Der tragische Tod von Tanja Gräff
21.08.2015 um 12:03@Nutzer2015
für den Fall der Fälle:
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“Die Zeit arbeitet gegen uns”
Stadt & Menschen | 7. Dezember 2009 | Leserbrief schreiben
Heute vor 30 Monaten verschwand die Studentin Tanja Gräff. In den frühen Morgenstunden des 7. Juni 2007 verliert sich die Spur der jungen Frau. Nach einem Fernsehauftritt der Eltern in der vergangenen Woche gingen bei den Ermittlern zwar erneut ein halbes Dutzend Hinweise ein, doch lieferten auch diese keinerlei Anhaltspunkt, der die Suche nach der Korlingerin noch zu einem Erfolg führen könnte. Im Gespräch mit 16vor appelliert die Mutter der Vermissten an Täter und mögliche Mitwisser, zumindest einen Hinweis zu geben, welcher der Ungewissheit über das Schicksal ihrer Tochter ein Ende bereiten könnte. Hoffnung, dass der Appell die Adressaten erreicht, hegt Waltraud Gräff indes nicht. Nur in einem Punkt ist sie sich sicher: “Die Zeit arbeitet gegen uns”.
KORLINGEN/TRIER. Nein, große Erwartungen hatten sie nicht an diesen Fernsehauftritt. Als Waltraud Gräff und ihr Mann vergangenen Mittwoch in der RTL-Sendung Stern TV über das noch immer ungeklärte Schicksal ihrer Tochter berichteten, gaben sie sich nicht der Illusion hin, dies könne sie oder die Ermittler auch nur einen Schritt weiterbringen. Tatsächlich meldeten sich nach der Ausstrahlung ein halbes Dutzend Zuschauer, doch auch dieses Mal ergaben die vermeintlichen Hinweise keinen neuen Ermittlungsansatz, geschweige denn eine heiße Spur, erklärt Polizeisprecher Karl-Peter Jochem. “Nur Wahrsager und Weissager” hätten bei ihnen angerufen, berichtet auch Waltraud Gräff, und Menschen, die ebenfalls seit längerem einen ihnen nahestehenden Menschen vermissen.
Auf den Tag genau vor zweieinhalb Jahren verliert sich die Spur von Tanja Gräff auf dem Gelände der Fachhochschule. Auf dem Campus Schneidershof, genauer auf einem der Parkdecks, auf denen in der Nacht vom 6. auf den 7. Juni 2007 schätzungsweise 10.000, meist junge Menschen feierten, wurde sie um kurz nach 4 Uhr das letzte Mal von einem Freund gesehen. Tanja Gräff soll diesen gefragt haben, wie sie am schnellsten in die Stadt kommen könnte. Es fuhren Shuttle-Busse, außerdem führt ein Fußweg von der FH hinunter ins Tal. Mit einiger Sicherheit kannte die Studentin diesen Weg, hat die junge Frau doch regelmäßig auf dem Schneidershof Sport getrieben. Nur wenige Minuten nach der Begegnung mit dem Freund telefonierte Tanja Gräff dann mit dem Mann, mit dem sie am Vorabend zur FH gekommen war; gemeinsam mit einer Gruppe, deren Mitglieder die Vermisste da erst kennengelernt haben soll.
Doch diese Gruppe verlor sich auf dem Festgelände aus den Augen, und während Tanja Gräff noch auf dem FH-Gelände unterwegs war, hielt sich ihr ursprünglicher Begleiter samt Freunden schon in der Innenstadt auf. In ihrem nachweislich letzten Telefonat, also wenige Minuten nach 4 Uhr, soll die Korlingerin besagtem Bekannten angekündigt haben, rasch nachzukommen; ihre Mutter ist davon überzeugt, dass sie auch tatsächlich schnellstmöglich in Richtung City wollte. Ob sie dann einen der Shuttle-Busse bestiegen oder sich per Pedes auf den Weg gemacht hat, ob sie in ein Auto stieg oder das Gelände zunächst nicht verließ, ist jedoch bis heute völlig unklar. Die Gruppe, mit der sie sich am Vorabend des Festes getroffen hatte, hätte sie am frühen Morgen des 7. Juni an dem vereinbarten Treffpunkt aber ohnehin nicht mehr angetroffen – die Clique hatte sich dem Vernehmen nach schon wenig später auf den Nachhauseweg gemacht.
Spätestens seit dem Morgen des 8. Juni 2007, nachdem die Tochter auch in der zweiten Nacht in Folge nicht ins Elternhaus zurückgekehrt war, stand für die Mutter fest, dass ihr etwas zugestoßen sein musste. Waltraud Gräff hegt längst nicht mehr die Hoffnung, dass die zum Zeitpunkt ihres Verschwindens 21 Jahre alte Frau noch lebt. Ihr und ihrem Mann bleibt denn auch nicht viel mehr, als an den oder die Täter und mögliche Mitwisser zu appellieren, doch wenigstens einen Hinweis zu geben, welcher der quälenden Ungewissheit ein Ende bereiten könnte. Waltraud Gräffs Erwartungen, dass ein solcher Hinweis bei den Ermittlern eingeht, tendieren allerdings inzwischen ebenfalls gen Null. “Wenn sich ja schon nicht die Zeugen melden, warum sollte sich dann der Täter melden!?”, fragt sie. Dass sich weder die bis zu fünf Zeugen des so genannten “Bauzaun-Vorfalls” gemeldet haben, noch der wahrscheinlich letzte Begleiter (“Lass’ Tanja in Ruhe!”), kann die Mutter nicht verstehen; aber “wundern tut es mich auch nicht”, ergänzt sie und beklagt die Gleichgültigkeit und das mangelnde Verantwortungsgefühl innerhalb der Gruppe, mit der ihre Tochter zum FH-Sommerfest fuhr.
“Die Zeit arbeitet gegen uns”, sagt Waltraud Gräff, und später: “uns zerrinnt die Zeit”. Sie und ihr Mann wissen: Mit jedem Tag sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Täter stellt oder ein möglicher Mitwisser meldet. Doch die Zeit steht für die Eltern gewissermaßen auch still seit jenem Moment, in dem sie realisieren mussten, dass ihr einziges Kind spurlos verschwunden ist. “Wir müsse da jeden Tag von Neuem durch”, schildert die Mutter die Gefühlslage der Eltern, denn “die Zeit heilt eben keine Wunden”.
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von Marcus Stölb
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