Des großen Krieges Not
1914-1918
Der Abendhimmel bräunt sich still entzündet,
Das Meer wird blasser und von Dunkelheit umzäunt.
Und alte Bäume, in den Kronen breit gerundet,
Die wurzeln an dem Weg, der leer zum Wasser mündet,
Kein Windhauch wandert mehr.
Die Stille aber bringt drückende Botschaft her.
(Makassar, 28. August 1914)
Ich höre heller, als die Ohren wissen.
Es schmerzen Echos, tief in mir geboren.
Es schreien Stimmen nachts aus meinen Rissen,
Die Stimmen Mutiger, die ihre Kraft verloren,
Die auf des Krieges Feldern liegen, verblutet und zerrissen.
(Makassar, 29. August 1914)
Muß hören durch die Nacht das Stöhnen und das Stampfen,
Den Pfiff von Schüssen, die im Flug zerstören,
Den Schlag der Fäuste, die im Kampf sich krampfen,
Die wie die Wurzeln werden hart und tot –
Es liegt bei mir und schreit des großen Krieges Not.
(Makassar, 29. August 1914)
Beklommen muß ich tags zur Sonne schauen
Und sitze wie im Blutdampf, blind benommen.
Und immer wiederholt es sich, das Grauen.
Des Himmels Pracht, die blaue, seh’ ich wundenrot.
Es liegt bei mir und schreit des großen Krieges Not.
(Makassar, 29. August 1914)
Vier deutsche Handelsschiffe liegen rauchlos dort,
Die Strömung dreht sie stet am gleichen Ort.
Sie sind verankert, haben Weile, warten ab,
Bis sich gefüllt das Riesenmassengrab
Fern in der Heimat, das der Krieg gegraben,
Und sich die Raben sattgefressen haben.
(Makassar, 29. August 1914)
Verbannt in fremdes Südseeland,
Muß ich von ferne schauen,
Wie täglich sich die Leichenberge Europas höher bauen,
Wie täglich Heldentaten, große, tausendfach geschehen,
Wie kleine Bäche hochgefüllt mit Blut jetzt gehen,
Und wie vorm Tränenfall der Trauernden daheim
Kein Himmelsblau bald mehr zu sehen.
(Makassar, 31. August 1914)
Zwei große Adler schaukeln in der Morgenluft ums Schiff.
Vielleicht aufs Meer mein klopfend Herz die großen Vögel rief.
Die Adler möcht’ ich senden über Ozeane zur Brudschar
Mit meinem heißen Herzen hin zum deutschen Aar.
Will härter als die harten Meeressteine stehen
Und keinen Herzschlag spüren mehr,
– Sollt’ Deutschland untergehen.
(Makassar, 31. August 1914)
Im Bambus schaukeln rot und blaue Papageien,
Und glänzend in der lila Sonne wehen der Kokospalmen grüne Reihen.
Darunter gehen, bunt wie Edelsteine, die gelbgesichtigen Malaien.
Ich steh’ geblendet im perlmutterweißen Sand im Meergeruch, im freien,
Und seufze: "All die schnellen Südseefarben, sie können nicht das Trauerschwarz
In meinem Herzen überschreien."
(Makassar, 31. August 1914)
Die Sonne sank, das Land ward rot,
Bis alles Feuer in dem Meer ertrank.
Ein Dämmerstreifen blieb. Der Tag ist tot.
Der Tag, der hier an mir vorübergeht –
Spurlos wie Luft, die über Wasser weht –
Der Tag sagt morgens schon und winkt: "Komm, es ist spät.
Eil dich, die Heimat und die Liebste flehen."
Doch ach, die Sonne steigt und sinkt
Und läßt mich stehen.
(Makassar, 31. August 1914)
Ich landete bei Inseln heute, deren Wälder verdorrt;
Sonne hat die Wasser aufgesogen an jedem Ort.
Waldäste stehen grau und braun, blattleer im Licht.
Vergrämt, verarmt ist hier des Landes Angesicht.
Und so gequält wie jene Durstigen, die ohne Saft sich winden,
Kann auch mein Sinn jetzt früh und spät nicht Trost mehr finden.
(Soembawa, Sunda-Inseln, 2. September 1914)
Der Mond zieht hinterm Schiff einher,
Er wird des Abends Herr im Meer,
Begleitet Nacht um Nacht die Fahrt.
Ich hab’ ihm forschend nachgestarrt,
Ich fragte ihn: "Wohin so spät?"
– Auch er weiß nicht, wohin es geht
(Soembawa, 2. September 1914)
Mir war, ich hörte draußen am Kabinenfenster
Zur Nacht Hurrageschrei im Meer.
Es waren meines Herzens Kriegsgespenster,
Die zogen johlend in der Nacht umher.
Sie schlugen Schlachten um das Schiff im Wind.
Ach, wüßt’ ich, ob sie Sieger, ob Besiegte sind!
(Soerabaya, 6. September 1914)
Zu Land, im Meer und in der Luft
Stehn alle auf, mit uns zu ringen.
Doch ob ihr Tod und Teufel ruft, –
Heil, Deutschland ist nicht umzubringen.
Die deutsche Kraft, den deutschen Geist
Ihr nicht so leicht in Stücke reißt.
Ein ehrlich Volk mit gradem Sinn
Stiebt nicht in alle Winde hin.
Wir wollen es euch lohnen,
Daß ihr gar hoch uns eingeschätzt
Und rund in allen Zonen
Das Eisen heftig gen uns wetzt.
Wir wollen blutig danken,
Nicht vor dem Sturme wanken.
O, schönes Deutschland, bist es wert,
Die große Feindschaft hoch dich ehrt.
Gern stirbt für dich der letzte Mann!
Das Schicksal aber wird’s nicht wollen.
Seht euch die deutschen Wälder an,
Ob alle Eichen stürzen sollen.
Im Wald, im Meer und in der Luft
Soll manches deutsche Lied noch klingen.
Und ob ihr Tod und Teufel ruft, –
Heil, Deutschland ist nicht umzubringen.
Stampfe, Maschine, stampfe,
Jung-Deutschland zog zum Kampfe.
Kein Weib sah man da klagen,
Sie taten’s mutig tragen.
Stampfe, Maschine, stampfe,
Jung’Deutschland stand im Kampfe.
Nun Hüft’ an Hüfte liegen
Die Toten, die da siegen.
Stampfe, Maschine, stampfe,
Nacht ist es nach dem Kampfe,
Viel schnelle Bäche fluten,
Jung-Deutschland muß verbluten.
(An Bord vor Sumatra, 12. September 1914)
Hilf Gott, wie ich mich quäle!
Todstill wird meine Seele.
Ich weiß schon längst von Lust nichts mehr,
Nie war die Welt so erdenschwer.
Mein Herz zuckt schmerzend Stund’ um Stund’,
Nur Feinde, Feinde wandern rund.
(Medan, Sumatra, 15. September 1914)
Indiens Tannen aufrecht in der Nacht.
Und im Netzwerk ihrer Nadelzweige
Stehen alte Sterne jung entfacht.
Muß an meinem Fenster schauend bleiben
Und steh’ schweigend vor der Sterne Treiben,
Die ins Dunkel weite Wege schreiben. –
Und ich sah der großen Stille zu.
Sprach zu meiner Sorge: "Sorge, schweige!
Sieh, die Sterne wandern immer noch voll Ruh’."
(Lima Poeloe, 7. Oktober 1914)
Bis weit nach Asien zeigt das All
Des großen Krieges Widerhall.
Die Sonne geht mit blassem Leibe
Ums Atapdach.
Sie zeigt kaum noch die bange Scheibe,
Ihr Strahl ward schwach.
Versteckt im Dunst, bleibt sie verschwunden,
Der Mittag gleicht den Abendstunden.
Fern in Europa ging durch Blut
Ihr Strahl seit Tagen,
Nun fehlt zum Leuchten ihr der Mut.
Sie will nicht immer Licht nur tragen
Zum Töten und zum Wundenschlagen.
Sie macht den Weg tief grau verhüllt,
Bis daß der Friede sich erfüllt.
(Lima Poeloe, 18.Oktober 1914)
Wie bin ich verdammt zum Lesen hier,
Zum Kriegserleben auf Zeitungspapier,
Ich folge den Heeren nur zwischen den Zeilen,
Durchstampfe mit Buchstaben Schlachtfeld und Meilen,
Verliere, gewinne zu Land und Meer
Und wende das Zeitungsblatt hin und her.
Und doch fühl’ ich aller Verwundeten Schmerzen.
Die Kriegsnot wütet in meinem Herzen. –
Ich weiß nicht: legt’ ich das Blatt aus der Hand,
Oder flog’s vor mir auf in zornigem Brand?
(Lima Poeloe, 24. Oktober 1914)
Alle großen Berge wurden klein,
Nirgends ist ein Berg so schwer aus Stein
Als der Berg der Schmerzen und der Klagen,
Den die Menschen in der Kriegsnot tragen.
Nächte werden wilde Ewigkeit.
Nie war je so krasse Winterszeit.
Viel Verzweifelte ins Dunkel stieren,
Viele tausend Tote machen frieren.
Auch der Frieden brächt’ nicht Frieden her.
Siege wecken Tote nimmermehr.
Nur ein Tor spricht mir von frohen Siegen,
Nur ein Narr kann froh bei Gräbern liegen.
Grollend dacht’ ich’s, und der Regen fiel.
Und der Krieg trieb fort sein wütend Spiel.
Suchend mußt’ ich in die Wolken schauen,
Wo der Himmel weinte wie die Frauen.
Aber lebte nicht ein ewig Blau,
Ewig Sonnenlicht dort hinterm Grau?
Dieses kannte keine armen Toten,
Helle Helden ihren Gruß mir boten.
All die Tapfern sprachen auf mich ein:
"Sollen wir umsonst verblutet sein?
Deine Klagen wollen uns entwerten,
Uns, die wir den Gott der Tat verehrten.
Keiner stirbt, der für das Leben fällt,
Keiner, der gekämpft für seine Welt.
Und ihr sollt um uns nicht Klage tragen.
Um Verklärte nicht aus größten Tagen.
Größer als die Sorge ist die Kraft,
Die aus Totem Berge Leben schafft."
Danach sah ich sie, die hingegangen,
Höher als den Berg der Kriegsnot prangen.
(Tana Besih, Sumatra, 25. November 1914)
Sternenlose Nacht im Battakland,
Nur ein Blitz schießt auf am Erdenrand,
Zeigt die Berge mächtig, Wand bei Wand,
Mißt der toten Finsternisse Breite,
Reißt die Seele mir hinaus ins Weite,
So wie Blitz und Nacht, lieg’ ich mit dem Heimweh stumm im Streite.
(Brastagi, Sumatra, 9. Dezember 1914)
Wie oft sind wir im Osten hier erwacht,
Und jeder hat dann rasch bei sich gedacht:
Wo kämpft die "Emden" diesen Augenblick,
Und welches wird das Ende, das Geschick
Der Deutschen, die auf jenes Kriegsschiffs Planken
Eng Kameraden wurden den Gedanken?
Wir hörten nah des fernen Schiffes Rauschen.
Ein jeder Mann wollt’ mit den Männern tauschen,
Die dort als Wache standen auf dem Deck,
Stumm aufmerksam vom Bug bis an das Heck.
Wir lebten dicht am Bord die Taten mit.
Jed’ Herz fuhr auf der "Emden" hin und stritt.
Wie flog uns heilig heißes Feuer an,
Kam Kunde, was ein Schifflein wirken kann.
Als sie zum erstenmal fünf Boote nahm,
Die "Emden" leuchtend in die Brust uns kam.
Noch nachts der "Emden" Lichter uns umglühten.
Des Deutschen Wunsch war: Herr, wollst sie behüten!
Damit begann der Abenteuer Reigen.
Von da wir alle auf die "Emden" steigen.
Wir folgen ihr im dunkeln Weiterziehn
Wie Sonne, die auf blinden Nebel schien.
Bald hören wir in grauer Ferne Kampf,
Kanonenschüsse hinterm Nebeldampf.
Welch’ Mut doch diese tolle "Emden" hat!
Erst schießt das kleine Schiff auf eine Stadt,
Dann dringt’s verkappt in einen Hafen ein.
Die Herzen weiten sich, die vorher klein.
Man hört berauscht, wie unerhört sie handelt,
Die "Emden" wird zum Geisterschiff verwandelt.
Denn eh’ die Feinde zur Besinnung kamen,
Schoß sie ein russisch Panzerschiff zusammen.
Sie wird zum großen Grauen, kämpft und raucht
Gleich wie ein Spuk, aus Hirnen aufgetaucht.
Verfolgt, bohrt sie die Schiffe in den Grund,
Sie wird zum Wunder bald in aller Mund.
Sie nimmt sich nach dem Kampf auch noch die Zeit,
Setzt Boote aus und rettet hilfsbereit
Die, deren Schiff zur Tiefe hingerollt.
Der Feind bald selbst Bewunderung ihr zollt.
Man spricht von ihrer Mannschaft wie von Rittern.
Nur um ihr Ende aller Herzen zittern.
Nun sind es lange, stumme, stille Wochen.
Die Stunden kommen einförmig gekrochen.
Denn nun ist’s tot hier draußen auf dem Meer.
Der "Emden" Wrack kreist auf dem Meergrund leer.
Die Geister kehrten heim aus hoher Luft,
Die immer noch den Namen "Emden" ruft.
Man sagt, sie ist im braven Kampf verbrannt.
Man sagt, sie hat sich selbst aufs Riff gerannt.
Man sagt, man sagt, und nichts sagt jedes Wort.
In deutschen Herzen lebt die "Emden" fort.
In uns kämpft sie noch immer ohn’ Ermatten,
Erst mit uns stirbt der kleinen "Emden" Schatten.
(Brastagi, 11. Dezember 1914)
Daheim liegt jetzt Eis auf der Straße,
Die Krieger kauern im Schnee.
Hier steht die Rose im Grase
Wie tut ihre Schönheit mir weh.
Ich mag keine Rose hier sehen,
Daheim lauern Winter und Not.
Wie darf ich bei Rosen stillstehen?
Daheim blüht den Brüdern der Tod.
Daheim, wo die Schneeflocken fliegen,
Dorthin will ich schauen und warten.
Wenn meine Brüder dann siegen,
Wird mir die Seele zum Garten.
(Tandjong Morawa, Sumatra, 23. Dezember 1914)
Wohin hat mich ein Traum gebracht?
Weihnachten nennt ihr diese Nacht!
Ölpalmen stehen aufgeschlagen
Wie Säulen, die die Sterne tragen.
Und Wärme kommt aus jedem Baum
Der Mond hängt blumenhaft im Raum.
Die Luft durchbebt von Blütengasen,
Mein Fuß geht hin auf weichem Rasen.
Und wie ein Geist, dem Schwere fehlt,
Bestaunt mein Herz die Tropenwelt.
Die Orchideen dunkel liegen,
Umkreist von blanken Feuerfliegen.
Ich taste hin durch diese Nacht,
Vom Heer der Grillen laut bewacht.
Ich suche, kann mich selbst nicht finden
In dieser Weihenacht, der linden.
Ein Laut aus weiter Stille kam.
Mir zittern plötzlich Trotz und Gram.
Es fiel dort hinterm letzten Sterne
Schlag oder Schuß aus klarer Ferne, –
Es krachte nur ein Palmenblatt,
Das morsch zur Erde stürzen tat.
Ich aber höre mehr und schaue
Auf Felder hin, verschneite, rauhe,
Auf weiße Wege, eisig glatt.
Der Mond, umraucht, scheint hier nur matt,
Und große schwarze Flecken breiten
Im Schneefeld sich, im himmelweiten.
Das Blut der Brüder heiß hier floß.
Ein Sterbender liegt mir im Schoß.
Er haucht: "Ich melde mich zur Stelle,
Herr Leutnant!" – Und Todeshelle
Tritt auf die Stirn. Sein Aug’ erstarrt.
Sein Blick wird wie das Eisfeld hart.
Es ist nur Einer von den Tausend!
Mein Blut schlägt mir zur Schläfe brausend.
Ich fühl’ die Weihenacht vollendet,
Da so voll Pflicht ein Deutscher endet.
(Tandjong Morawa, 24. Dezember 1914)
Neunzehnhundertvierzehn, hast ausgekämpft,
Sie nennen dich laut, mancher gedämpft.
Manchem drückst du die Kehle eng.
Blutiges Jahr, wie warst du so streng!
Kinder, die einst zur Schule gehn,
Werden dich groß im Geschichtsbuche sehn.
Greise, die nachmals die "Vierzehn" nennen,
Werden dich blitzenden Auges noch kennen.
Ward je ein Jahr in die Erde begraben,
Wie du, Jahr voll schwarzer, gemästeter Raben!
Lachte eines so herrlich den Kühnen,
Wie du, dem noch winters die Lorbeeren grünen!
Drückst der "Fünfzehn" den fressenden Brand
Wild zum Willkomm in die Jugendhand.
Salven krachen zum letzten Gruß.
Tod mäht weiter beim Jahresschluß.
(Am Toba-Meer, Sumatra, 31. Dezember 1914)
Mutter Erde, deutsche Erde,
Gibst jetzt deinen Wäldern Kraft,
Machst, daß es jetzt Frühling werde.
Von den Birken tropft der Saft,
Alten Eichen springt die Rinde,
Und es blinkt der junge Trieb.
Unsere Feinde überwinde,
Deutscher Faust gib Trotz zum Hieb!
(Garoet, April 1915)
Es kämpfen nicht Waffen, nicht Pulver, nicht Erz,
Es kämpft das deutsche, das pflichtheiße Herz.
Es fliegt an die Grenzen, es schützt sich sein Land,
Es drängt sich zu opfern, es wurde zum Brand.
Wir wollen es segnen, besingen laut
Furchtlos dies Herz zur Zukunft schaut.
Dem deutschen Mann, dem deutschen Weib
Lebt um dies Herz kein banger Leib.
Eh’ ihr nicht beiden das Herz entreißt,
Zertretet ihr niemals den deutschen Geist.
Es siegen nicht Waffen, nicht Pulver, nicht Erz,
Es siegt das deutsche, das pflichtheiße Herz.
Das deutsche Herz ist stolz gefeit,
Es ist der Zucht und Pflicht geweiht.
Und fällt ein Mann, sein Herz, es lebt,
Aus jedem Deutschen sich’s neu erhebt.
Das deutsche Herz, der deutsche Geist,
Sie sind unsterblich zusammengeschweißt.
Sie sind die Frucht der deutschen Erd’,
Sie sind geboren am deutschen Herd.
Es kämpfen nicht Waffen, nicht Pulver, nicht Erz,
Es kämpft das deutsche, das pflichtheiße Herz.
(Garoet, April 1915)
Sie sparen sich das Brot vom Munde
Und fügen gern sich in Geduld.
Und wächst die Sorge jede Stunde,
Sie ändern nicht den Blick der Huld.
Sie, die ihr Liebstes fern verloren,
Sie zeigen ihre Tränen nicht.
Sie wandeln nicht in schwarzen Floren,
Nur blasser wird ihr ernst Gesicht.
Sie stillen Blut der fremden Wunden
Und leugnen stumm die eignen fort.
Sie stehn bei fremden Sterbestunden
Und trösten sanft mit Tat und Wort.
Herr, sieh die Heldinnen! Und kröne
Mit Sieg mein Volk, dem solche Frauen,
Stark, wie im Feld die braven Söhne,
Voll Mut und Zucht zur Zukunft schauen.
(Garoet, April 1915)
Das erste Gras am Wege fragt
Die junge Frau im Gartenwind:
"Kaum daß mein Halm zu grünen wagt,
Weil deine Augen glanzlos sind.
Fühlst du denn nicht die Frühlingsnacht?
Spricht nicht der junge Mond zu dir?
Dein Mund nicht wie im Vorjahr lacht,
Da gingst du mit dem Liebsten hier.
Warum kommt er nicht her zur Bank
Und legt den treuen Arm um dich,
Wie immer, wenn die Sonne sank?
Du bleibst so ernst, – ich fürchte mich" . . .
(Garoet, April 1915)
Zu Hause schmolz der Schnee vom Dach
Und munter sprudelt schon der Bach,
Er ward mit Leib und Seele wach.
Leicht hüpft er wie das Nachbarskind,
Und beide singen in den Wind.
– Ich weine mir die Augen blind.
Die Heimat, ach, o Wanderstab,
Die Heimat ich verloren hab.
– Die Fremde ist ein Grab.
(Garoet, April 1915)
In der Frühe am Altangeländer,
Ehe die Sonne noch aufgegangen
Und die gelbglitzernden Wolkenränder
An den rauchenden Bergketten hangen,
Frage ich stumm: Wann kommt das Wort "Friede",
Wie dort der Strahl aus dem Morgengrauen,
Dem Aug’ zur Freude, dem Ohr zum Liede,
Und dem Blut zu neuem Vertrauen?
Frage: Wann lernt der Geist wieder fliegen
Leicht in Gedanken, sorglos im Hoffen,
Wie sich Vögel im Götterbaum wiegen,
Wie der Garten der Frühsonne offen?
Steine klappern mit lebhaftem Schalle,
Munter springt dort der Rappe zum Grasen,
Rollernd flattern Truthennen vom Stalle,
Freigelassen zum tauigen Rasen.
Drüben beim Nachbarn lernt laut ein Knabe
Aus dem Koran die tausendste Sure;
In den Palmen jagt krächzend ein Rabe
Und überschreit der Tauben Gegurre.
Frisch in das Weltall klingt lautes Leben,
Harmlos wachsend zur Höhe der Stunden.
Ich nur stehe beklommen daneben,
An die Frage: Wer siegt? stumm gebunden.
Augen und Ohren zur Ferne lauschen,
Höre des Krieges Blutbäche rauschen,
Sehe rundum den Frühling aufgehen,
Eifriges Blühen im Kampf ums Bestehen.
Es streiten wie Menschen die schwachen Blumen
Um den Besitz ihrer Ackerkrumen.
(Garoet, 20. April 1915)
Ein Palmbaum, höher als ein Vogelschrei,
Stellt eine Fächerkrone rund und frei
Gleich wie ein Federspiel vor Wolken hin,
Die dort den Feuerberg wie Schnee umziehn.
Ein Schmetterling, stumm, trauerschwarz und groß,
Entstieg aus eines Mandelbaumes Schoß.
Er kommt zu mir herein ins offne Haus
Und füllt es wie mit dunkler Botschaft aus.
Mein Blick vor Palmen, Wolken und Vulkan
Wird innerlich, seh’ ich den Falter an.
Vom großen Krieg ein Schatten mich umfliegt,
Vielleicht ein tapfrer Freund verwundet liegt.
Vielleicht von einem Schlachtfeld, grimmig rot,
Grüßt mich der düstre Schmetterling vom Tod.
Im Zucken seiner Flügel winkt ein Gruß
Von einer Seele, die sich trennen muß.
(Garoet, 23. April 1915)
Immer gurren eingesperrte Tauben
Drüben in den Hütten der Javanen,
Aus den Käfigen an den Altanen.
Immer seh’ ich über grünen Lauben
Der Javanenkinder Drachen fliegen,
Die sich wie papierne Vögel wiegen.
Immer rauscht’s im Reisfeld von den Bächen,
Die da schläfrig vor der Türe sprechen,
Und ich möchte nur an Frieden glauben.
Immer muß ich mir den Frieden rauben,
Muß im Geist zu meinen Brüdern stehen,
Die mit Bajonett und Kugel mähen.
(Garoet, April 1915)
Die Sonne wollte nicht untergehen,
Die hohe, sie wollte heut Helden sehen.
Es kämpft das Geschwader des Grafen Spee, –
Granaten brummen und krachen und heulen.
Und aufrecht stehen des Salzwassers Säulen,
Weiß ragt der Gischt aus runder See.
Die Treffer schlagen wie eiserne Keulen
Ins Admiralschiff, das neigt sich nach Lee.
Die Sonne wollte nicht untergehen,
Die hohe, sie wollte heut Helden sehen.
Noch einmal die deutsche Flagge blinkt,
Und alle Mann stramm an den Geschützen,
Und alle schwenken mit Hurra die Mützen.
Der Graf auf der Brücke den Söhnen winkt,
Die, wie im Sieg einst, im Tod ihn stützen.
Sein Schiff, es feuert noch, als es sinkt,
Schon halb unterm Wasser die Mündungen blitzen,
Schon halb unterm Wasser der Ruf noch erklingt:
"Hoch Deutschland, Deutschland; Gott, magst es schützen!"
O Sonne, konntest stolz untergehen,
Hast als Helden der See Jung-Deutschland gesehen!
(Garoet, 29. April 1915)
Die Vöglein, die aus den Bäumen dort locken,
Die fragte ich jüngst: "Wann wird es Friede?
Wie lange muß mir mein Herzblut noch stocken?
Jetzt komme ich nur zur Liebsten im Liede.
Ach, Vöglein, sagt es mir armem Verbannten,
Wie lang’ muß ich hier die Stunden noch dehnen?
Ach, Liebste, ich gleiche jetzt einem Entmannten,
Ich koste nie Liebe, erleide nur Sehnen.
Sagt, mich zu trösten, darf ich bald reisen?
Schickt, wenn der Friede nahe, der klare,
Winkende Schmetterlinge, die weisen,
Schickt sie, daß ich’s als Hoffnung erfahre!"
Bald nach der Frage sah ich mit Staunen,
Wie um das Laub weiße Falter erschienen.
Sind sie der Landschaft spielende Launen?
Oder wollen als Zeichen sie dienen?
(Garoet, 30. April 1915)
Seht dort die Reihen Kreuze stehen,
Gleich einem Pilgerzug zu sehen
Am Himmelsrand ohn’ Ende.
Seht um die Kreuze Primeln blühen,
Die Gräber frohen Mutes glühen
Und lächeln im Gelände.
Die Toten aus den Feldern winken:
"Laßt nicht den Mut zum Kampfe sinken!
Wir reichen euch die Hände."
(Garoet, April 1915)
Es springen Ziegen am Straßenrand,
Und Bauern, die Reisbündel in der Hand,
Ziehn unter Mandelbäumen hin.
Der Tag hat sonnigen Arbeitssinn.
Es hocken Verkäuferinnen am Weg
Mit Käufern, versunken in Handelsgespräch.
Und Bambus schattet mit hohem Strauß,
Und Käfige schaukeln am Strohmattenhaus,
Und Kinder Spielen am Treppenstein.
Vom nahen Reisfeld glänzt Spiegelschein
Des Wassers, das um die Reisähre steht.
Und eine Kokospalme weht
Und winkt ins blaue Licht hinaus.
Sie alle sind warm und wohl zu Haus.
Nur ich schau’ zu mit fremdem Blick
Und trage die Fremde als Stein im Genick.
(Garoet, 16. Mai 1915)
Es kämpfen nicht nur Mann gen Mann
Zu Fuß und hoch zu Pferde,
Die Sonne es dir sagen kann:
Es kämpft der Geist der Erde.
Ich saß zur Ruh’ bei einem Baum,
Der hielt die Luft umschlungen,
Die Sonne kam zum Blättersaum
Und hat mir’s zugesungen.
Zu meinen Füßen glänzte Gras
Blank wie der Pferde Mähnen,
Es war vom scharfen Tau noch naß
Wie ein Gesicht voll Tränen.
Es kämpft der deutschen Erde Geist,
Er will die Völker führen,
Viel Blut aus tausend Wunden schweißt,
Der Grashalm muß es spüren.
Sah dann im jungen Morgenblau
Hell eine Taube fliegen,
Ihr Lichtbild spiegelte im Tau.
Heiliger Geist, hilf siegen!
(Garoet, 17. Mai 1915)
Ein großer Regen hastig fällt.
Es regnet Tränen. Es weinen
Die Toten meiner Heimatwelt,
Die sich um mich vereinen.
Es gischt der Regen, und es schallt,
Und fliegende Blitze scheinen,
Und Donnergehämmer im Berg verhallt,
Der Regen springt zu den Steinen.
O großer Regen, o stehe still.
Halt ein, o großes Weinen!
Der Tob das große Leben will,
Und nie die beiden sich einen.
(Garoet, 18. Mai 1915)
War doch, solang’ die Erde steht,
Den Menschen nie die Zeit so heiß.
Des Krieges tolle Flamme weht,
Der Tag ist rot, der Tag war weiß.
War doch, solang’ die Erde grünt,
Kein Kampf so männerstolz im Gang,
Kein Dichter hat sich je erkühnt,
Zu träumen solchen Eisensang.
War doch, solang’ die Erde denkt,
Kein Tod so sehr voll Lebensbrand.
Kein Mann hat je solch Macht verschenkt,
Wie der heut fällt fürs Vaterland.
(Garoet, 26. Mai 1915)
Ein wolkenschwerer enger Tag,
Wie ich ihn in der Heimat mag,
Liegt über Reisfeld und Vulkan.
Der Morgen sieht sich dunkel an.
Und der Mimosenbäume Zeile
Windstill am Wege. Und ich teile
Den Ernst der Straße, die gebleicht
Wunschlos in graue Fernen reicht.
Und lautlos, wie nur Vögel fliehen,
Javanen durch die Felder ziehen.
Sie eilen wie Gedanken fort
Und grüßen nur mit Flüsterwort.
Lautlos zu sein, ist ihr Behagen.
So still; man hört die Wolken fragen:
Wo will der Weg der Menschen hin?
Wunschlosigkeit gibt frommen Sinn.
(Garoet, 13. Mai 1915)
Das Auto rattert laut bergan,
Und Bambus dunkelt mir die Straße.
Ein Hähnlein kaum noch fliehen kann.
Ein Kopf guckt aus dem Strohgelasse,
Der Sundanese staunt uns an.
Im Reisfeldwasser Frauen stehn,
Und junge Brüste fromm sich runden.
Die Mütter nur ihr Kindlein sehn,
Im Liebesurwald nackt gefunden.
Es kommen Dörfer und vergehn.
Der Wagen, lautlos, sinkt zum Tal.
Im Abgrund rollt mit schroffem Gruße
Hin durch der roten Erde Saal
Der Leib von einem Urwaldflusse.
Der Weg zum Tode ist hier schmal.
Der Wagen überholt den Schaum,
Der rund um Lavablöcke flutet.
Knapp streift er hin am Felsensaum.
Manchmal die Hupe heulend tutet,
Dann hallt der Täler grüner Raum.
Das Urwaldkraut das Stahltier kennt,
Das donnernd kommt und, schnell verschwunden,
Laut rasselnd um die Hänge rennt,
Und das die Eile hier erfunden,
Wo Ruhe nie die Eile nennt.
Die Blüten vom Trompetenstrauch,
Baumfarren, alle, sie erschrecken,
Kommt knatternd der metallne Bauch
Des Tieres durch die Teestrauchstrecken
Zum Baumvolk, schwälend Gift und Rauch.
Die Urwaldblöcke nie begreifen das Ziel.
Sie wissen nichts von Menschenlaunen.
Bei steifer Blätter altem Spiel,
Bei alten Sprüchen, die sie raunen,
Ist ihnen Eile viel zu viel.
Die Urwaldseele schläft auf Daunen.
(Garoet, 1. Juni 1915)
Der Kokospalmen Federblätter in dem Wind,
Die sträuben sich. Die Mandelbäume rauschend sind.
Und Pisangschäfte schaukeln sich erregt,
Die Lauben alle sind schreckhaft bewegt.
Ich sehe über das Geländer weit hinaus
Von meinem Altan in dem offnen Haus.
Der Wind, gleich einem Boten, tritt heran,
Ich höre Worte, die er wecken kann.
Es spricht dort aus den Lauben, laut und leis,
Gar mancher, den ich bei den Toten weiß.
Es ruft vom großen Wolkenhintergrunde
Die Sehnsucht, und es braust der Bäume Runde.
Und sitze ich so lauschend vor dem All,
So spricht die Welt mit meinem eignen Munde.
Der eine ist des andern Widerhall.
(Garoet, 1. Juni 1915)
O Krieg, wie lange willst du noch
Des Tages wüster König sein?
Die Sonne ward vor dir längst klein,
Der Himmel niedrig, der einst hoch.
O Krieg, nährt dich doch nicht genug
Das reiche arme Menschenblut,
Der Männer eisigblinder Mut,
Der Toten ungezählter Zug?
O Krieg, wie lange lauschst du schon
Dem Schrei der Wunden, die du schlägst?
Die Stirn ist schlaflos, die du trägst,
Und nur aus Trümmern ragt dein Tun.
Krieg, deiner Krone roter Schein
Bringt vielen ein unsterblich Glück!
Auf Helden siehst du starr zurück,
Und Namen hallt dein Herz aus Stein.
O Krieg, dein wahnhaft Heldentum
Läßt wenig Lebenslicht entstehn,
Die Völker blutleer untergehn,
Die sich berauscht an deinem Ruhm.
Da draußen liegt der Sonnenschein,
Drückt er denn nicht die Blätter tot?
Mich zwingt er nur zum Traurigsein,
Mir spricht er nur von Krieg und Not.
Da draußen ewig Himmelsblau.
Doch mir wird längst kein Tag mehr hell.
Um mich ist’s stündlich kummergrau,
Mein Leid rückt nicht von seiner Stell’.
Man hungert meine Heimat aus,
Man tötet deutsches junges Blut
Und hält mich fern von Weib und Haus.
Wer krankt da nicht an stiller Wut?
(Garoet, Juni 1915)
Ach, gestern schossen sie hier voll Wut.
Die Bäume stehen bespritzt mit Blut.
Was tun sie heute? Was tun sie dort?
Sie gehen im Gras umher ohne Wort,
Den Helm im Nacken, sie stehen gebückt,
Soldat bei Soldat heut Blumen pflückt.
Heut grub man den töpferen Toten das Grab,
Heut senkt man sie blumengeschmückt hinab.
Nicht eine Hand heut ans Töten denkt.
Sie sind ins Blumenpflücken versenkt.
Der Fluß geht vor sichte voll, nicht hart,
Und Wiesenhalme umwehen den Bart.
Sie pflücken alle. Sanft pflückt die Hand,
Die gestern nur Zeit zum Töten fand.
Und bald vielleicht liegt still und Starr
Dieselbe Hand in der Blumenschar.
(Garoet 1915)
Wie ich mich schäme, wenn ich mich labe,
Daß ich täglich mein Essen habe.
Wie ich mich schäme des Bettes, der Kissen,
Und meine Brüder im Schneefeld zu wissen,
Die da im Laufgraben brechen ihr Brot,
Zur Seite den kältesten Freund – den Tod.
Wie ich mich schäme der tatlosen Hände,
Die ich nur falten kann täglich ohn’ Ende,
Den Himmel droben um Segen zu flehen,
Segen für sie, die im Feuer heut stehen,
Schäme mich meiner Atemlust,
Schäm’ mich im Schlafe noch unbewußt.
Schäme mich blind vor den Sonnentagen,
Die da glänzen, nicht Kummer tragen,
Sehn’ mich nach Nebel, nach grauem Regen,
Darin die Tage sich trauernd bewegen.
Schäme mich stündlich und trage Gram,
Bald erstick ich an dieser Scham.
(Garoet 1915)
Wie Berge einsam bin ich. Möchte klagen.
Muß täglich, stündlich in die Leere fragen.
Reisvöglein hat es gut dort im Geäst,
Das ab und zu fliegt zu der Brut im Nest.
Der Leute Schritte in der Bäume Schatten,
Die vor dem Haus hinwandern ohn’ Ermatten,
Sie wissen still und stet ihr täglich Ziel.
Doch Ungewißheit treibt mit mir ihr Spiel.
Die Hahnenschreie, die vom Zaun herschallen,
Hell heimatlich im Ohr mir widerhallen.
Ein Rechen vor der Tür scharrt hin und her, –
Einfachste Laute, von Erinnerung schwer.
Doch Krieg verhüllt mit grauer Luft die Ferne.
Vergeblich such’ ich nach der Heimat Sterne.
Kein Frieden zieht mir in die bange Brust.
Nie hat mein Blut von solcher Qual gewußt.
(Garoet, 1915)
Wage kaum zu atmen mehr,
Rundum geht der Tod einher,
Viele Schwellen bleiben leer.
Viele Augen schlossen sich,
Jedes ward ein dunkler Strich,
Als das Lächeln bleich entwich.
Schwere Wolken ziehen hin,
Mancher dort ich ähnlich bin,
Hängen ernste Schatten drin.
(Garoet, 1915)
O Brust, gäbst du den Atem her,
Du hebst doch nicht das bange Meer,
Darauf sich schwer mein Heimweh wiegt.
Zu Hause sind die Städte leer,
Und viele deckt die Erde schwer.
Die Jugend gibt ihr Blut und siegt.
Die Luft voll toter Helden fliegt.
O Brust, ich weiß es bald nicht mehr,
Ob Deutschland noch auf Erden liegt.
(Garoet 1915)
Wollt’ so gern es tragen,
Wollte nicht verzagen,
Was es mir auch bringt.
Könnt’ ich euch nur nützen,
Könnt’ ich euch nur schützen,
Euch, die ihr dort ringt.
Ach, so fern ich lebe!
Gar nichts ich euch gebe
Als der Treue Gut.
Und ihr dort zu Hause
Steht im Stahlgebrause.
Opfert Kraft und Blut.
Sieg schlägt euch zu Rittern!
Muß ich nicht erbittern,
Weil ich nicht dabei?
Kann ich’s je verwinden
Wenn wir je uns finden?
Nie schweigt mir der Schrei.
(Garoet, 3. Februar 1916)
Und kämen die Dichter wieder
Die je auf Erden gesungen,
Zu bringen heut neue Lieder
In allen den Völkerzungen, –
Sie hätten nicht genug Töne,
Zu singen vom Mut der Heere,
Der dem Tod geweihten Söhne,
Die fielen im Feld der Ehre.
Schlug man die Wälder auf Erden
Daß Ehrentempel und Hallen
Den Heeren der Helden werben,
Die vor den Feinden gefallen, –
Das Holz, das würde nicht reichen
Ein würdiges Haus zu richten,
Nicht alle Wälder der Eichen.
Nicht alle Wälder der Fichten.
Was können wir opfern ihnen
Die frisch ihr Blut hingegeben?
Zum Dank, den diese verdienen,
Dazu reicht nicht unser Leben.
Die Menschheit hat es geduldet.
Kann sie den Dank jemals zahlen?
Die Menschheit bleibt tief verschuldet
Dem letzten Mann, der gefallen.
(Malang, 23. Sept. 1916)
"Wir sind die Vögel vom Niemandsland".
Ich ging am Meer, das lag da frei.
Da jagten Vogelscharen vorbei,
Und deutlich ich ihren Schrei verstand.
"Wir sind die Vögel vom Niemandsland.
Die Erde dort ist vom Tode blind.
Dort lebt kein Haus und lebt kein Gesind.
Wir lernten fressen aus Leichenhand.
Wir sind die Vögel vom Niemandsland,
Wo Wolken Eisen wild niedergehn.
Wo rund sich die Lüfte brüllend drehn,
Im Granatenloch das Nest uns stand.
Wir sind die Vögel vom Niemandsland.
Wo nur Männer sterben, Männer blühn,
Wo des Nachts noch die Geschosse glühn,
Aufflogen wir im Raketenbrand.
Wir sind die Vögel vom Niemandsland.
Dort ist der Tod der Tageslohn,
Singt die Kanone dem Leben Hohn.
Wir löschen den Durst beim Blut im Sand.
Wir sind die Vögel vom Niemandsland
Kein Baumzweig hat uns jemals gewiegt
Weil jeder Baum dort in Splittern liegt.
Wir fanden nur Schutz im Unterstand.
Wir sind die Vögel vom Niemandsland,
Wir sangen dem Manne am Brustwall zu,
Doch mehr als Lieder gab Helden Ruh
Die singende Kugel am Grabenrand.
Wir sind die Vögel vom Niemandsland.
Dort bei des Trommelfeuers Gedröhn,
Dort singt es sich gar so wunderschön,
Der Sterbende dankt, uns zugewandt.
Der Krieg weicht nicht, bis den Mann man fand,
Den Mann, vor dem den Zärtlingen graut."
Verschwindend riefen die Vögel laut:
"Wir suchen den Herrn vom Niemandsland."
(Malang, 16. November 1916)
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