1cast schrieb:Und was wollen die damit bezwecken ?
Das ist hier die Frage. Als Strafverteidiger ist es natürlich so, dass ich die Aufgabe habe, die Staatsanwaltschaft zu zwingen, ihre Vorwürfe hieb und stichfest zu beweisen. Da ist einmal die Tattheorie, also wo es darum geht, ob mein Mandant der Täter ist oder nicht, und, wenn das geklärt ist, ist da die Schuldfrage: ob mein Mandant im juristischen Sinn schuldig ist oder nicht oder nur vermindert usw.
Ich darf und muss schon versuchen, die Behauptungen der Staatsanwaltschaft anzuzweifeln, zu widerlegen, und so weiter, mit den üblichen erlaubten Mitteln - und nein, alles ist da nicht erlaubt, aber Vieles. Das Gericht hat die Aufgabe, die Grenzen aufzuzeigen und durchzusetzen.
Und nun kann ich freilich alles mögliche versuchen, aber z.B. vor Gericht die Theorie felsenfest zu vertreten, das Opfer wurde durch Marsmenschen, die sich auf ihrem Flug mit ihrem Raumschiff vom Mars zum Planeten Beta Zentauro im Sternennebel JHGF4 verirrt hatten und versehentlich auf der Erde landeten, umgebracht - diese Theorie wird mir das Gericht kaum abnehmen und ich werde meine Glaubwürdigkeit, die als Anwalt sehr wichtig ist, in die Tonne treten. Das ist also keine sinnvolle Strategie.
Ich muss mir also meine Verteidigungsstrategie überlegen, und dabei unterscheiden, was glaubwürdig ist und was nicht, was relevant ist und was nicht, was das Gericht eher erzürnen wird oder nicht usw. Und das mit meinem Mandanten absprechen.
Ich habe z.B. einmal einen Mandanten gehabt, der mir und dem Gericht erzählen wollte, er sei von der Mafia entführt worden, habe bei grauenhaften Morden zusehen müssen und sei dann von der Mafia wieder in Freiheit entlassen worden.
Ich hab ihm gesagt, das ist so hanebüchen, das solle er sich noch mal gut überlegen. Meine Assistentin stellte dann fest, dass die Geschichte fast genau einem Kinofilm entsprach, der kürzlich zu sehen war. Bis in die Einzelheiten.
Nun, diese story haben wir dem Gericht niemals aufgetischt. Er hat eingesehen, dass es keine gute Idee ist, die Intelligenz der Richter zu beleidigen. Aber manche Leute kommen auf Gedanken.
Hier nun ist die Frage berechtigt, was soll die Behauptung, Maria habe Cannabis konsumiert, bezwecken? Darstellen, dass sie an einer Über- oder Mischdosis zufällig in jener Nacht verstorben sei?
Ich bin zwar nur ein Jurist und kein Mediziner, aber die Sache erscheint mir ebenfalls recht hanebüchen. Und wenn ich dann auch nur "mal" Cannabiskonsum nachweisen kann, nicht aber Konsum in jener Nacht, dann wird es noch dünner. Denn die Theorie der Staatsanwaltschaft erscheint mir, bei den Kenntnissen von der Verhandlung, die ich aus der Presse habe, doch glaubwürdiger.
Muss ich dann mit diesen Dingen in die Verhandlung marschieren? Das ist die Frage, die ich mir und dem Mandanten stellen muss. Und wenn wir meinen, ich muss, dann darf ich aber nicht überrascht sein, wenn das Gericht die Augenbrauen hochzieht und sich denkt: was soll diese Nebelkerze jetzt noch?
Viele Juristen, ich auch, sind der Meinung Strafverteidigung ist keine Wissenschaft sondern eine Kunst. Vieles ist da erlaubt, aber nicht jeder muss von allen Ausdrucksmöglichkeiten künstlerischer Freiheit überzeugt sein oder sie ausleben.
emz schrieb:Denn da haben wir immer noch diesen Spaten. Der allein schon dürfte reichen, ihm die Tat nachzuweisen.
Nein, das Thema ist gegessen, er hat ja zugegeben, die Leiche vergraben zu haben. Was noch in Frage steht, ist ob er Maria ermordet hat. Dazu sagt der Spaten nicht direkt etwas aus. Das ganze Geschehen jedoch weist durchaus in eine bestimmte Richtung. Meiner Meinung nach hat das Gericht dazu bereits eine Meinung.
Was ich in meiner Karriere schon früh gelernt habe, ist realistisch zu sehen, wann ich das Spiel nicht gewinnen kann. Professionelle Schachspieler geben dann auf, anstatt noch drei oder vier Züge weiterzuspielen um das unvermeidliche Schach-Matt nur hinauszuzögern. Das ist eben meine Persönlichkeit. Andere mögen das anders sehen.