Amanda Knox
04.05.2014 um 18:37
Contra: Erklärungen
Die Menge an Blut, welche Amanda Knox im Badezimmer entdeckte, war sehr gering. Amanda präzisierte später, dass sie sich zwar etwas gewundert habe, die Herkunft des Blutes aber, sagen wir „gewöhnlichem“ Ursprung, zuschrieb. Dabei war das leichte Bluten ihrer frisch gestochenen Ohrlöcher nur eine Möglichkeit, denn nein, haben sich Ohrlöcher entzündet schmerzen sie durchgehend ein wenig und man bemerkt nicht zwangsläufig, wenn die entzündeten Ohrlöcher ein wenig zu bluten beginnen. Das Blut habe aber auch davon stammen können, dass sich jemand beim rasieren geschnitten habe oder von Menstruationsblutungen, sagte sie zudem. Der Hauptpunkt ihrer Aussage bezüglich des Blutes war immer, dass sie dessen Vorhandensein einem „natürlichen“ Grund zuschrieb und nicht, wie es wohl kaum jemand täte, sogleich von einem Verbrechen ausging, hatte sie doch zuvor nichts wahrlich bedenkliches bemerkt. Argumentiert man hier mit der offenen Tür, so lese man genau diese Frage auf der website nach: dass die Tür offen stand, war nicht unbedingt außergewöhnlich. Dennoch begannen sich, diese Tatsachen und leichten Ungewöhnlichkeiten in Knox's Denken anzusammeln: erst die Tür, dass ein wenig Blut im Badezimmer, dann kein Zeichen eines anderen Zuhause und schließlich die Überreste in der Toilette. Wissend, dass niemand außer Meredith zuhause sein konnte (die beiden Mitbewohnerinnen waren ja über die Ferien nach Hause gefahren) und auch wissend, dass Meredith selbst niemals eine Toilette ungespült lassen würde (hatten beide darüber ja einmal ein Gespräch über Hygiene gehabt) beunruhigten sie schließlich genügend und hinterließen ein derart ungutes Gefühl, dass sie, etwas ängstlich, schnell den Rückweg zu Sollecitos Haus antrat um mit diesem zum Haus zurück zu kehren und nach dem Rechten zu sehen.
( Meiner Meinung nach war es nach Halloween auch möglich, dass das Blut von der Maskarade hätte stammen können, aber dies wurde nie öffentlich diskutiert...)
Soviel auch zu der Frage, warum sie nicht einfach die Spülung betätigte. Als letzte Ungewöhnlichkeit, die sich an diesem Morgen ansammelte, war diese die Ausschlaggebende, welche Knox endgültig in eine unruhige und etwas besorgte Stimmung versetzte. Der Gedanke, dass etwas nicht recht stimmte, wuchs in ihren Gedanken und so trat sie sehr eilig den Rückweg an, ohne vorher sorglos die Toilettenspülung zu betätigen.
Die Aussage, niemand habe bei dem damaligen Verhör Knox's Lumumbas Namen impliziert ist so nicht korrekt. Nach langen Stunden des Verhörs wurde ihr die Textnachricht vorgehalten, welche sie Lumumba am Abend des Mordes geschrieben hatte. Knox, der italienischen Sprache zu diesem Zeitpunkt noch kaum mächtig, hatte ihrem damaligen Chef etwas wie „see you later“ schreiben wollen, was im Englischen nichts weiter bedeutet als „bis dann“, wortwörtlich ins Italienische übersetzt aber impliziert, man sehe sich tatsächlich in naher Zukunft wieder. Die Italienische Polizei wirft ihr also vor, sie habe sich für diesen Abend doch in Wirklichkeit mit Lumumba verabredet, ein Treffen sei doch geplant gewesen, zugeben solle sie es. Die Polizei implizierte an dieser Stelle einen möglichen Mörder und setze Knox emotional und körperlich unter Druck, sich „doch mal auszumalen, was geschehen haben könnte“. Während dieses Verhörs waren weder Anwalt noch Übersetzer anwesend. Das Verhör wurde zudem, ungewöhnlicherweise, angeblich nicht aufgezeichnet. Ebenfalls unbekannt ist, dass Knox kurze Zeit später in Polizeigewahrsam eine Notiz schrieb, in der sie selbst ihre Aussage anzweifelt und welche zwei Tage später sogar von CNN veröffentlicht wurde: “In regards to this ‘confession’ that I made last night, I want to make it clear that I’m very doubtful of the validity of my statements because they were made under the pressures of stress, shock and extreme exhaustion”.
Bezüglich des Verhaltens Knox sollte man sich nzunächst darauf einigen, dass jeder Mensch mit Trauer und außergewöhnlichen Situationen unterschiedlich umgeht – manch einer auf die seltsamste Art und Weise – und aus rein aus diesem Aspekt niemals ein Indiz für Schuld machen sollte. Dennoch ist die Behauptung, Knox habe niemals über den Tod Meredith's getrauert, sehr gewagt. Auf Bildern des Tages, an dem die Leiche Meredith's entdeckt wurde, sieht man eine verstörte Knox und einen angespannten Sollecito vor dem Haus stehen. Veröffentlicht wurde aber bloß die Aufnahme des Kusses, des einen, der im italienischen Fernsehen in Wiederholungsschleife zusammen geschnitten wurde, um es wie ein „intimes Techtelmechtel“ an einem Tatort aussehen zu lassen. Die Fotos der geschockten Verdächtigen hingegen sind bis heute weitgehend unbekannt. Auch von Knox's emotionalen Zusammenbruch während eines Tatortbesuches ist selten die Rede, den sie erlitt, als die Polizei sie bat im früheren Haus festzustellen, ob ein Messer fehle und somit als Tatwaffe infrage komme. Nach eigener Aussage war dies der Zeitpunkt, zu dem sie das erste Mal richtig realisierte, was genau geschehen war und sie dieses Bewusstsein regelrecht erschlug. Während etwa Meredith's britischen Freundinnen hauptsächlich mit Trauer auf den Tod ihrer Freundin reagierten, so äußerte Knox Wut über die schrecklichen Geschehnisse, über das, was Meredith zugestoßen war und die furchtbaren Umstände ihres Todes. Man kommt dennoch nicht herum um die Frage ob jemand, der tatsächlich einen Mord begangen hat, sich direkt nach der Entdeckung der Leiche, nicht eher konform verhalten und sich den verhaltensbezogenen Erwartungen an eine trauernde Freundin unterwerfen würde, um nicht die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Warum also unbedarftes und nach Aussagen Anderer „verdächtiges“ Verhalten an den Tag legen, wenn man angeblich etwas zu verbergen hat? Und warum dann eine angebliche Mörderin, die sich dann ja offensichtlich sehr schlecht verstellen und anpassen kann, sich stattdessen „höchst seltsam“ verhält, als „perfekte Schauspielerin“ bezeichnen?
Bezüglich der Aussage, der Mord an Kercher könne lediglich von mehreren Angreifern verübt worden sein, so ist dies die Aussage der neuesten Urteilsbegründung. Dennoch widerspräche dieser Feststellung ja genau jene Tatsache, welche Sie selbst ansprachen: es befindet sich nur die DNA einer einzelnen Person in dem Raum: Rudy Guede. Während ich realistisch gesehen denke, dass die Festlegung auf eine bestimmte Angreiferanzahl meine Kompetenzen überschreitet, so gibt es dennoch einige Tatsachen, welche – realistisch gesehen – unumstößlich sind: es befindet sich ausschließlich die DNA Guedes am Tatort. Es befindet sich keine DNA Knox's am Tatort. Ist man in einen hangreiflichen Kampf um Leben und Tod involviert und nach neuesten Aussagen des Gerichts sogar diejenige, welche die tödlichen Stichwunden ausführte, so hinterlässt man zwangsläufig (!) irgendeine Art von Spuren, seien es Fingerabdrücke, Haare, Hautpartikel, Fußabdrücke oder Kleidungsrückstände. Nichts jedoch findet sich am Tatort, was eine Involviertheit der Verdächtigen in den Mord beweisen könnte. Guede wiederum hinterließ diese Spuren. Es ist unmöglich, DNA mit dem bloßen Auge zu erkennen. Noch unmöglicher ist es, unsichtbare DNA lückenlos von einem Tatort zu entfernen. Am aller unmöglichsten aber ist es, sofern es eine Steigerung von „unmöglich“ gäbe, die eigene unsichtbare DNA von der unsichtbaren DNA eines anderen zu unterscheiden und schließlich ausschließlich die eigene DNA zu entfernen, gleichzeitig aber die DNA des anderen zurück zu lassen. Das ist – realistisch gesehen – Fakt.
Daran ändert sich auch nichts, verweist man nun etwa auf die Sammelleidenschaft Sollecitos, welcher sich für Messer interessierte und einige von ihnen sammelte. Dennoch ist die Mitnahme eines Taschenmessers etwas anderes als die Mitnahme eines extrem großen Küchenmessers. Nicht einmal von der Schuld Knox's und Sollecito's überzeugte Personen können erklären, warum er an diesem Abend ein derartig großes Küchenmesser einstecken und mit sich herumtransporiert haben sollte – ganz zu Schweigen von der Tatsache, dass sich seine Sammelleidenschaft wohl kaum auch auf Küchenmesser ausdehnte. Die interessanteste Theorie, die mich zugegeben etwas schmunzeln ließ, war etwa, dass Sollecito und Knox an diesem Abend ohne bestimmten Ziel von Zuhause aufbrachen und durch die Straßen Perugias streiften, um unbedarfte Menschen auf der Straße mit dem großen Küchenmesser zu „erschrecken“ und dann zufällig am eigenen Haus Knox's vorbeikamen. In jedem Falle hört man selten Szenarien bezüglich der Mitnahme des Messers, die realistischer als dieses wären. Der Mord, so sind sich ja alle einig, habe in jedem Falle spontan stattgefunden, aus Affekt. Wie ist diese Ansicht möglich, ist man gleichzeitig der Ansicht, dass die Mordwaffe vorsätzlich von einer anderen Wohnung mitgebracht wurde? All diese Gedanken sind jedoch überflüssig, konzentriert man sich alleine auf die Tatsache, dass sich weder Spuren des Opfers am Messer Sollecito's befinden, dieses nicht zu den Umrissen der Tatwaffe auf Meredith's Matratze passt, noch den Stichwunden an ihrem Körper zuzuordnen ist.