@allIch möchte noch einmal im Hinblick auf eine etwaige richterliche Verfügung in diesem Fall etwas deutlich machen, was wichtig ist, damit die Prozessabläufe aus Perspektive der Polizei und der Staatsanwaltschaft deutlich werden. Das ist in diesem Fall wichtig, um verstehen zu können, welche Handhabe die Polizei im Fall Frauke Liebs wann hatte und wie sie im Fall Frauke Liebs davon Gebrauch gemacht haben könnte. Das muss man schon genau darstellen. Wen es nicht interessiert, sollte einfach über diesen Beitrag hinweglesen oder es als Spam markieren:
Der Richtervorbehalt ist eine gesetzliche Zuständigkeitsvorschrift, wonach nur ein Richter für bestimmte staatliche Maßnahmen und Entscheidungen zuständig ist. Diese Zuständigkeitsnormen finden sich im Verfassungsrecht (in Deutschland: Art. 13, Art. 104 Grundgesetz), sowie insbesondere im Strafverfahrensrecht (in Deutschland: diverse Normen der Strafprozessordnung) und im Polizeirecht des Bundes und der Länder, aber auch in anderen Rechtsgebieten (z. B. freiwillige Gerichtsbarkeit, Betreuungsrecht, Ausländerrecht). Danach sind vor allem schwerwiegende oder mißbrauchsanfällige Eingriffe in Rechtsgüter eines Individuums von einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung abhängig. Dies betrifft etwa Wohnungsdurchsuchungen, Freiheitsentziehungen, körperliche Eingriffe, Telefonüberwachungen, den sog. großen Lauschangriff oder teilweise auch DNS-Analysen.
Der Richtervorbehalt durchbricht dabei die Zuständigkeit der vollziehenden Gewalt für den ersten Zugriff mit der Folge, dass die Verwaltung (Polizei, Staatsanwaltschaft und andere Behörden) erst nach einer richterlichen Gestattung handeln darf. Der Richter wird dabei nicht im Rahmen der Rechtsprechung tätig, sondern wirkt entweder in Bezug auf die Gefahrenabwehr an einer Verwaltungsentscheidung mit oder handelt im Rahmen der repressiven Strafverfolgung als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft, die im Ermittlungsverfahren Herrin des Verfahrens ist.[1] Bestimmte Regelungen der Eilzuständigkeit gewährleisten wiederum, dass in Ausnahmefällen – insbesondere bei Gefahr im Verzug – den Behörden zumindest ein vorläufiger Eingriff erlaubt ist (sog. Gefahrdelegationen).
Wikipedia: RichtervorbehaltEs steht hier eindeutig, dass in Eilzuständigkeiten bei Gefahr im Verzug beispielsweise ein vorläufiger Eingriff auch ohne richterliche Verfügung den Behörden erlaubt ist.
Das ist im Fall Frauke Liebs bereits einen Tag nach ihrem Verschwinden der Fall gewesen, weil die SMS aus Nieheim-Entrup geortet wurde.Jetzt ist nach dem ersten wirklichen Lebenszeichen von Frauke mit dem Telefonanruf am Donnerstagabend aus Hövelhof-Dreihausen möglicherweise eine andere Einschätzung der Polizei vorgenommen worden, die jede weitere polizeiliche Maßnahme unmöglich gemacht hat, weil eine erwachsene Frau ein Selbstbestimmungsrecht hat, wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben möchte.
Subjektiv dürfte der Anruf von Frauke am Donnerstagabend von den Angehörigen wohl kaum als Entspannung, was den Punkt Gefahr im Verzug angeht, wahrgenommen worden sein. Das ist aber für eine Ermittlungsbehörde unerheblich. Das heißt eigentlich logisch, dass ab dem Freitag wohl keinerlei aktive polizeiliche Ermittlungsaktionen vorgenommen wurden. Im am Freitag, den 23. Juni 2006 veröffentlichten Artikel heißt es aber:
Die Angehörigen appellieren an die Vermisste, sich zu melden. Als Erwachsene steht der 21-Jährigen ein selbstbestimmter anonymer Aufenthaltsort zu. Da aber der plötzliche Kontaktabbruch zu Angehörigen und Bekannten nicht erklärt werden kann, ermittelt die Polizei
weiterhin in alle Richtungen, um die Umstände aufzuklären.
Wenn ich jetzt einmal die in solchen Fällen eher ungewöhnliche und schnelle Reaktion der Polizei bereits am Mittwochnachmittag auf die Vermisstenmeldung bedenke, dazu noch den doch erheblichen Eingriff mit der Handyortung, dann das Lebenszeichen Fraukes am Donnerstagabend, und schlussendlich diese Meldung der Polizei am Freitag, den 23.06.2006, die eindeutig darauf hinweist, dass die polizeilichen Ermittlungen mit dem Anruf am Donnerstagabend nicht aufhörten,
dann kann das nur heißen, dass auch nach Einschätzung der Polizei Gefahr im Verzug für Frauke weiter bestand. Für diese Einschätzung muss es auch objektive Kriterien gegeben haben. Für mich heißt das aber auch, dass die Polizei im weiteren Verlauf der nächsten Tage weiter "Narrenfreiheit" hatte, was ihren Handlungsspielraum betrifft. Eine richterliche Verfügung dafür war keineswegs nötig.
Durch Userin beautiful wissen wir, dass es vor dem 7.Juli bei ihr eine Hausdruchsuchung gegeben hat. Dafür wäre eine richterliche Verfügung eigentlich zwingend vorgeschrieben, weil hier zwei Rechtsgüter ins Spiel kommen. Nämlich auch die bisherige Unbescholtenheit der Userin beautiful und der erhebliche Eingriff in ihre Privatsphäre. Die Verfügung müsste dann zwischen dem 23.06.2006 und 6.Juli 2006 erlassen worden sein. Polizei und Staatsanwaltschaft müssen prinzipiell weitere Eingriffe gegenüber einem Richter begründen. Sie müssen also die Weiterung der Ermittlungsmaßnahmen begründet haben. Dazu heißt es:
Die Praxis der richterlichen Tätigkeit aufgrund von Richtervorbehalten wird vor allem im Strafverfahrensrecht vielfach kritisch gesehen. So belegen rechtstatsächliche Untersuchungen zu Telefonüberwachungen, dass in etlichen Fällen die Entscheidungen nicht sehr gründlich abgefasst werden. Dies hat zu dem Verdacht geführt, dass Richter die schwerwiegenden Eingriffe in Grundrechte nach einer eher oberflächlichen Prüfung anordnen oder genehmigen – obwohl dies nach dem Sinn des Richtervorbehaltes gerade nicht der Fall sein sollte./ZITAT]
Wikipedia: Richtervorbehalt
Fakt ist aber auch, dass Gefahr im Verzug weiterbestand und die Ermittlungsbehörden jede weitere Telefonüberwachung aller Angehörigen aufgrund der Ausnahmesituation auch ohne richterliche Verfügung ab Freitag hätten durchführen können. Ob die Polizei es auch getan hat, wissen wir nicht. Jetzt kommt der Wortlaut Fraukes am Freitagabend erst einmal ins Spiel. "Komme nach Hause. Bin in Paderborn." Und Samstag der gleiche Wortlaut. Der Versuch des Täters, die Situation mit dem Anruf Fraukes am Donnerstagabend zu beruhigen, erhält also in den folgenden Tagen eine wesentliche Informationserweiterung, denn Frauke war ja tatsächlich in Paderborn, wie wir heute wissen, und dieses "Komme nach Hause" kann erklären, warum diese Informationserweiterung am Freitag und Samstag im Sinne des Täters notwendig geworden war. Wie SusiSK meines Erachtens richtig festgestellt hat, wollte der Täter am Freitag und Samstag geortet werden und hat daher zum ersten Mal Frauke viel näher von ihrer Wohnung telefonieren lassen. Da nun aber keine Rückmeldung seitens der Presse mehr kam, auch keine polizeilichen Informationen mehr an die Öffentlichkeit gerieten, dürfte das zu einer Verunsicherung des Täters beigetragen haben. Ihm wurde klar, dass er dieses Spiel nicht mehr lange durchziehen konnte, zumal nach der Ankündigung Fraukes, bald nach Hause zu kommen, nichts folgte.
Für mich ist eine wichtige Frage daher: Was hat den Täter unter diesen Vorzeichen geritten, Frauke noch am Sonntag und am Dienstag telefonieren zu lassen?