jaska schrieb:Um mal die bisherigen Infos rund um den Wiederaufnahmeantrag einzuordnen: gibt es einen nach StPO §359 erforderlichen Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens?
1. eine gefälschte Urkunde?
2. eine vorsätzlich falsche Zeugenaussage oder ein vorsätzlich falsches Gutachten?
3. eine nachgewiesene Pflichtverletzung eines Schöffens oder Richters?
Eigentlich wollte ich mich aus den Diskussionen hier zurückziehen. Allerdings denke ich immer wieder über Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den gemessenen bzw. nicht gemessenen Körpertemperaturen nach.
Deshalb frage ich mich, warum die Punkte 2. und 3. ausgeschlossen sein sollen.
Aus meiner Sicht sind folgende Fakten nicht widerlegt:
CBs Körpertemperatur betrug bei Eintritt des Todes 36 Grad.
Die Umgebungstemperatur betrug bei Eintritt des Todes 19,4 Grad.
CB wurde vom Tatort zur Obduktion transportiert.
CBs Körpertemperatur betrug um 1:20 Uhr 15 Grad (Beginn der Obduktion?).
CBs Körpertemperatur betrug um 2:50 Uhr 20,4 Grad (während der Obduktion).
Bei einem Abkühlungsprozess, den wir für alle derartigen Abschätzungen annehmen, steigt die Körpertemperatur aber nicht an. Es muss also irgendwo ein eklatanter Widerspruch stecken.
Ein Gutachten, dem sich das Gericht angeschlossen hat, ermittelt aus der Temperatur von 20,4 Grad um 2:50 einen Todeszeitpunkt unter den gegebenen Temperatur-, Kleidungs-, und Luftzugsbedingungen.
Auch Richtern muss klar sein, dass CBs Leichnam nicht vom Tatort zur Obduktion gebeamt wurde. Es hat also ein Transport stattgefunden, wärend dessen sich Temperatur-, Kleidungs-, und Luftzugsbedingungen zwangsweise verändert haben. Eine belastbare Abschätzung des Todeszeitpunkts ist nur möglich, wenn die Körpertemperatur während eines zweiten Zeitpunkts bekannt ist. Erst daraus lassen sich Informationen über die für eine Rechnung erforderliche Abkühlungsrate gewinnen. Die niedrige Temperatur um 1:20 taugt dafür beim besten Willen nicht. Vermutlich deshalb wurde sie im Gutachten diskret ausgespart.
"Wahrheitsgemäß" hätte das Gericht feststellen müssen, dass sich wegen Ermittlungsfehlern aus der Körpertemperatur der Todeszeitpunkt nicht bestimmen lässt. Es wurde aber eine unrealistisch kurze Zeitspanne von 45 Minuten für den Zeitpunkt des Todes angegeben (18:15 bis 19:00).
Was bedeutet die Abkühlung auf 15 Grad? Aus meiner Sicht gibt es nur eine Interpretationsmöglichkeit: Der Leichnam wurde vor der Obduktion aktiv gekühlt. Während eines relativ kurzen Transports (wahrscheinlich zugedeckt) hätte er nicht so weit auskühlen können.
Wenn ich nicht völlig daneben liege, sind die von
@jaska benannten Punkte 2. und 3. erfüllt. Ob man in diesem Zusammenhang von vorsätzlich reden dürfen, kann ich nicht beurteilen. Mindestens aber drängt sich ein entsprechender Verdacht auf.
Meine Behauptungen möchte ich zu gerne belegen. Mit einer Rechnung unter Anwendung des
Newtonschen Abkühlungsgesetzes und Berücksichtigung veränderlicher Umgebungstemeratur (auch sinkender) und Wärmeisolierung wäre das möglich.
Dafür fehlen auch mir natürlich genauere Informationen. Schon der Zeitpunkt des Abtransports vom Tatort zur Gerichtsmedizin wäre dafür hilfreich. Der ist mit Sicherheit dokumentiert. Kennt ihn jemand? Außerdem wäre noch die Temperatur im Obduktionsraum interessant, aber weniger bedeutsam.