Roland I.
Der letzte Himmelsstern beginnt sich zu ereifern,
Die Nacht wird sich nicht lange mehr zu weichen sträuben!
So spricht der Nachhut Hauptmann jetzt zu seinen Pfeifern:
»Drum fangt zu spielen an, den Nacktspuk zu betäuben!«
»Oh Herr!« sagt einer von den Heerzugsmusikanten:
»Ich will ein Siegerlied, die Christenhymne, spielen,
So wie es heißt, daß Heiden sich zum Heiland wandten,
Und die Moscheeen rings in unsere Hände sielen!
Der Tag, der anbricht, sieht das Maurenheer geschlagen,
Bald sinkt die bleiche Mondscheinfestung der Khalifen,
Doch gegen Mittag läßt die Nacht Gespenster ragen,
Und Träume scheu ich nicht, die ihrem Leib entschliefen!
Die Flammenhähne, die auf Allahs Häusern rauften
Und sich die Zunderfetzen aus den Krallen zerrten,
Die einen Weltentag verkündend, bleich verschnauften,
Verschafften mir den Einblick zu den Spukkonzerten.
Das Schandpack Satans sah ich prachtvoll überglastet,
Rasch über Zacken, wie im Wald die Affen, tanzen.
Von Grat zu Grat hat manches nackte Paar gehastet,
Mit Firlefanzern schlossen Weiber Fleischallianzen!«
»Das was ich sah war furchtbar,« sagt ein anderer Spieler:
»Die Dulzaina wurde viel und wild geschlagen,
Wie Waldgebraus entrauschte ihr Gesaus, doch vieler
Verhexter Menschen Stimmen schienen durchzuklagen.«
Die Eulenschreie einstiger Heidenweiser schrillten
Durch dumpfes Schweinegrunzen christlicher Vampyre,
Die Rom verstieß, und ekle Hexerwittwen drillten
Sich drinnen ein, und Kuppler bildeten Spaliere.
Um Beelzebub selber wimmelten die Wichte,
Und manches Weib von Stand war da mit ihrem Schraten.
Bestimmt verlor der Leib von seinem Fleischgewichte,
Denn Diebsgesindel wirbelte zum Galgenpaten.
Agaras kam mit Chax im Priesterkleid und taufte
Die liederliche Unzuchtbrut aus seinem After,
Und als sein Segen aus den Eingeweiden schnaufte,
Da sank die Täuflingsschaar sogleich um sechzig Klafter.
Marchozias, Sabnak, Furfur, Ipes, Malphas brachten
Glasialabolas Weiber vor den weisen Kaiser,
Der sprach: »Ihr werdet nimmer lang nach Freiheit schmachten!
Mein Szepter ist der Schicksalsuhr Sekundenweiser.«
Da jauchzte Aamon und aus der Taufspukjauche
Schrie Gomory: »Was fletscht jetzt Zabans Hasenlippe?«
»Die Pest! Den Vatermord!« so unkte es: »Ich tauche
Als Kröte auf!« Und Weiber schrien: »Filippe!«
Da gab ihnen gleich Gaab eine schmutzige Kröte,
Und alle geiferten, indem sie sie zerrissen:
»So wie ich Dich, verrenktes Sumpfthier, tödte,
So thäte ich das lieber Dir, – Du Urgewissen!« –
»Hei!« ruft jetzt ein Soldat: »Die Wachtfeuer verstummen,
Die Flammenzungen fuchteln unvernehmbar weiter,
Die Geister aber wollen sich noch nicht vermummen
Und treiben dreister selbst ihr Spiel, als Besenreiter!«
Wahrhaftig über Felsenspitzen stiegen Zwitter:
So Schatten, Halbgestalten, wie aus Grau und Galle.
Ja, ja, das ist ein anderes Schlachtenungewitter:
Was jener Spuk ist, scheint mir eine Wahnsinnskralle.
Verfolgt mich jetzt der große Teufelsungedanke,
Nachdem die Sorge um den Morgen mich verlassen?
Ich glaubte doch, die ungeheure Weltnachtschranke
Wird nimmermehr, in sich zerrüttet, bang erblassen!
Das Schloß, das Harem unten ließ mir keine Ruhe.
Alektryomantie zwar gab mir gute Zeichen,
Doch ich besann mich fort, wie ich es eben thue:
Nun endlich aber weiß ich, daß die Heiden weichen.
Ich habe heute Nacht auch tapfer dreingeschlagen.
Die Burg muß fallen, doch die Weiber sollen leben,
Das war mein Wunsch: und »Roland« durfte nicht verzagen,
Die Flammen sollten sich vom Mannertrakt erheben!
»Horch Roland, horch doch, höre wenn Trompeten rufen!«
Was ist denn das! Hei, nochmals wagen es die Heiden
Hervorzubrechen! Stampft sie mit den Pferdehufen!
Ich reite vor, daß alle Streiter mich beneiden.
Versinke, ekler Mohr, Dich andern schlag ich blutig!
Das blitzt nur so! Sind das da Augen oder Splitter?
Ihr Funken stiebt! So merk es, Feind: der Christ ist muchig!
Eunuchen, sterbt, es übertrumpft Euch heut ein Ritter
Erbarmungslos und toll! Wie, ist mein Schwert magnetisch?
Der Feind verdirbt, wird auch sein Heerzug langer.
Ich kneble Euch, ich stürze Euren Lasterfetisch,
Da habt Ihr es, Ihr dreisten Frankenlandbedränger!
Haut ein, auch Ihr, ich bin Euch vor um zwanzig Männer!
Ein wuchtiger Schlag! Ich bin allein: das ist nicht schade,
Denn rings ist nichts, als gottverlassene Fluchbekenner:
Mir hilft der Herr, mein Pferd selbst überkommt die Gnade!
Die Flammen rascheln jetzt aus allen Mauerscharten,
Wie Blut entsichert Gluth den offenen Schmelzgeschwüren,
Auch flattern Feuerfledermäuse aller Arten,
Aus Sprühglastnestern, wo sie ihre Gluthbrut schüren.
Versinke, Burg, Du Herd der Scklechtigkeit auf Erden,
Du Festungsthurm, wo man die Weiblichkeit begraben,
Bordell, in dem die Laster sich als Herr geberden,
Du Haremswand, brich ein, ich will die Rache haben.
Du schwarzer Hund, steht noch Dein Dach, so tracht Dein Schädel!
Du Dreckbrut Du, auch Du verreckst durch Säbelhiebe!
Das trifft des Feldherrn Herz, sprecht, ist der Christ nicht edell
So merkt es denn, wie sehr ich Euer Springblut liebe.
Rings um mich her verspritzt Ihr es, Ihr hundert Hunde,
Bald werdet Ihr im Höllenloch die Houris küren!
Gar rührig fließt das Blut aus meiner Vollbrustwunde:
Das schwächt mich nicht, erst sprenge ich die Festungsthüren.
Selbst drinnen noch vertilg ich Euch, Saharakatzen,
Ich fürchte nichts, es hilft mir, schützt mich Christi Segen!
Was Roland, Roland! weg mit diesen Heidenfratzen,
Zur Kaba darf mir niemand mehr den Weg verlegen.
»Horch Roland, horch, Du selber hast Pardon versprochen,
Wirk nicht allein, Du Held, die Festung ist gefallen!«
Ich horche aus, doch höre ich das Herz nur pochen,
Dann fangen die Fanfaren an, laut zu erschallen.
Gesiegt hat Christus, unser Herr! wir danken, beten
Zu ihm, der diese Burg in unsere Hand gegeben.
Jetzt tretet ein, ihr Christenheere, mit Trompeten
Verkündet Sieg, laßt Schallkometen sich erheben.
Ein schöner Tag! besetzt die Festung, die Gefangenen
Schafft fort! ich selber geh zurück ins Lager.
Das Harem laßt! Den schleier und den schamverhangenen
Beherrscherinnen einen Gruß vom Alleswager!
Ich reite fort: mein Kaiser ist bestimmt zufrieden.
Man jubelt rings. »Heil Roland!« hör ich rufen:
»Ein Heilandsstreiter, wie Du bist, lebt nicht hienieden!«
Das weiß ich wohl, ich steige noch auf Ruhmesstufen.
Doch jedem Sieger folgt ein Zwerggespenst beständig,
Die Sonne ging rasch auf: der Kleine will mich packen!
»Heil Roland, Heil!« Mein Schatten wird lebendig.
»Hoch holder Held!« Soldaten hockt er schon im Nacken!
Vor diesem Zelte wird der Kaiser mich empfangen.
Da steht er hehr: sein Spuk verrenkt sich kleinlich, spöttisch.
Ich fühle nun in mir ein stilles Seelenbangen.
Sein Schatten platzt, lieb ich den Kaiser auch abgöttisch.
Der Kaiser spricht: »Ich fühle, wie mein Herz sich weitet,
Du mußt in ihm, am Schlachtfeld, Deine Ruhstatt nehmen!«
Im Perlenteppich, den die Sonne ausgebreitet,
Verkrampfen glatte Schatten sich wie Silberschemen!
»Du hast Dich,« sagt mir Karl: »Wie Gabriel geschlagen!«
Es gleicht Dein Wesen einem vollen Sommermorgen,
In Dir ist keine Furcht, kein Tadel, kein Verzagen,
Du bist so warm und klar und ohne Wolkensorgen.
»Oh Magnus,« meine ich: »Die Mannen alle stritten
Mit Herz und Kopf, ganz Männlichkeit und Frische,
Sie sind bereit, auf allen ihren Lebensschritten,
Sich zu behaupten, fest zu stehn, als kriegerische
Gesellen, überzeugt von ihrem Sein und Schaffen.
Doch ich, mein Oheim, bin blos eine Adlerfeder.
Ich kann und will mich nicht dem Schicksalshauch entraffen
Und werde nie des großen Geistes Widerreder.
Sankt Georg selber wirkt und webt in meinem Wesen:
Ich kann im Schlachtgetümmel ihn zu Pferd erkennen,
Er hat zu seinem Arm und Degen mich erlesen
Und Durendal hörte ich ihn mein Schwert benennen!«
»Du frommer Held,« sagt Ganelon: »Die Sarazenen,
Der Drache, den der Heilige durch Dich besiegte,
Beginnen sich nach Christi Leib und Blut zu sehnen,
Marsilius selber, der uns stets bekriegte,
Schickt AbdErRahman aus, den Sternpropheten,
Der ihm gerathen, sich mit Jesum zu versöhnen.
Er läßt sich taufen mit des Reiches ersten Rathen,
Und schwört, er komme bald mit seinen sieben Söhnen!
So wendet Euch an Karolus, er möge gnädig,
Wie Ihr es immer ward, den Feind verschonen.
Die holde Tochter des Khalifen ist noch ledig,
Die soll mit Roland bald in Saragossa thronen!«
»Oh Ganelon, sprich gradewegs zu Deinem Kaiser!«
Ruft Karolus und blickt voll Zorn auf den Vasallen.
Er streichelt seinen Bart und sagt dann etwas leiser:
»Allein in meine Macht ist Frankreichs Feind gefallen.
Ihr alle seid nur meiner Herrlichkeit Trabanten!
Selbst Roland muß, dem Monde gleich, sein Licht erborgen.
Von Rom, wohin sich eben diese Mohren wandten,
Empfangt sein Traum, wie alle Dunkelheit, den Morgen.
Ich selber aber bin der Tag, die Macht, das Leben.
Mein Silberhaar ist Winterschnee der Pyrenäen.
Der Bart die alten Gletscher, die zu Feuerreben
Die Frische ihrer ewigen Jugend munter wehen.
Mein Haar, mein Bart, sind auch das Frühlingsurerblühen,
Die weiße Fülle, die ein fruchtbar Jahr verkündet,
Mein Wollen Flüsse, wo sich Flotten vorwärts mühen,
Und mein Gemüth das Meer, in das die Weltfluth mündet!«
Fanfaren melden jetzt die Ankunft der Gesandten,
Sie stehen mit gefangenen Heiden noch beisammen
Und alle Rassen, die sich taub zu Allah wandten,
Sind da, ob sie aus Asien oder Tanger stammen.
In Purpur nahen blasse Perser. Ihre Bärte
Sind schwarz und schwer und scheinen sie herab zu zerren.
Mit ihnen gehen gelbgekleidete Gelehrte,
Und gleich daneben splitternackte Berberherren.
Den Turban tragen auch die schlankgewachsenen Mohren.
Es strahlt ihr Augenpaar. Es glänzen ihre Zähne.
Jetzt kommen auch Mongolen aus den Festungsthoren,
Und selbst ein Blonder folgt mit einer Löwenmähne.
Gefesselt sind die meisten: wenigen kleben Flecke
Von Schmutz und Blut am Feldzugskleid, in dem man streitet.
Ob hoch, ob nieder, jeder Dickwamms, jeder Recke
Hat seinen Negerzwerg, der ihn umsonst begleitet!
Ich selber habe meinen Mantel umgeschlagen
Und mag somit jetzt dem Dreiviertelmonde gleichen.
Was kann ich thun, daß mich die Schatten nimmer plagen?
Den Mittag in der eigenen Tiefe ganz erreichen!
»Gesandte des Marsilius, Eure Unterwerfung
Braucht Ihr mir nicht zu melden, kommt und steht um Schonung:
Mein Urtheil über Euch erfahrt keine Verschärfung,
Rebellen, in der Kasba nehm ich meine Wohnung!«
Das sagt der Kaiser. Und die heidnischen Gestalten
Sind wie vom Schlag gerührt und stürzen wimmernd nieder.
Doch endlich kann sich einer wieder aufrechthalten
Und spricht im Vollbesitze seiner armen Glieder:
»Oh großer Herr, das Schwert allein darf nicht befehlen.
Drei Monde nur laß uns durch Geistliche belehren,
Dann werden wir das Heil aus eigenem Drange wählen,
Das Kreuz und Dich allein in unsern Ländern ehren.
Laß Roland hier, magst Du nicht selbst in Spanien weilen,
Er kann bei uns die schönste Königstocher freien.
Getauft, kann jene dann des Landes Plagen heilen,
Wird Deine Wunderhand die weibliche einweihen!«
»Ihr Paladine, Ihr Gesandten, meine Kinder!«
Sagt Karol ernst: »Sprecht Eure Wünsche aus, ich höre!
Auch Eure Rathschläge bringt vor, ich bin kein Blinder,
Der ohne Freisicht zulaßt, daß man ihn bethöre.
Doch merkt Euch dies: was meine Lippen ausgesprochen,
Bleibt wahr und recht und einwandfrei, für Euch geheiligt!
Was rathet Ihr, soll ich ganz Spanien unterjochen?
So sprecht, Ihr seid mit Leib und Seele dran betheiligt!«
»Oh, Großer Herr, gestatte daß wir uns bewähren,«
Ruft Ganelon: »Wir fürchten nichts im eigenen Lande,
Laß uns den Bischof hier, die Heiden zu bekehren,
Verzagtheit ist des Franken allerärgste Schande.«
»Nun,« flüstert Nemo, Baierns Fürst in meiner Nähe,
Daß ich es kaum vernehme, zu des Kaisers Ohren:
»Dem Roland kannst Du vollauf trauen, ich gestehe,
Dem Ganelon nicht ganz, er hat an Wucht verloren!«
Ich trete weg und höre dennoch Nemos Worte:
»Laß Roland hier zurück und kehr dem Land den Rücken,
In Deutschland gährt es abermals an manchem Orte,
Dort müßte uns vor allen noch ein Feldzug glücken,
Bevor wir vollen Frieden unserm Reich bescheeren.
Unheimlich bleibt der Rhein, Gebirge, feste Grenzen:
Die Pyrenäen stehn und werden Schutz gewähren,
Doch in Gefahr sind die Ardennenresidenzen!«
»Oh Magnus« sage ich: »So lasse mich alleine,
Gieb Deinen Segen mir, und Gott wird mich beschützen:
Ich bleibe gern in Spaniens holdem Sonnenscheine,
Blos Olivier, der Gute, soll mich unterstützen.
Dann streite ich mit Durandal, dem edlen Schwerte,
Und mit Hauteclaire steh Olivier mir stets zur Seite.
Und Marchegai sein starkes Pferd, sein Schlachtgefährte,
Befreunde sich mit Veillentif, das ich bereite.
Dann ziehen wir in den Herbst hinein! Der Reisig,
Der rings die Erde deckt, zerknickt am Wege.
Es schwitzt das Pferd, der Wind aber wird eisig,
Und immer ists, als ob ein Reh sich wo bewege.
Die gläubigen Tannen bleiben grün und überleben,
In Ihrer Unschuldwucht, den Fall des alten Laubes,
Ihr Wesen ist erstaunlich frommes Sicherheben.
Sie fühlen: Herr, Du sagst: auch Du bist gut, ich glaub es!«
»Wie frei,« ruft Olivier: »Erscheint mir solch ein Leben!
Mein Kaiser, lasse uns zurück in diesen Thalern,
Der Heide wagt es nicht, sich nochmals zu erbeben,
Durch Christum heilen wir ihn bald von seinen Fehlern!«
»Mein Olivier!« so spreche ich mit Herzensfreude:
»Wir müssen dann nach Flüssen und nach Gründen spüren,
(Aus edelsten Gesteinen thürme ich Gebäude)
Um Aude, Deine Schwester, würdig heimzuführen.«
»Turbin,« sagtKarol nun: »Verschweigst Du Deine Meinung!
Du Kirchenfürst, wie glaubst Du, würde Rom jetzt rathen?
Du weißt, ich bin kein Freund von Furcht und Wunschverneinung,
Doch zaudre ich, mir ahnt von grausen Waffenthaten!«
»Mein Herr!« sagt da der Bischof frei zu seinem Kaiser:
»Vernunft und Vorgefühle muß ein Christ verneinen,
Den Krieg zu Ende führen, halte ich für weise,
Doch unnütz würden etwa tausend Mütter weinen.
Vertrauen wir dem Kreuz. Du magst die Heimath grüßen.
Ich bleibe hier und will in Frieden Heiden taufen:
Viel besser jetzt, als in der Hölle einst zu büßen,
Drum laß uns Mannen, um mit Abtrünnigen zu raufen!«
»Gestrenger Kaiser!« sagt der vornehmste Gesandte:
»Du kannst Dein Heer, wenn Du es willst, im Lande lassen,
Die Franken seien hier daheim, nicht als Verbannte,
Wir werden nimmermehr die Christenstamme hassen!
Dem Ganelon, der uns versteht, sind wir verpflichtet,
Er wird uns immer mehr mit seinem Volk verbinden.
Der Roland hat schon manchen Maurentrumpf vernichtet
Und mag die Herrschaft nun auf Männerachtung gründen«
»Fürwahr, ein großer Freudentag ist angegangen,«
Ruft Olivier: »Oh großer Herr, wir stehen alle,
So laß die Hand bald die erbangte Frucht erlangen,
Doch was Du sagst, ist gut, thu, daß es uns gefalle!«
»Dem Vater wird der Abschied schwerer als den Kindern!
So bleibt denn hier!« Sagt Karol sanft: »Ich werde scheiden.
Blos Nemo soll den Schmerz der langen Trennung lindern,
Auch Ganelon kommt mit, ich mag ihn hier nicht leiden.
Nur eines haben Herz und Geist sich vorbehalten:
Ich ziehe heim, doch folgt Ihr gleich, wenn ichs bestimme!
Mein Machtentschluß ist heut zum ersten Mal gespalten:
Ich wähne Sieg und Glanz, doch seh ich auch das Schlimme!«
Oh Gott, jetzt heißt es vom geliebten Kaiser scheiden!
Ich werde ihn voll Glaubenskraft und Muth vertreten,
Oh Gott, ich kann verschiedene Stimmung unterscheiden,
So hilf mir Herr, ich flehe stets in meinen Werkgebeten.
Oh Herr, der Drache hat sechshundert giftige Zangen,
Und viele tausend, abertausend falsche Augen!
Mein Seelenblick hat meinen Feind erkannt, durchdrungen:
Er steht so grad und kann zu keiner Tugend taugen.
Mein Herr, Du wirst Dein Werk am besten schützen!
Ich fürchte wirklich nichts, auch kann ich nimmer helfen.
Der Kaiser sprach sein Wort, kein Einspruch dürfte nützen,
Nun bangt vor mir, Ihr Drachen, Teufel, Elfen!
Jetzt reicht mir Nemo scheidend seine Hand. Ich fühle
Von ganzem Herzen: »Lebe Wohl!« das ich ihm sage.
Dem Kaiser thränt das Auge, düstre Abschiedsschwüle
Bedrückt uns alle, doch ich fürchte keine Klage.
Mein Olivier, auch Du bleibst stark, Du bückst Dich nieder
Und läßt vom Kaiser Dich umarmen und erheben.
Oh Ganelon, Dein Kuß ist mir, – warum! – zuwider:
Das ist in mir kein freundschaftinniges Erbeben.
Dein Reichthum ist mir fremd. Die grünen Edelsteine
Durchfrösteln mich. Opale lachen geil wie Greise.
Wie Kröten gelb und fahl sind diese falschen Scheine:
Doch das ist nichts! ich wünsch Dir eine gute Reise!
Mein Kaiser, nun empfang ich Deinen Weihesegen!
Oh weine keine Kleinodien zurück ins Innere.
Die Lippen, die sich sanft auf meine Stirne legen,
Sind schwer, weil ich mich an die Taufe jetzt erinnere.
Fürwahr, wir haben uns nun durch und durch vernommen.
So gehe, Herr. Dein Zwerggespenst wird Dich begleiten.
Das meine bleibt bei mir, es muß mir eben frommen,
Doch unsere Sehnsucht wird sich ineinander weiten!
Theodor Däubler