@BernieAussage Pfr. Haas / Beichtgeheimnis
Zunächst muss ich zugeben, dass mir § 139 RStGB (Fassung 1871) nicht bekannt war. Ein katholischer Priester hätte demnach mit Gefängnis bestraft werden müssen, wenn ihm im Vorfeld durch die Beichte bekannt geworden wäre, dass ein Mord geplant ist und er diesen durch Anzeige nicht verhindert hätte.
Zerknirscht räume ich auch ein, dass ich nicht gewusst habe, dass sich ein katholischer Priester 1922 nicht auf sein Beichtgeheimnis berufen konnte, wenn er eine Zeugenaussage machen sollte, weil es damals noch kein derartiges Aussageverweigerungsrecht für katholische Priester gab. Hätte er sich auf sein Beichtgeheimnis dennoch berufen, hätte er in Beugehaft genommen werden müssen.
Wie ich heute feststellen musste, kann sich ein katholischer Priester erst seit dem Reichskonkordat, somit seit dem 20.7.1933 auf ein Aussageverweigerungsrecht wegen Beichtgeheimnis (§9) berufen.
Aber:
Aus Sicht des Kirchenrechts ist das Beichtgeheimnis seit Jahrhunderten absolut und darf aus keinem Grund und unter keinen Umständen gebrochen werden, nicht einmal zur Rettung des eigenen Lebens oder fremden Lebens.
Im Codex Iuris Canonici heißt es im can. 983:
§ 1 Das Beichtgeheimnis ist unverletzlich, dem Beichtvater ist es daher streng verboten den Pönitenten durch Worte oder irgendeine andere Weise oder aus irgendeinem Grund irgendwie zu verraten.
In can 1388 § 1 CIC wird die Rechtsfolge der Verletzung des Beichtgeheimnisses genannt:
Ein Beichtvater, der das Beichtgeheimnis direkt verletzt, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu.
Ich gehe also davon aus, dass Pfarrer Haas gewusst hat, was er als katholischer Priester zu tun hat und somit hat er sich im Rahmen seiner Zeugenvernehmung zum Mordfall Hinterkaifeck von vornherein umfassend auf das Beichtgeheimnis berufen, welches er nach Kirchenrecht niemals brechen darf. In der Tradition des hl. Nepomuk, der für die Wahrung des Beichtgeheimnisses sogar gestorben ist, wird er die Strafe (Beugehaft) bewusst in Kauf genommen haben.
StA Renner wird die Aussage Haas gelesen haben und befand sich damit in einer Art Zwickmühle. Ein Aussageverweigerungsrecht für katholische Priester gab es nicht, also hätte er Beugehaft anordnen müssen, weil ein Zeuge in einer wichtigen Sache aussagen musste und dieses verweigert hat. Da er aber sowieso davon ausgegangen ist, dass die Tat von auswärtigem Räubergesindel begangen worden ist, was niemals zur Beichte bei Pfr. Haas war, wird er sich überlegt haben, dass es sich hierfür nicht lohnt, sich mit der katholischen Kirche anzulegen. Es wäre sicherlich nicht angenehm gewesen, einen katholischen Priester in Beugehaft zu nehmen.
Vielleicht hat er sich deshalb überlegt, dass es niemandem schadet, wenn die Aussage aus den Akten entfernt wird.
Zumindest halte ich dieses für eine plausible Erklärung, warum die Aussage nicht mehr in den Akten ist.