Aktenzeichen XY ungelöst - Der Fall Lolita Brieger
31.05.2012 um 19:41Nun wieder zurück zu Lolita Brieger.
WELT ONLINE
31. Mai. 2012, 19:38
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Panorama
Beim Mord an Lolita Brieger ist Sühne nicht einfach
17:32
Nach 30 Jahren
Beim Mord an Lolita Brieger ist Sühne nicht einfach
Wer tötete Lolita Brieger? Diese Frage sollen Richter 30 Jahre nach der Tötung der damals 18-Jährigen beantworten. Nach den Plädoyers gibt es viele Fragen. Eine davon entscheidet über das Urteil. Von Kathrin Spoerr
Lolita Brieger
© dpa Vor drei Jahrzehnten wurde Lolita Brieger umgebracht. Sie war damals 18 Jahre alt und schwanger Bild teilen
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Beziehungstat vor 29 Jahren: Bauer wegen Mord an schwangerer Freundin angeklagt
Mordfall Brieger: Landwirt soll schwangere Lolita vergraben haben
Mordfall: Suche nach toter Lolita Brieger auf Müllkippe
Einer der spektakulärsten Mordprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte geht dieser Tage zu Ende. Verteidigung und Staatsanwaltschaft traten im Gerichtssaal des Landgerichts von Trier auf, um ihre Plädoyers zu halten.
Auf der Anklagebank sitzt Josef K. aus Scheid (Eifelkreis). Ihm wird vorgeworfen, seine Geliebte getötet zu haben. Und zwar vor 30 Jahren. Der einprägsame Name des Mädchens: Lolita Brieger. Sie war 18 Jahre alt, als sie sterben musste. Ihre Leiche wurde im vergangenen Jahr auf einer Mülldeponie gefunden.
Erwartungsgemäß hat die Trierer Staatsanwaltschaft nun auf Mord plädiert. Staatsanwalt Eric Samel sagte am Donnerstag vor dem Landgericht Trier, es gebe ausreichende Beweise für niedrige Beweggründe des Angeklagten.
Keine Leiche, keine Zeugen
Eine Tat, die so viele Jahre zurück liegt, zu sühnen, ist keine einfache Angelegenheit. Zumal dann nicht, wenn, wie in diesem Fall, 29 Jahre lang alles unsicher war. Es gab keine Leiche und keine Zeugen. Es gab nur eine Vermisstenanzeige der Eltern und einen Verdacht: dass Josef K. seine Geliebte Lolita getötet hat, um einer Ehe mit ihr zu entgehen.
Es war nicht nur die schwangere Lolita, die die Ehe von Josef K. forderte. Es waren auch die Konventionen, die in diesem streng katholischen Winkel Deutschlands vorschrieben, eine Frau zu heiraten, wenn sie ein Kind erwartete.
Gegen die Ehe zwischen den beiden sprachen die Verhältnisse, aus denen sie stammten. Er, ein Sohn wohlhabender Bauern, sie ein Mädchen aus einfachsten Verhältnissen.
Die Eltern von Josef K. sollen von ihrem Sohn und Hoferben die Trennung gefordert haben, von 200.000 Mark Entschädigung für eine Abtreibung war die Rede – ein Vorschlag, auf den Lolita nicht eingegangen sein soll.
Im Schuppen erdrosselt
Staatsanwalt Samel sieht es nun als erwiesen an, dass der heute 51-jährige Landwirt seine schwangere Freundin in einen Schuppen gelockt und erdrosselt hat. Die Möglichkeit, dass der Täter damit eine unstandesgemäße Beziehung unterbinden wollte, erfüllt für ihn das Merkmal der niederen Beweggründe. Dieses Merkmal würde aus dem Tötungsdelikt einen Mord machen.
Der Vertreter der Nebenkläger, Hans-Josef Ewertz, geht noch weiter. In seiner Schilderung des Tathergangs hat der Angeklagte das wehr- und arglose Opfer hinterrücks überfallen und getötet.
Die Spuren von Draht im Pullover, die in den Überresten Lolitas gefunden wurden, sind für ihn hinreichendes Indiz. Nach seiner Darstellung wäre ein weiteres Mordmerkmal erfüllt: Heimtücke. Ewertz, der die Familie des Opfers vertritt schilderte die Qual der Eltern von Lolita.
Sie hätten "ein 30 Jahre andauerndes Martyrium" hinter sich. Die heute 80-jährige Mutter der Toten und ihre Schwestern sind von der Schuld Josef K.s überzeugt. Sie wünschen sich seine Verurteilung.
Staatsanwalt sieht niedere Beweggründe
Die Frage, ob niedere Beweggründe oder Heimtücke im Spiel waren, ist von zentraler Bedeutung für das Urteil. Denn nur Mord verjährt im deutschen Strafrecht nie.
Die juristische Herausforderung für den Staatsanwalt besteht also darin, den Tathergang so detailliert zu rekonstruieren, dass am Ende zweifelsfrei ein Mord nachgewiesen wird. "Dass er der Täter ist, daran besteht kein Zweifel", sagte Samel. Doch das allein reicht nach 30 Jahren nicht mehr für eine Verurteilung.
Es war ein später Zeuge, der die überraschende Aufklärung dieses Falls ermöglichte. Und die Hartnäckigkeit eines Ermittlers, der den Fall nicht in den Annalen der Kripo Trier enden lassen wollte. Ein letzter Versuch wurde im vergangenen Jahr gestartet: Die Polizei wandte sich mit der Sendung "Akzenzeichen XY ungelöst" an die Öffentlichkeit.
Das dahinter liegende Kalkül: Ein Zeuge oder Mittäter, so vorhanden, hätte nun keine Strafverfolgung mehr zu befürchten, weil seine eigene (Mit)tat inzwischen verjährt war. Die Sendung zielte also auf das Gewissen dieses Zeugen.
Sie sollte ihn zu einem späten Geständnis und zur Überführung des Täters animieren. Das Kalkül ging auf, denn genau dieser Mittäter meldete sich, nannte Josef K. als Täter und führte die Beamten zur Deponie.
Ein Freundschaftsdienst
Warum aber erst jetzt? Weil er, wie er sagt, all die Jahre Angst hatte, dass Josef K. ihm, dem Helfer, die Schuld für die Tat in die Schuhe geschoben hätte. Nach Schilderung des Zeugen war es jedoch so, dass der Landwirt ihn bedrängt haben soll, ihm beim Verscharren der Leiche zu helfen. Ein Freundschaftsdienst.
Der Verteidiger des Angeklagten, Heinz Neuhaus, plädierte dagegen auf Freispruch. Naturgemäß schaut ein Strafverteidiger stärker auf die entlastenden Details. Einen Tathergang, wie ihn der Staatsanwalt und der Anwalt der Nebenkläger schilderten, sieht er nicht von den wenigen Fakten gedeckt. Er schildert den Zeugen als unzuverlässig und unglaubwürdig.
Die Indizien hält er für falsch interpretiert. Neuhaus sieht weder "objektive Merkmale noch schlüssige Fakten", die für eine Verurteilung ausreichten. Die Vielzahl von Zweifeln und Unsicherheiten müssten in in diesem (wie in jedem anderen) Fall zugunsten des Angeklagten ausgelegt werden.
Der Angeklagte schweigt bis zuletzt
Auch die Beziehung seines Mandanten zu Brieger schildert Neuhaus in einem ganz anderen Licht. Für Josef K. scheint Lolita Brieger nicht nur die Frau unter Stand gewesen zu sein. Neuhaus legte dar, dass der heute 51-jährige Angeklagte damals gesagt haben soll, dass er an Lolita festhalten wolle, und zwar auch, wenn er enterbt werde. Diese Aussagen sieht er in der Darstellung der Anklage zu wenig gewürdigt, obwohl sie bewiesen seien. Die Beziehung sei klar "durch Zuneigung" geprägt gewesen.
Beide, sagt Neuhaus, hätten eine schwierige Beziehung zu ihrem jeweiligen Vater gehabt. Lolitas Vater sei extrem eifersüchtig gewesen und habe seine Tochter geschlagen.
Und der Angeklagte selbst? Er sitzt, korrekt gekleidet mit Anzug und Krawatte, neben seinem Verteidiger - und schweigt. Er hat während des gesamten Prozesses kein Wort gesprochen.
Wie immer das Urteil lauten wird – sein Leben wird nicht mehr sein, was es war. Auch nicht im Falle eines Freispruchs. Noch im Juni wird das Urteil gesprochen werden.
Prozess um den Mord an Lolita Brieger
© DAPD Der angeklagte Joseph K. versteckt sein Gesicht bei Gericht vor den Kameras. Er hat den gesamten Prozess geschwiegen
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Wer tötete Lolita Brieger? Diese Frage sollen Richter 30 Jahre nach der Tötung der damals 18-Jährigen beantworten. Nach den Plädoyers gibt es viele Fragen. Eine davon entscheidet über das Urteil. Von Kathrin Spoerr
Lolita Brieger
© dpa Vor drei Jahrzehnten wurde Lolita Brieger umgebracht. Sie war damals 18 Jahre alt und schwanger Bild teilen
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Beziehungstat vor 29 Jahren: Bauer wegen Mord an schwangerer Freundin angeklagt
Mordfall Brieger: Landwirt soll schwangere Lolita vergraben haben
Mordfall: Suche nach toter Lolita Brieger auf Müllkippe
Einer der spektakulärsten Mordprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte geht dieser Tage zu Ende. Verteidigung und Staatsanwaltschaft traten im Gerichtssaal des Landgerichts von Trier auf, um ihre Plädoyers zu halten.
Auf der Anklagebank sitzt Josef K. aus Scheid (Eifelkreis). Ihm wird vorgeworfen, seine Geliebte getötet zu haben. Und zwar vor 30 Jahren. Der einprägsame Name des Mädchens: Lolita Brieger. Sie war 18 Jahre alt, als sie sterben musste. Ihre Leiche wurde im vergangenen Jahr auf einer Mülldeponie gefunden.
Erwartungsgemäß hat die Trierer Staatsanwaltschaft nun auf Mord plädiert. Staatsanwalt Eric Samel sagte am Donnerstag vor dem Landgericht Trier, es gebe ausreichende Beweise für niedrige Beweggründe des Angeklagten.
Keine Leiche, keine Zeugen
Eine Tat, die so viele Jahre zurück liegt, zu sühnen, ist keine einfache Angelegenheit. Zumal dann nicht, wenn, wie in diesem Fall, 29 Jahre lang alles unsicher war. Es gab keine Leiche und keine Zeugen. Es gab nur eine Vermisstenanzeige der Eltern und einen Verdacht: dass Josef K. seine Geliebte Lolita getötet hat, um einer Ehe mit ihr zu entgehen.
Es war nicht nur die schwangere Lolita, die die Ehe von Josef K. forderte. Es waren auch die Konventionen, die in diesem streng katholischen Winkel Deutschlands vorschrieben, eine Frau zu heiraten, wenn sie ein Kind erwartete.
Gegen die Ehe zwischen den beiden sprachen die Verhältnisse, aus denen sie stammten. Er, ein Sohn wohlhabender Bauern, sie ein Mädchen aus einfachsten Verhältnissen.
Die Eltern von Josef K. sollen von ihrem Sohn und Hoferben die Trennung gefordert haben, von 200.000 Mark Entschädigung für eine Abtreibung war die Rede – ein Vorschlag, auf den Lolita nicht eingegangen sein soll.
Im Schuppen erdrosselt
Staatsanwalt Samel sieht es nun als erwiesen an, dass der heute 51-jährige Landwirt seine schwangere Freundin in einen Schuppen gelockt und erdrosselt hat. Die Möglichkeit, dass der Täter damit eine unstandesgemäße Beziehung unterbinden wollte, erfüllt für ihn das Merkmal der niederen Beweggründe. Dieses Merkmal würde aus dem Tötungsdelikt einen Mord machen.
Der Vertreter der Nebenkläger, Hans-Josef Ewertz, geht noch weiter. In seiner Schilderung des Tathergangs hat der Angeklagte das wehr- und arglose Opfer hinterrücks überfallen und getötet.
Die Spuren von Draht im Pullover, die in den Überresten Lolitas gefunden wurden, sind für ihn hinreichendes Indiz. Nach seiner Darstellung wäre ein weiteres Mordmerkmal erfüllt: Heimtücke. Ewertz, der die Familie des Opfers vertritt schilderte die Qual der Eltern von Lolita.
Sie hätten "ein 30 Jahre andauerndes Martyrium" hinter sich. Die heute 80-jährige Mutter der Toten und ihre Schwestern sind von der Schuld Josef K.s überzeugt. Sie wünschen sich seine Verurteilung.
Staatsanwalt sieht niedere Beweggründe
Die Frage, ob niedere Beweggründe oder Heimtücke im Spiel waren, ist von zentraler Bedeutung für das Urteil. Denn nur Mord verjährt im deutschen Strafrecht nie.
Die juristische Herausforderung für den Staatsanwalt besteht also darin, den Tathergang so detailliert zu rekonstruieren, dass am Ende zweifelsfrei ein Mord nachgewiesen wird. "Dass er der Täter ist, daran besteht kein Zweifel", sagte Samel. Doch das allein reicht nach 30 Jahren nicht mehr für eine Verurteilung.
Es war ein später Zeuge, der die überraschende Aufklärung dieses Falls ermöglichte. Und die Hartnäckigkeit eines Ermittlers, der den Fall nicht in den Annalen der Kripo Trier enden lassen wollte. Ein letzter Versuch wurde im vergangenen Jahr gestartet: Die Polizei wandte sich mit der Sendung "Akzenzeichen XY ungelöst" an die Öffentlichkeit.
Das dahinter liegende Kalkül: Ein Zeuge oder Mittäter, so vorhanden, hätte nun keine Strafverfolgung mehr zu befürchten, weil seine eigene (Mit)tat inzwischen verjährt war. Die Sendung zielte also auf das Gewissen dieses Zeugen.
Sie sollte ihn zu einem späten Geständnis und zur Überführung des Täters animieren. Das Kalkül ging auf, denn genau dieser Mittäter meldete sich, nannte Josef K. als Täter und führte die Beamten zur Deponie.
Ein Freundschaftsdienst
Warum aber erst jetzt? Weil er, wie er sagt, all die Jahre Angst hatte, dass Josef K. ihm, dem Helfer, die Schuld für die Tat in die Schuhe geschoben hätte. Nach Schilderung des Zeugen war es jedoch so, dass der Landwirt ihn bedrängt haben soll, ihm beim Verscharren der Leiche zu helfen. Ein Freundschaftsdienst.
Der Verteidiger des Angeklagten, Heinz Neuhaus, plädierte dagegen auf Freispruch. Naturgemäß schaut ein Strafverteidiger stärker auf die entlastenden Details. Einen Tathergang, wie ihn der Staatsanwalt und der Anwalt der Nebenkläger schilderten, sieht er nicht von den wenigen Fakten gedeckt. Er schildert den Zeugen als unzuverlässig und unglaubwürdig.
Die Indizien hält er für falsch interpretiert. Neuhaus sieht weder "objektive Merkmale noch schlüssige Fakten", die für eine Verurteilung ausreichten. Die Vielzahl von Zweifeln und Unsicherheiten müssten in in diesem (wie in jedem anderen) Fall zugunsten des Angeklagten ausgelegt werden.
Der Angeklagte schweigt bis zuletzt
Auch die Beziehung seines Mandanten zu Brieger schildert Neuhaus in einem ganz anderen Licht. Für Josef K. scheint Lolita Brieger nicht nur die Frau unter Stand gewesen zu sein. Neuhaus legte dar, dass der heute 51-jährige Angeklagte damals gesagt haben soll, dass er an Lolita festhalten wolle, und zwar auch, wenn er enterbt werde. Diese Aussagen sieht er in der Darstellung der Anklage zu wenig gewürdigt, obwohl sie bewiesen seien. Die Beziehung sei klar "durch Zuneigung" geprägt gewesen.
Beide, sagt Neuhaus, hätten eine schwierige Beziehung zu ihrem jeweiligen Vater gehabt. Lolitas Vater sei extrem eifersüchtig gewesen und habe seine Tochter geschlagen.
Und der Angeklagte selbst? Er sitzt, korrekt gekleidet mit Anzug und Krawatte, neben seinem Verteidiger - und schweigt. Er hat während des gesamten Prozesses kein Wort gesprochen.
Wie immer das Urteil lauten wird – sein Leben wird nicht mehr sein, was es war. Auch nicht im Falle eines Freispruchs. Noch im Juni wird das Urteil gesprochen werden.
Prozess um den Mord an Lolita Brieger
© DAPD Der angeklagte Joseph K. versteckt sein Gesicht bei Gericht vor den Kameras. Er hat den gesamten Prozess geschwiegen