"Bodensee-Mord" von 1969
16.05.2016 um 22:18
Südkurier Nr. 220
Rubrik: Südwestdeutsche Umschau
Mittwoch, 24. September 1969
Aus dem Rhein wurde eine männliche Leiche geborgen
Kripo frägt: Wurde der Unbekannte ermordet? - Schweizer und deutsche Behörden arbeiten in der Ermittlung zusammen
Singen/Diessenhofen (s-oe) Rätselraten herrscht bei den Polizeidienststellen in Diessenhofen und Frauenfeld und bei der Kriminalpolizei in Konstanz und Singen:
Im Rhein bei Diessenhofen wurde am späten Montagnachmittag die Leiche eines bisher noch unbekannten Mannes geborgen. Um den Hals der bereits stark aufgedunsenen Leiche, war eine braune Damenstrumpfhose geschlungen.
Von den zuständigen schweizer Behörden wurde sofort die Kriminalpolizei Singen eingeschaltet. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Tote aus dem Umkreis von Singen kommt. Kriminalhauptkommissar Georg Riemensperger von der Singener Kriminalpolizei gestern zum SÜDKURIER:
"Auf die vier offiziell als vermißt gemeldeten Personen paßt die Beschreibung nicht." Trotzdem kann man natürlich nicht aussschließen , daß es sich bei dem Toten um einen Singener handelt. Diese Vermutung liegt in der Tat nicht sehr fern: Die schweizer Kriminalisten haben festgestellt, daß sich der Mann in den letzten Wochen im Raum Konstanz, Singen, Stein am Rhein, aufgehalten haben muß.
Mit hoher Wahrscheinlichket rechnen die Kriminalbeamten aus der Schweiz und Deutschland damit, daß es sich um ein Verbrechen handelt. Die Art, wie die Strumpfhose um den Hals des Mannes gezogen ist, spricht am meisten dafür.
Der Mann der der mindestens eine Woche im Wasser lag, ist 40 bis 50 Jahre alt, 165 cm groß, hat mittlere Statur, dunkelbraune, leicht ergraute Schläfen, angehende Stirnglatze, braune Augen, Teilzahnprothese. Besonders auffällig ist eine strahlenförmige Narbe an der rechten Hüfte. Der unbekannte Mann trug einen dunkelgrauen Anzug, ein weißes Hemd und einen Gabardinemantel. Er hatte eine Armbanduhr der Marke "Desira" am Arm.
Nach den Ermittlungen der Polizei ist es möglich, daß es sich bei dem Ertrunkenen um einen Kellner handelt. Sachdienliche Hinweise nimmt jede schweizer oder deutsche Polizeidienstelle entgegen.
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Südkurier, Nr. 221
Donnerstag, 25. September 1969
Weiter Rätsel um den Toten von Diessenhofen
Identität noch nicht geklärt - Alles deutet auf ein Verbrechen hin
Singen (hem) immer mehr Kopfzerbrechen bereitet den deutschen und Schweizer Kriminalisten die Wasserleiche, die , wie berichtet, am Montag bei Diessenhofen im Rhein geborgen wurde. Sie hatte eine Strumpfhose um den Hals. Während man vorgestern noch fest davon überzeugt war, daß es sich um einen Kellner handle, stellte man jetzt fest, daß der etwa 40-50jährige Mann auch drei Friseurscheren bei sich hatte.
Nach den umfangreichen Ermittlungen steht fest, daß der Mann noch vor zwei Wochen auf der Reichenau war, um dort die Scheren zu verkaufen. Außerdem verstärkt sich der Verdacht, daß es sich um einen Homosexuellen handelt. Der Singener Kripochef, der gestern in Diessenhofen war, um die Identität des Toten zu klären, mußte unverrichteter Dinge wieder abreisen: Die Leiche ist zu sehr entstellt, um irgendwelche Ähnlichkeiten zu erkennen. Zur Zeit wird noch ein Hinweis der Berner Kriminalkommandatur geprüft, wonach der Tote von dort stammen könnte.
Verwirrend ist vor allem, daß die Kleidung des Mannes von einer Zürcher Firma stammt, während er nur deutsches Geld bei sich hatte. Im übrigen haben die Untersuchungen ergeben, daß der Mann erdrosselt wurde.
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Südkurier
Rubrik Konstanz, wahrscheinlich 29. September 1969
Identität des Toten geklärt:
Friseur aus Oberfranken auf Erholungsfahrt ermordet
Der am 22. September aus dem Rhein bei Diessenhofen (Schweiz) geborgene Tote ist identifiziert (siehe auch Meldung auf der Südwestdeutschen Umschau). Es handelt sich um den 56jährigen Inhaber eines Friseurgeschäftes Josef Löw aus Selbitz in Oberfranken, der nach Angaben der Schweizer und deutschen Kriminalpolizei ermordet worden ist.
Die Kriminalpolizei Hof (Oberfranken) bestätigte dem SÜDKURIER telefonisch die Identität des Ermordeten, der am 3. August mit unbekanntem Ziel aus Selbitz abgereist ist.
Der ermordete Friseur hatte sich nachwieslich in der Zeit zwischen dem 13. und dem 16. September in Konstanz und auf der Insel Reichenau aufgehalten (der SÜDKURIER berichtete mehrmals über den Fall). Recherchen des SÜDKURIER ergaben, daß der Mann am 3. August überstürzt kurz vor 24 Uhr seine Wohnung in Selbitz verlassen hatte und zunächst nach Hof mit der Eisenbahn gefahren war. Dort kaufte sich Löw - er hatte 2000 DM mitgenommen - eine Eisenbahnfahrkarte nach dem Süden Deutschlands.
Als Ursache für den überstürzten Aufbruch des 56jährigen wird häuslicher Streit angenommen. Löw besaß in Selbitz ein gutgehendes Friseurgeschäft, das er sich nach dem Kriege - er war Flüchtling aus dem Sudetenland - aufgebaut hatte. Die Familie, Ehefrau und zwei erwachsene Töchter, half ihm dabei. In letzter Zeit allerdings hatten sich Familienstreitigkeiten gehäuft: Die Töchter heirateten und beabsichtigten wegzuziehen. Es wird nun von der Kriminalpolizei in Hof und den Familienangehörigen vermutet, daß diese Streitigkeiten die eigentliche Ursachen für die Abreise sind.
Angeblich wollte Löw wie er selbst auch sagte, einige Wochen in den Süden Deutschlands fahren, um sich zu erholen.
Im Interesse der Ermittlungen wollte sich gestern die Kriminalpolizei Konstanz nicht zu der identität des Ermordeten äußern. Die schweizer Kollegen, die ebenfalls mit den Ermittlungen befaßt sind, teilten dagegen Namen und Adresse des Toten gestern schon mit.
Josef Löw hatte am 17. September seinen 56. Geburtstag. In diesem Zusammenhang vermuten die Angehörigen , daß der Ermordete ausgiebig gefeiert und so unter Umständen durch unbekannte Hand den Tod gefunden haben müßte. Über den oder die Täter ist nach Auskunft der Kriminalpolizei Konstanz nichts bekannt.
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Südkurier Nr. 225 / Seite 10
Rubrik: Konstanzer Zeitung
Dienstag, 30. September 1969
Josef Löw wurde wahrscheinlich in den Rhein gestoßen
Kriminalpolzei bittet die Bevölkerung um Mitfahndung
z-a. Nachdem jetzt die Identität des am 22. September bei Diessenhofen (Schweiz) aus dem Rhein geborgenen Ermordeten geklärt worden war (der SÜDKURIER berichtete darüber), bittet nun die Kriminalpolizei Konstanz die Bevölkerung um Mithilfe bei der Fahndung nach den unbekannten Tätern. Wie berichtet, handelt es sich bei dem Toten um den 56jährigen Friseur Josef Löw aus Selbitz (Oberfranken), der eine Erholungsfahrt an den Bodensee gemacht hatte. Er war am 3. August von seiner Heimatstadt aufgebrochen; vermutlicher Anlaß für die Reise war Familienstreit.
Die Kriminalpolizei Konstanz teilt nun mit, daß Josef Löw in der Zeit vom 9. bis zum 20. August in Lindauer Hotels übernachtet habe. Über die Zeit vom 20. bis zum 29. August ist bekannt, daß der Friseur sich in einem Hotel in Konstanz aufgehalten hat.
Am 8. September wechselte Löw in ein anderes Konstanzer Hotel über, wo er bis zum 15. September blieb.
Vermutlich mit einem Kurschiff - die Kriminalpolizei fand eine Schiffsfahrkarte bei dem Toten - trat Löw dann am 16. September eine Fahrt nach Stein am Rhein an; das Schiff fuhr etwa um 9 Uhr in Konstanz ab. Von diesem Zeitpunkt an, dem 16. September, wurde der Friseur nicht mehr gesehen. Am 22. September zog man seine Leiche aus dem Rhein.
Die Kriminalpolizei nimmt nun an, daß Josef Löw mit ziemlicher Sicherheit in den Rhein gestoßen wurd. Der Tote hatte, als man ihn fand, eine Damenstrumpfhose um den Hals geschlungen. Hinzuzufügen ist noch, daß Löw am 17. September seinen 56. Geburtstag hatte. Man vermutet, daß hier ein Zusammenhang mit seiner Ermordung besteht.
Die Kriminalpolizei Konstanz bittet die Bevölkerung um Mitfahndung.
- Wo hielt sich Löw zwischen den festgestellten Aufenthalten in Konstanz und in Lindau auf, also in der Zeit vom 3. bis zum 9. August, vom 29. August bis zum 8. September und in der Nacht vom 15. auf 16. September?
- Wer hat Löw in der Zeit vom 3. August bis zu seinem Verschwinden gesehen, insbesondere am 16. September, dem Tag, an dem er wahrscheinlich ermordet wurde?
- Wer hat Löw in Begleitung dritter Personen gesehen?
- Wer kann sonstige Angaben zu Löw machen?
Weiter teilt die Kriminalpolizei mit, daß in einem Schließfach eines Konstanzer Hotels das Gepäck von Josef Löw gefunden wurde. Auffällig ist dabei, daß sich ein Smoking und benutzte Smoking-Hemden darunter befanden (insgesamt sechs). Die Kripo fragt nun, ob jemand den ermordeten Friseur in dieser Kleidung gesehen hat?