Hab auch noch was gefunden (leider bin ich zeitlich immer recht eingegrenzt, daher schleppt das etwas)
Fall Trudel Ulmen
Ehemann schilderte, wie ihn seine Tat und Lügen quälten
Von Rita Klein
BONN. Als der Angeklagte in Handschellen in den Schwurgerichtssaal gebracht wird, steht er im Blitzlichtgewitter der Fotografen. Das Medieninteresse ist groß an diesem Fall und an dem Mann, der seine Frau Gertrude, genannt Trudel, Ulmen am 20. März 1996 im ehelichen Haus in Rheinbach im Streit tötete und 16 Jahre lang erfolgreich die Rolle des verlassenen Ehemanns spielte.
So hat Gerichtszeichner Martin Burkhardt den ersten Prozesstag gesehen. Rechts im Bild sitzt der Angeklagte neben seinem Verteidiger Martin Kretschmer.
Ein Fall, der von der Polizei 16 Jahre lang nicht als Fall erkannt wurde, weil die sich damals mit der Erklärung des Angeklagten zufrieden gab, seine Frau sei mit einem anderen Mann durchgebrannt. Alle Blicke sind auf den heute 57-Jährigen gerichtet, und auch sein Schwager Thomas Lenerz, Trudel Ulmens Bruder, lässt ihn nicht aus den Augen.
Lenerz nimmt stellvertretend für die Familie als Nebenkläger an dem Prozess teil gegen den Schwager, der sie mit seinen Lügengeschichten glauben machte, die Schwester wolle keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie. Äußerlich ruhig sitzt Thomas Lenerz im Beistand seiner Anwältin Gudrun Roth nun dem Mann gegenüber, der ihnen das antat. Und der Bruder bewahrt auch die Fassung, als der Angeklagte auf Aufforderung von Schwurgerichtsvorsitzendem Josef Janßen beginnt, seine Geschichte zu erzählen.
GA-Reporter Wolfgang Kaes musste in den Zeugenstand
Ehemann: "Ich hätte das nicht machen dürfen"
Denn die ersten Stunden eines Strafprozesses gehören wie immer dem Angeklagten, er kann schweigen oder reden, er kann die Wahrheit sagen oder lügen. Der 57-Jährige will reden, und glaubt man ihm, so will er das schon lange. "Das war all die Jahre das Schlimmste, so lügen zu müssen, ich konnte die Last nicht mehr tragen", erklärt er. Es habe raus gewollt. Dafür habe er aber am 16. April nach seiner Festnahme bei der Polizei lange gebraucht, stellt Richter Janßen fest.
Was führte dazu, dass er seine Frau überhaupt tötete, will das Gericht wissen. Der Angeklagte schildert, wie er Trudel, seine erste Liebe, 1976 heiratete und man eine "sehr, sehr gute Ehe" geführt habe. Nicht nur nach außen. Alles hätten sie zusammen gemacht, auch beruflich.
Geändert habe sich das, als Trudel in eine Gymnastikgruppe eingetreten sei. Nach einem Ausflug 1991 mit der Gruppe habe plötzlich ständig ein Mann angerufen und sie mit Anrufen terrorisiert. Trudel habe gestanden, ihn mit diesem Mann aus Asbach betrogen zu haben. Der Mann sei zum Stalker geworden, habe Trudel verfolgt und tätlich angegriffen, selbst nach einem gerichtlich erwirkten Kontaktverbot.
Er aber habe Trudel verziehen. Warum er trotzdem mit einer Rheinbacherin 1992 eine Beziehung anfing, wird er gefragt. Vielleicht um es Trudel heimzuzahlen, meint er. Richter Janßen hält ihm vor, dass dieses Heimzahlen aber lange, nämlich zwei Jahre, gedauert habe. Auch später habe er noch Kontakt zu der Frau gehabt, und Zeugen zufolge sei sie auch nicht die einzige andere Beziehung gewesen.
Dann schildert der Angeklagte, wie es am Tatabend zum Streit gekommen sei, weil Trudel erklärt habe, sie wolle am Wochenende etwas ohne ihn unternehmen. Er habe das nicht gewollt, plötzlich habe man sich gegenseitig die Affären vorgehalten, sie laut, er ruhig. Dann sei Trudel ins Schlafzimmer gegangen, und als er dort noch einmal mit ihr habe reden wollen, sei sie völlig ausgerastet.
"So kannte ich sie nicht", erklärt er. Sie habe geschrien, ihn geschlagen und getreten. "Sie hat meine empfindlichsten Stellen getroffen." Beleidigt habe sie ihn, in seiner Ehre gekränkt. Auf Nachfrage des Gerichts fällt ihm allerdings keine konkrete Kränkung ein. Er habe nur in Ruhe mit ihr reden wollen. Deshalb habe er sie aufs Bett geschubst, sich neben sie gelegt, und weil sie weiter getobt habe, habe er ihr ein Kopfkissen aufs Gesicht gedrückt, bis sie ruhiger wurde.
Dann habe sie gezuckt und sei still gewesen. Und er habe ihre leeren Augen gesehen. Der Angeklagte bricht in Tränen aus: "Seit 16 Jahren diese offenen Augen." Ob er wisse, wie lange es daure, bis ein Mensch durch Ersticken sterbe, wird er gefragt. Und er als Physiotherapeut wisse doch, was es bedeute, wenn ein Mensch so zucke, und dass ein Gespräch danach nicht mehr möglich sei.
Der Angeklagte beteuert: Er habe sie nicht töten wollen, nur ruhigstellen. Immer wieder erklärt er, wie diese offenen Augen ihn fertig gemacht hätten. Richter Janßen hält ihm vor: "Dafür, dass diese Augen sie so gequält haben, haben sie aber flott wieder geheiratet." Er könne eben nicht allein sein, erwidert der Angeklagte.
Eine wirkliche Begründung findet er nicht dafür, warum seine Frau so ausgerastet sein soll. Er sei nach der Tat jedenfalls völlig fertig gewesen, in absoluter Panik. Dann habe er der Toten eine andere Hose angezogen, sie in Plastiktüten gewickelt und mit dem Auto in die Nähe von Asbach in den Wald gefahren und vergraben.
Die Wahl des Ortes habe nichts damit zu tun gehabt, dass dort der Stalker wohnte, versichert er. Er sei einfach völlig kopflos und fertig gewesen über das, was er getan habe. "Ihre Aktivitäten an den nächsten Tagen machen nicht den Eindruck eines Menschen, der völlig fassungslos vor seiner Tat steht", hält ihm Oberstaatsanwalt Robin Faßbender vor.
Der Angeklagte gibt zu, dass er anschließend alles daran setzte, die Tat zu vertuschen. "Dann hat sich das Lügengerüst angefangen aufzubauen", nennt er es. Er schildert, wie er noch in der Tatnacht das Auto seiner Frau zu deren Arbeitsplatz zur Rehaklinik Godeshöhe fuhr.
Wie er eine Freundin seiner Frau besorgt nach deren Verbleib fragte. Wie er in der Rehaklinik die Tür zu Trudels Büro aufbrechen ließ, um zu sehen, ob sie dort nicht ohnmächtig liegt. Wie er sie vermisst meldete und drei Tage später der Polizei und Trudels Familie weismachte, sie habe ihn angerufen und gesagt, sie sei mit einem anderen Mann weggegangen.
"Es tut mir so leid, Thomas, was ich euch all die Jahre angetan habe", sagt er zu seinem Schwager, auf dessen Fragen er allerdings nicht antworten will. Lenerz senkt den Kopf und blickt ihn nicht an. Wieso die Familie doch noch die Wahrheit erfuhr, schildert später GA-Reporter Wolfgang Kaes als Zeuge.
Der Gerichtszeichner:
Die Zeichnung ist in Deutschland die einzig mögliche bildliche Darstellung aus einem Gerichtsverfahren, da hier während des Prozesses neben dem Anfertigen von Tonbandaufzeichnungen auch das Filmen und Fotografieren verboten ist. Gerichtszeichner Martin Burkhardt aus Mannheim, der für den GA den ersten Verhandlungstag bildlich in Szene setzt, hat zuletzt aus dem Nürburgring-Prozess mit Stift und Pinsel "berichtet".
Der Nebenkläger:
Nebenkläger sind berechtigt, aktiv am Verfahren mitzuwirken und durch Erklärungen, Fragen, Anträge und Rechtsmittel Einfluss zu nehmen. Die Nebenklage soll dem Opfer in erster Linie Genugtuung verschaffen. Auch Angehörige des Opfers sind zur Nebenklage berechtigt. Trudel Ulmens Bruder Thomas Lenerz nimmt für die Familie im Beistand der Bonner Rechtsanwältin Gudrun Roth am Prozess als Nebenkläger teil.
Die Anklage:
Die Staatsanwaltschaft hat den 57-Jährigen wegen Totschlags angeklagt und wirft ihm vor, seine Frau Trudel Ulmen am Abend des 20. März 1996 im Verlauf eines Streits im ehelichen Schlafzimmer mit einem Kissen erstickt zu haben. In ihrer Anklage kann sich die Staatsanwaltschaft nur auf das Geständnis des Angeklagten stützen, da es nach 16 Jahren für die Ermittler keine Anhaltspunkte mehr für einen anderen Tatablauf gibt.
Artikel vom 20.11.2012
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Quelle.: (+Gerichtszeichnung)
http://www.general-anzeiger-bonn.de/region/themen/fall-trudel-ulmen/Ehemann-schilderte-wie-ihn-seine-Tat-und-Luegen-quaelten-article908505.htmlund
Tag zwei im Trudel-Ulmen-Prozess
Ein qualvoller Tod
Von Rita Klein
BONN/RHEINBACH. Trudel Ulmen muss einen langsamen, qualvollen Tod gestorben sein. Am zweiten Tag im Prozess gegen den Ehemann der vor 16 Jahren angeblich verschwundenen und in Wahrheit von ihm getöteten Frau schildert der Bonner Rechtsmediziner, Professor Burkhard Madea, dem Bonner Schwurgericht, wie lange es dauert, einen Menschen mit dem Kissen zu ersticken.
So sieht es heute in der Nähe des Fundortes bei Rottbitze aus. Dort hatte ein Radfahrer vor 16 Jahren die Leiche von Trudel Ulmen entdeckt. Foto: Frank Homann
Und er erklärt: Hört man auf, sobald das Opfer ohnmächtig ist, setzt die Atmung meistens spontan wieder ein. Der 57-jährige Angeklagte hört ihm aufmerksam zu, er hatte am ersten Prozesstag geschildert, er habe seine vor Wut tobende Frau am 20. März 1996 nicht töten, sondern nur ruhigstellen wollen, um mit ihr zu reden.
Warum sie so getobt haben soll, konnte er indes nicht nachvollziehbar erklären. Völlig fertig sei er gewesen, als er ihre "leeren offenen Augen gesehen" habe und ihm sein Tun klar geworden sei. Dennoch hatte er sofort begonnen, die Tat zu vertuschen: Er verpackte die Tote in blaue Plastiksäcke und fuhr sie mit dem Auto in ein Waldstück bei Rottbitze, wo er sie vergrub. Dann brachte er ihr Auto zu ihrem Arbeitsplatz an der Rehaklinik Bad Godesberg und ging zur Arbeit. Abends rief er die angeblich beste Freundin seiner Frau an und erstattete mit ihr bei der Polizei Vermisstenanzeige.
Am 18. Juli 1996 fand ein Radfahrer die Tote. Dass es Trudel Ulmens Leiche war, ahnte niemand, denn nur vier Tage nach deren angeblichem Verschwinden hatte der Angeklagte der Polizei, Angehörigen und Freunden erklärt, Trudel habe angerufen, sich entschuldigt und gesagt, sie sei mit einem portugiesischen Geschäftsmann ins Ausland gegangen. Bei der Polizei gab es keinen Vermisstenfall mehr.
Wie und wo die vermeintlich unbekannte Tote damals gefunden wurde, schildert der Kriminalbeamte Michael Brück. Und es wird klar: Der Angeklagte muss sie ein ganzes Stück getragen haben, bevor er sie vergrub. "Nur 40 bis 50 Meter", erklärt der nun. "Na, ja, das ist ja doch ein ganzes Stück", kommentiert Schwurgerichtsvorsitzender Josef Janßen. 300 Spuren, so der Polizist, habe man damals verfolgt, keine Spur habe was gebracht.
"Aber die Spur 24", so Richter Janßen, "die wäre es gewesen." Spur 24 war der Hinweis eines Arbeitskollegen von Trudel Ulmen, der die Polizei auf einen möglichen Zusammenhang hinwies. Doch die gab sich damals mit der Auskunft des Angeklagten zufrieden, die an der unbekannten Toten gefundene Kleidung gehöre nicht seiner Frau. Und auch das Zahnbild passe nicht.
Mit bewundernswerter Fassung folgt Trudel Ulmens Bruder Thomas Lenerz den schwer erträglichen Schilderungen von Rechtsmediziner und Polizist. Und er hört aufmerksam zu, als die damals als einzige vom Angeklagten herbeigerufene Freundin als Zeugin aussagt. Die 46-Jährige, eine Kollegin aus Trudel Ulmens kurzer Zeit als Mitarbeiterin im Arbeitsamt, blickt immer wieder zum Angeklagten hin. Der lässt sie nicht aus den Augen, als sie berichtet, wie Trudel eine enge Freundin geworden sei, mit der sie viel unternommen habe.
Sie schildert Trudels Ehe mit dem Angeklagten als "toll". Über Eheprobleme habe Trudel nichts berichtet. Nur einmal habe sie gesagt: "Über Treue braucht mir niemand was zu erzählen." Sie habe nie nachgefragt, so die Zeugin. Nach Trudels Verschwinden habe sie eine Zeit lang mehr Kontakt zum Angeklagten gehabt. Bis seine zweite Frau diesen Kontakt nicht mehr gewollt habe. Diese Frau, die er schon vor Trudels Tod gekannt habe, sei bald bei ihm eingezogen. Erst vor sechs Jahren, seit seiner dritten Ehe, habe sie mit ihm wieder mehr Kontakt.
Sie habe ihm damals geglaubt. Und auch nicht nachgefragt, als er gesagt habe, das Kind, dass Trudel Anfang 1996 durch eine Fehlgeburt verloren habe, könne nicht von ihm gewesen sein. Laut DNA-Abgleich war es sehr wohl sein Kind. Dass der Angeklagte der Zeugin vier bis sechs Wochen nach Trudels angeblichem Verschwinden deren Nerzmantel und andere Kleider schenkte, bestätigt sie auf die Frage des Richters.
Ob sie ihn nicht gefragt habe, warum er so sicher sei, dass Trudel nicht wiederkomme, fragt der Richter. Sie habe gar nichts hinterfragt, erklärt sie. Und sagt: "Ich habe den Pelzmantel behalten für den Fall, dass Trudel wiederkommt." Wieder geht ihr Blick zum Angeklagten. Dass sie als angeblich beste Freundin so wenig nachfragte, irritiert nicht nur Trudel Ulmens Bruder.
Auch der nächsten Zeugin, einer Nachbarin, machte der Angeklagte klar, dass er die Vaterschaft von Trudels Kind bezweifle. "Er hat nach der Tat mit Schmutz nach ihr geworfen", sagt die 48-Jährige. Sie bestätigt, dass die zweite Frau, die sie schon vor Trudel Ulmens Tod mit dem Angeklagten Karneval zusammen gesehen habe, schnell im Haus gewesen sei. Als die Zeugin, der es gesundheitlich nicht gut geht, den Saal verlassen will, bricht sie ohnmächtig zusammen. Die Zuschauer sind geschockt. Ein Rettungswagen holt sie ab. Nächste Woche werden weitere Zeugen aus dem Lebensumfeld von Trudel Ulmen und ihrem Mann gehört.
Artikel vom 23.11.2012
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Quelle:
http://www.general-anzeiger-bonn.de/region/themen/fall-trudel-ulmen/Ein-qualvoller-Tod-article910850.html