' uns allen;

Und wieder tret' ich in des Domes Hallen,
Die enge Brust, sie wird mir wieder weit,
Die ganze Jugend schau' ich wie erneut,
Verkläret von des Glaubens milden Strahlen.

O tönet weiter, volle Friedenslieder!
Tönt in die Brust die alte Ruhe wieder,
Ruft mir der Kindheit ersten Sinn zurück!

Und will er mich auch nimmer frisch durchglühen,
Will er erlöschen in des Lebens Mühen,
So mahnt mich doch an das verklungne Glück! —

Joseph Victor von Scheffel




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Gedichte: Tragik

24.12.2012 um 21:52

Die Todtenuhr

Hat das Geisterreich mich auserlesen,
Hab' ich seinen Winken je gelauscht,
Irdisches mit Ewigen vertauscht –
O so laß mich jetzt das Räthsel lösen!

Wie dem Jüngling die erharrte Stunde,
Die der ersten Liebe Ahnung krönt,
Einer Himmelsbotschaft gleich ertönt,
Also tönt mir der Erlösung Kunde!

Lächelnd horch' ich deinem Glockenschlage,
Süße, deutungsvolle Todtenuhr,
Meiner Hoffnung zeigt sich eine Spur
Und ich harre sehnsuchtsvoll dem Tage,

Der mich zu dem theuern Heimatslande,
Zu der Insel meiner Thränen bringt,
Wo die zarten Flügel Psyche schwingt,
Frei der langen, ach zu schweren Bande.

Max von Schenkendorf




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Gedichte: Tragik

25.12.2012 um 01:10
Die bösen Geister

Ziehn die Wolken schwer und dunkel,
Flockt der Schnee und stürmt's mit Macht;
Birgt sich Mond, und Sterngefunkel,
Trüb der Himmel, trüb die Nacht.
In dem Schnee ist kein Geleise;
Klingt das Glöckchen: din — bin — bin ...
Schaurig ist's auf nächt'ger Reise,
Wenn man selbst nicht weiß: wohin?

Vorwärts, Kutscher!... »Gerne führ' ich,
Doch den Pferden wird's zu schwer,
Und vor Schneegestöber spür' ich
Selbst kein Licht im Auge mehr!
Hat der Teufel sich verschworen
Gegen uns, führt uns im Kreis;
Haben uns im Schnee verloren,
Daß ich keinen Ausweg weiß!

Sieh, dort, gräßlich von Geberbe
Schielt er, zischt, giebt keine Ruh,
Speit nach mir — die scheuen Pferde
Ködert er dem Abgrund zu.
Wie ein Pfahl mir gegenüber
Taucht' er eben auf und stand,
Dann als Funken mir vorüber
Blitzt' er zischend und verschwand.«

Ziehn die Wolken schwer und dunkel,
Flockt der Schnee und stürmt's mit Macht;
Birgt sich Mond- und Sterngefunkel,
Trüb der Himmel, trüb die Nacht.
Plötzlich starr die Pferde stehen,
Und das Glöckchen klingt nicht mehr —
Was ist dort im Feld zu sehen?
Stürzen Wölfe auf uns her?

Heult es, stürmt es, zischt es, dunkelt's
Immer mehr, das Dreigespann
Schnaubt, und bäumt sich, — sieh, dort funkelt's
Wie zwei Augen, schleicht heran!
Aufgeschreckt die Pferde fliehen,
Klingt das Glöckchen: din — din — din...
Fern seh' ich die Geister ziehen
Ueber's weiße Schneefeld hin!

Scheint der Mond. In wilden Weisen
Zahllos, zwerghaft wie sie sind,
Auf und ab die Geister kreisen,
Blättern gleich im Herbsteswind.
Hu! das ist ein schaurig Klingen!
Doch, wer mag den Sinn verstehn?
Ob sie Hochzeitsreigen schlingen,
Ob ein Todtenfest begehn?

Ziehn die Wolken schwer und dunkel,
Flockt der Schnee und stürmt's mit Macht,
Birgt sich Mond- und Sterngefunkel,
Trüb der Himmel, trüb die Nacht.
Fliehn, in größern Schwärmen immer,
Wolkenwärts der Geister Reih'n,
Ihr Geheul und ihr Gewimmer
Zittert mir durch Mark und Bein.

Alexander Puschkin


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Gedichte: Tragik

25.12.2012 um 10:02

Tragische Geschichte

Jüngst ist ein General erwacht,
ein tapferer General,
dem hat ein Traum um Mitternacht
gemacht viel Angst und Qual.

Er war im Leben noch erschreckt
durch keinerlei Gefahr,
doch hat ein Traum ihn aufgeweckt,
ein Traum gar wunderbar.

Was träumte denn dem General
in später Mitternacht ?
Was hat ihm denn so große Qual
und soviel Angst gemacht ?

Ihn, der gebebt in keiner Schlacht,
den nichts noch hat erschreckt,
was hatt ihn denn um Mitternacht
aus seinem Schlaf geweckt ?

War' s Krieg und Pest, war' s Hungersnot ?
War' s Hilf- und Feuerschrei ?
War' s Hochverrat und Mord und Tod ?
War' s blutige Meuterei ?

Ihm träumte - nun, es war enorm ! -
daß durch das ganze Heer
erhielte jede Uniform
hinfort zwei Knöpfe mehr.

Hoffmann von Fallersleben




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25.12.2012 um 10:02

Ich liebe dich

Mein Herz taucht in Tiefen
Ich
Liebe
Dich
Du Tropfen aus Gold

Mein Blut fließt aus Wunden
Ich
Liebe
Dich
Du Tropfen aus Feuer

Meine Gedanken fliegen Kreise
Ich
Liebe
Dich
Du Tropfen aus Sonnen

Mein Geist schwindet spürbar
Ich
Liebe
Dich
Du Tropfen aus Seele

Mein Mund flüstert Geheimnis
Ich
Liebe
Dich
Du Tropfen aus Rubin

Mein Körper atmet Leben
Ich
Liebe
Dich
Du Tropfen aus Licht

Meine Hände berühren
Ich
Liebe
Dich
Du Tropfen aus Samt

© Kristian Goldmund Aumann




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