@Petra--Das Berufungsgericht hat an keiner Stelle gesagt, dass Debra unschuldig ist oder dass eine Unschuldsvermutung gilt. Obwohl es die ganzen Ungereimtheiten in diesem Fall aufgezählt und auch die Verantwortlichen hierfür scharf kritisiert hat, hat es rein rechtlich gesehen lediglich das Urteil der ersten Instanz aufgehoben und den Fall an die Staatsanwaltschaft von Maricopa County zurückverwiesen, der es dann oblag zu entscheiden, erneut Anklage zu erheben oder das Verfahren einzustellen.
Der lange Aufschub ist aber doch von beiden Parteien, Anklage wie Verteidigung, bestätigt und sogar gefordert worden. Montgomery hatte auf die Frage, wie viel Zeit er benötige, um den Prozess sicher vorzubereiten, mit ein bis zwei Jahren geantwortet. Zur gleichen Frage gab Kimerer dann als Antwort, dass das ok sei, er könne aber auch mit ein bis anderthalb Jahren gut leben. Erst daraufhin hat die Richterin dann den Februar 2015 ins Spiel gebracht und sich nochmals von beiden Parteien bestätigen lassen, ob ihnen dies Recht sei. Beide Seiten haben dies dann bestätigt, woraufhin der Starttermin für den Prozess spätestens am 02.02.2015 nun verbindlich geworden ist.
Es ist richtig, dass die Richterin selbst auf das Thema der Prozessverschiebung zu sprechen kam. Allerdings hatte auch die Verteidigung in früheren Anhörungen zur gesetzten Frist am 07. Oktober erklärt, dass sie bereit stünde, es aber wünschenswert wäre, wenn auch sie mehr Zeit zur Verfügung hätte. Rosa Mroz wird dies entsprechend zur Kenntnis genommen haben und hat sich somit an beide Seiten gleichermaßen gewandt, als sie das Thema ansprach. Wenn sich die Verteidigung an die Beschränkung hält, weniger mit der Presse zu kommunizieren, werden wir vielleicht in nächster Zeit auch nicht erfahren, was der Hintergrund hierfür war.
Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass es etwas mit einer möglichen Inanspruchnahme des Staates Arizona zu tun hat. Das ist aber natürlich auch nur spekulativ. Wieso ich auf diesen Gedanken komme? Nun, Arizona gehört mit einigen wenigen anderen Staaten zu den US-Staaten, in denen es keine Regelung für einen Justizirrtum und somit zu Unrecht erlittenes Leid gibt. Das bedeutet für den Betroffenen, dass er seine Ansprüche in einem Zivilverfahren einklagen muss. Wie ich schon mal erwähnte, sind solche Verfahren meist dann erfolgreich, wenn in einem erneuten Prozess ein Freispruch erzielt wurde oder aber die Anklage so in die Enge gedrängt wird, dass sie das Verfahren einstellt bzw. einstellen muss. Wie gesagt, die Verteidigung hatte schon vorher gegenüber der Richterin (und sei es nur nebenbei) erwähnt, dass etwas mehr Zeit wünschenswert wäre. Ich glaube, es wäre schlecht gewesen, wenn die Verteidigung jetzt bei der Anhörung am 23.09. auf die Frage der Richterin nach Verschiebung geantwortet hätte, dass dies alles nicht so gemeint gewesen sei, und angefangen hätte herum zu argumentieren. Sehr glaubwürdig käme das bestimmt nicht rüber. Fazit: Vermutlich (reine Spekulation meinerseits!) hätte die Richterin, wenn es nicht zu einer Übereinkunft bzgl. eines neuen, späteren Prozesstermins gekommen wäre, in das Protokoll aufnehmen lassen, dass beide Seiten nicht bereit gewesen wären, den Prozess am 07. Oktober aufzunehmen und zu führen (der 07. Oktober, auch das hat die Richterin ja nochmals gesagt, war in der Tat verbindlich!). Durch ein solch abschließendes Statement des Gerichts im Abschlussdokument allerdings wären die Chancen auf einen Entschädigungsanspruch bei einem Zivilgericht später wohl eher gering, es gibt da Beispiele aus anderen Staaten. Ich könnte mir vorstellen, dass die Anwälte und Debbie zusammengesessen und diesen Sachverhalt ebenfalls erörtert haben. Kurzum: Debbie wäre nach dem 07. Oktober freizulassen gewesen (auch dafür gibt es in anderen Staaten Beispiele, dass dies tatsächlich so ist), alle Ansprüche an den Staat sowie auch Klagemöglichkeiten gegen Saldate und Co. aber erloschen. Demgegenüber steht die Wahl, der Terminverschiebung zuzustimmen und sich alle Möglichkeiten offen zu halten, wobei die Aussichten auf Erfolg als „durchweg gut“ zu bewerten sind angesichts der sehr wahrscheinlichen Nicht-Zulassung des Geständnisses, der folgenden Anträge, die die Verteidigung jetzt einbringen wird, und – wenn es denn zum Äußersten käme – auch in einem Prozess. Es ist klar, dass es hier um eine Entschädigung in mehrfacher Millionenhöhe geht, da mehrere Sachverhalte entschädigt werden müssen (nicht nur der Aufenthalt im Gefängnis, sondern auch die genommene Trauermöglichkeit um den Sohn, die genommene Möglichkeit, nochmals ein Kind zu bekommen und noch andere mehr). Wie gesagt, alles Spekulation meinerseits; es mag diese Hintergedanken gegeben haben, vielleicht ist aber auch alles ganz anders.
LG, Jörg