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Mordfall Hinterkaifeck

51.932 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Bauernhof, Hinterkaifeck ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Hinterkaifeck

Mordfall Hinterkaifeck

20.08.2013 um 20:46
@Kailah,

die Frage ist doch ob diese Fememorde nur auf Anordnung von Braun erfolgten, oder ob noch weitere Personen darin verstrickt waren. Darüber sind sich die Historiker wohl uneins. Ich zitiere mal aus o.g. Buch von Horst Nußer: S. 140
Die für die Morde verantwortliche Schaltzentrale war die unter Leitung von Dr. Joseph Kern stehende Wirtschaftsstelle, bei der die gesamten Waffengeschäfte zusammenliefen. Das Spezialkommando stand unter der Führung des Oberleutnants Braun, der rechten Hand Kerns. Seine Handlanger waren German Böhm und Hans Schweighart, die Brüder Schneider sowie Neunzert, Schuster, Berchtold und in weiterm Sinne der bereits erwähnte Czernak. Diese Abteilung agierte aber nicht allein und vor allen Dingen nicht aus eigenem Antrieb. Entscheidende Verantwortliche, die offen sie Fememorde billigten, waren Pöhner und Frick im Münchner Polizeipräsidium, Justizminister Roth, die Abteilung Zettelmeier im Innenministerium sowie die allgemeine EWB-Zentrale unter Kriebel, die im engen Kontakt mit Kahr standen. Ausgeführt wurden die Morde von den Militärs der Wirtschaftsstelle unter Kanzler und Braun, angeordnet wurden sie, wenn man den Ausführungen des Kriminalinspektors Reingruber glauben darf in Pöhners direktem Auftrag in seiner Privatwohnung. Die Kommissare Glaser und Oberinspektor Meyer waren dort zum Befehlsempfang in der Dobner Mordsache gewesen. Pöhner organisierte nach den begangenen Verbrechen die Ausstellung von Inkognito-Pässen. Glaser, der als einziger namhaft gemacht wurde, sagte bei der Vernehmung , Pöhner habe die Weisung ausgegeben sämtlichen Organen der Reichswehr und EW, die sich mit dem Ersuchen an die Polizeidirektion wenden, zu entsprechen, und es sei häufig vorgekommen daß Ersuchen um beschleunigte Paßausstellung gestellt wurden.
Die Aussagen von Glaser und Reingruber waren von 1927, als die Fememorde nochmals aufgearbeitet wurden. Die Schlüsse, welche Nußer zieht sind nicht ganz unumstritten. Ich halte sie durchaus für möglich.
Jede Waffenlagertheorie und deren mögliche Vertuschung hängt von den weiter oben agierenden Personen ab und deren möglicher Einfluss auf Personen wie Reingruber.


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Mordfall Hinterkaifeck

21.08.2013 um 01:00
@canales
Mal eine Frage an Dich:
Wie schätzt Du die Lage ein? Wusste / ahnte Reingruber von den Verstrickungen bis in höchste Regierungskreise?
Ich meine, wir wissen heute mehr, weil nach der Nazizeit einiges aufgedeckt wurde und damit Zusammenhänge erkennbar wurden...
Aber wie war es zu der Zeit, als die Dinge alle im Hintergrund gelaufen sind und noch nicht so offensichtlich waren?


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Mordfall Hinterkaifeck

21.08.2013 um 01:05
@canales
@pensionär
Zitat von canalescanales schrieb:die Frage ist doch ob diese Fememorde nur auf Anordnung von Braun erfolgten, oder ob noch weitere Personen darin verstrickt waren
Weshalb ist das "die Frage" in der Causa Hinterkaifeck? Könnten Sie diese "Frage" bitte konkret als Frage formulieren?
Entscheidende Verantwortliche, die offen die Fememorde billigten, waren Pöhner und Frick im Münchner Polizeipräsidium, Justizminister Roth, die Abteilung Zettelmeier im Innenministerium sowie die allgemeine EWB-Zentrale unter Kriebel, die im engen Kontakt mit Kahr standen.
Ihr Zitat!!!

That's it - fertig! Armer Herr Reingruber.

Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

21.08.2013 um 01:17
Wir stellen also wieder eimal einvernehmlich fest:

Die Münchener Polizei im Allgemeinen hätte "den Teufel getan" Fememorde (z.B. wegen angedrohter oder getätigter Offenlegung bekanntgewordener Waffenlager gegenüber der Entente) ernsthaft aufzuklären.

Aber die Schädel der Opfer zu spiritistischen Damen schleppen nach dem Motto: "Na, wir haben nun wirklich ALLES getan". Klasse, gell? Heil Schinkel.

Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

21.08.2013 um 09:05
@Kailah

ich glaube nicht, dass Reingruber verborgen blieb was da bezüglich der Pässe von Frick und Pöhner ablief. Dennoch konnte er gegen Schweighart ermitteln und auch gegen die EW, zumindest was den engeren Täterkreis betraf.
Was die Drahtzieher betraf so habe ich meine Zweifel, ob Reingruber da genügend "Rückendeckung" von wem auch immer hatte um die Ermittlungen entsprechend auszudehnen.
Was nun HK betrifft, so deutete ja auch für Reingruber nichts in eine Richtung, welche im Zusammenhang mit Waffengeschäften stehen könnte. Ob im Polizeipräsidium Mitarbeiter eingeweiht worden wären ist schwer zu beurteilen, in den Fällen bei den offensichtlichen Fememorden ist das eindeutig so gewesen.
Ob es Ermittlungen in diese Richtung (Waffengeschäfte) gab ist nicht bekannt, zumal viele Akten ja nicht mehr vorhanden sind. Deshalb verbleibt diese "Theorie" im spekulativen Bereich.


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Mordfall Hinterkaifeck

21.08.2013 um 09:26
@canales
Zitat von canalescanales schrieb:ich glaube nicht, dass Reingruber verborgen blieb was da bezüglich der Pässe von Frick und Pöhner ablief. Dennoch konnte er gegen Schweighart ermitteln und auch gegen die EW, zumindest was den engeren Täterkreis betraf.
?..und Pässe für Schweighart!

1. "Ermitteln" durfte Reingruber auch im Falle HK. Tat er auch.
2. Sicherlich ist ein Waffenversteck in HK völlig unbewiesen.
3. Wir suchen hier doch primär Erklärungsmuster die maximal zu neuen Untersuchungen führen könnten; Grabungen in HK werden nichts bringen 😊
4. Klasse wären z.B. Tagebücher u.a. Aufzeichnungen von Frick, Pöhner, Reingruber, Schweighart,,...

Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

21.08.2013 um 20:08
@Kailah
Zitat von KailahKailah schrieb:1. "Ermitteln" durfte Reingruber auch im Falle HK. Tat er auch.

Tat er auch? Wo denn? Das ist doch genau der Punkt...!

Er kam am Morgen des 05.04.22 nach HK, hat ein paar Leutchen vernommen und war nie mehr wieder gesehen...
Kuckt Euch doch mal an, wer die Verhöre, die noch vorhanden sind, unterzeichnet hat, bzw. wie viele Dokumente es von Reingruber gibt... die kann man an einer Hand abzählen:

05.04.22
1. Greger G.
2. Schlittenbauer L. (als Auffindzeuge)
3. Pöll (AZ)
4. Sigl J. (AZ)
5. Schirvosky-Brüder
6. Schrätzenstaller
7. Franziska Schäfer
8. Starringer C.

06.04.22
A) Bericht (Tatortbegehung usw.)

07.04.22
9. Betz J.
B) Telefonnotiz zur Leichenöffnung

27.02.1926
C) Notiz zu Schäfer F.

1.,2.,3... = Verhöre
A), B)... = Berichte/Notizen

Reingruber hat von den momentan 91 vorhandenen Verhörprotokolle genau 9 Verhöre unterzeichnet und damit auch durchgeführt.
Diese Verhöre beschränken sich auf genau 3 Tage: 05.04 - 07.04.22.

... Und hat es als "lei(d)tender Ermittler" geschafft, ganze 3 (!!!) Berichte und Notizen zu verfassen... Das hat die Bezeichnung "ermittelt" nicht verdient.

Es mag schon sein, dass das Ein oder Andere im Laufe der Zeit abhanden gekommen ist, was von Reingruber noch geschrieben/verfasst wurde, aber die Unterlagen sind in München im Archiv, nicht im Augsburger Archiv, gelagert... damit ist das Feuer im WK II im Archiv in Augsburg mal ausnahmsweise nicht schuld...

WENN DAS die "Handschrift", bzw. die Arbeitseinstellung von Reingruber gewesen wäre, hätte er mit Sicherheit für die Ermittlungen in anderen Fällen keine Gratifikationen und Belobigungen für ausserordentliche Leistungen bekommen, die man im Buch von P. Leuschner (1997, 2. Auflage) nachschlagen kann.


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zilch ehemaliges Mitglied

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Mordfall Hinterkaifeck

21.08.2013 um 21:29
Ich denke, das ist doch schon so Einiges. Aber gibt die Ermittlungsaktivitäten nicht vollständig wieder.
Es wurde eine große Zahl von Reisenden vernommen, allein es gab keinen Anhaltspunkt bei denen. Und der Hauptverdächtige Bärtl ist so geschickt untergetaucht, dass man seiner nicht habhaft werden konnte.
Somit blieb es bereits nach wenigen Tagen ein hoffnungsloses Suchen der Nadel im Heuhaufen, "Komissar Zufall" half diesesmal auch nicht mit und die mediale Eingebung war zu sehr am bereits Bekannten orientiert. Was sollte er also machen?

Mehr werden andere Komissare anderer Diensstellen in vergleichbaren Fällen auch nicht getan haben, vor allem wenn es zeitgleich brisantere Fälle als einen Inzuchtsstadel in einem Provinznest gegben hat.

Also, da ist nichts. Bitte Mund abputzen und wieder zum Thema Hinterkaifeck zurückkehren.


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Mordfall Hinterkaifeck

21.08.2013 um 22:54
@Heike75
Genau so meinte ich das auch: Er durfte ermitteln und er tat dies - mehr als lax. Und dafür gab es Gründe.

Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

21.08.2013 um 22:57
@zilch

Sie wollen ewig gestrig in die Sackgasse zurückkehren; nicht nach HK.

Und warum "Mund abputzen" Herr Rezensent?


Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

21.08.2013 um 23:28
Ich vermute, das Reingruber der Fall nur lästig war, sein Jagdgebiet war München, dort konnte er mit dem ganzen Polizeiapparat arbeiten.
Polizeispitzel, Zuträger, die standen praktisch vor der Haustür.
Der Mordfall Hinterkaifeck, war für ihn ein Nebenschauplatz, die Musik spielte in München, dort konnte man die Meriten sich verdienen.
Er legte sich direkt auf Raubmord fest, in der Hoffnung, dass man den oder die Täter früher oder später durch Zufall habhaft werden könnte.
Der Gedanke, einer wird irgendwann reden.
Der Fall kochte aber weiter, und das verdanken wir den Landpolizisten die vor Ort waren.


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zilch ehemaliges Mitglied

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Mordfall Hinterkaifeck

22.08.2013 um 08:33
@Kailah
Zitat von KailahKailah schrieb:@zilch
Sie wollen ewig gestrig in die Sackgasse zurückkehren; nicht nach HK.
Und warum "Mund abputzen" Herr Rezensent?Grüße aus Gröbern
Das stimmt nicht. Objektiv heißen die bisherigen Sackgassen:

- Lorenz-Schlittenbauer-Pfad
- Karl-Gabriel-Zombies-leben-länger-Stich
- Es-wär-so-schön-wenn-wir-eine-Nazi-Story-daraus-machen-könnten-Holzweg

Also wird es Zeit, sich den Tatortdetails zuzuwenden.

***
Zitat von KailahKailah schrieb:Genau so meinte ich das auch: Er durfte ermitteln und er tat dies - mehr als lax. Und dafür gab es Gründe.
Ja schon, aber eben keine politischen Gründe. @Friar_Tuck hat das ebenfalls sehr gut zusammen gefasst.


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Mordfall Hinterkaifeck

22.08.2013 um 09:23
@Friar_Tuck
@zilch

Ihre Position zur Haltung der Münchener Polizei in den 20er Jahren spricht für wenig Zeitwissen.

Das könnten Sie verbessern.

http://www.belleville-verlag.de/scripts/buch.php?ID=325

Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

22.08.2013 um 10:02
@Friar_Tuck
@zilch

Ihre Position zur Haltung der Münchener Polizei in den 20er Jahren spricht für wenig Zeitwissen.

Das könnten Sie verbessern.

http://www.belleville-verlag.de/scripts/buch.php?ID=325

Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

22.08.2013 um 10:08
@zilch

Von " Naziterror" war nie die Rede!

Hier etwas Nachhilfe und Literatur (quelle: Historisches Lexikon Bayerns):



Revolution-Gegenrevolution-Terror
(nach oben)
Die nachrevolutionären Kämpfe in Deutschland waren seit der Niederschlagung des Spartakusaufstandes in Berlin im Januar 1919 von schweren Gewaltexzessen begleitet. Dabei reichten Terrormaßnahmen von Affekthandlungen im unmittelbaren Gefolge der Kampfhandlungen bis zur gezielten Einschüchterung ganzer Gruppen des jeweiligen Gegners. Im öffentlichen Schlagabtausch wurden die Begriffe "roter/weißer Terror" bzw. "rote/weiße Garden" synonym für die Bedeutungsinhalte revolutionär/gegenrevolutionär verwendet.

Die in den jeweiligen Lagern gebrauchten Kampfformen lehnten sich an die Erfahrungen aus dem seit 1918 in voller Schärfe entbrannten russischen Bürgerkrieg an, gingen in ihren historischen Wurzeln jedoch bis auf die Französische Revolution zurück. Wie in den Jahren 1793/95 schöpften auch in den folgenden Revolutionen die jeweiligen Bürgerkriegsparteien ihre Rechtfertigung für den Einsatz von Individual- und Gruppenterror nicht nur aus dem Bedürfnis nach Revanche für selbst erlittenes Unrecht. Terror wurde geradezu zur unverzichtbaren Notwendigkeit erhoben, wenn im Gegenspiel von Revolution und Gegenrevolution positive Gewinnungsstrategien zur Befriedung des Gegners nicht ausreichten.

Im deutschen Bürgerkrieg von 1919/20 sollte Oberst Max Bauer (1869-1929), eine der Führungsfiguren auf der radikalen Rechten, die Erfahrungen aus der Niederschlagung revolutionärer Aufstände zu der Forderung verdichten: "Nur Terror kann Deutschland retten." Sein Einsatz als Kampfmittel gegen den inneren Gegner endete deshalb auch nicht mit dem Abflauen der Bürgerkriegskämpfe. Die in den Untergrund abgetauchten Freikorpskämpfer bedienten sich seiner noch in den Jahren 1920 bis 1923, um einer Stabilisierung der Weimarer Republik entgegenzuwirken. Ihre Einschüchterungs- und Mordaktionen richteten sich dabei gegen sog. Verräter aus den eigenen Reihen ebenso wie gegen führende Repräsentanten der Republik. Über eine Art Provokationsstrategie sollte so ein Klima der inneren Unsicherheit erhalten bleiben, das die Gegner auf der Linken zu gewalttätigen Gegenaktionen herausforderte und damit die Notwendigkeit zur Beibehaltung bürgerlicher Selbstschutzorganisationen herausstellte.

Revolution und Rätezeit in Bayern
(nach oben)
In Bayern hielten sich Gewalttaten in den ersten Wochen nach der erfolgreichen Revolution zunächst in Grenzen. Das lag nicht zuletzt daran, dass sich die Gegenkräfte erst allmählich vom Schock des Umbruchs erholten und deshalb kaum Gegenwehr leisteten. Mit dem beginnenden Wahlkampf für den Reichstag und Landtag verschärften sich ab Mitte Dezember 1918 jedoch nicht nur die verbalen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern einer Räterepublik und einer parlamentarischen Demokratie. Als sich zudem die soziale Lage dramatisch verschlechterte, schlugen Massendemonstrationen von Arbeitslosen in München schon Anfang Januar 1919 zu blutigen Straßenschlachten mit ersten Todesopfern um. Die mit weißen Armbinden gekennzeichneten Soldaten, die sich der "Republikanischen Schutztruppe" zur Verfügung stellten, wurden in Flugblättern ihrer Gegner auf der Linken als "weiße Garde" tituliert, deren Ziel als "Gegenrevolution in ihrer nackten Gestalt" gebrandmarkt wurde. Die Kampfbegriffe von "rotem" bzw. "weißem Terror" für oder gegen die sich formierenden bewaffneten Truppen auf der Linken wie auf der Rechten wurden schnell prägend für wechselseitige Schuldzuweisungen an einer Radikalisierung der Verhältnisse.

Die Konfliktsituation, die sich durch die Attentate am 21. Februar 1919 im Landtag auf Ministerpräsident Kurt Eisner (USPD, 1867-1919), Innenminister Erhard Auer (MSPD, 1874-1945) und den BVP-Abgeordneten Heinrich Osel (1863-1919) wesentlich verschärfte, konnte von den republikanischen Ordnungskräften jedoch zunächst noch kontrolliert gehalten werden. Mit der Ausrufung einer Räterepublik in München am 7. April 1919 eskalierten die Auseinandersetzungen dann jedoch schnell auch in Bayern zum Bürgerkrieg. Verhaftungen durch die Revolutionsorgane und willkürliche Gewaltakte blieben zwar auch nach der kommunistischen Machtübernahme noch begrenzt. Zeitweilig Inhaftierte aus dem Münchner Bürgertum wurden nach ihren Verfahren vor den Revolutionstribunalen sogar nahezu ausnahmslos bis Ende April wieder auf freien Fuß gesetzt. Schon in den Revolutionswochen und verstärkt in den publizistischen Abrechnungen danach dominierte jedoch bei den Gegnern der beiden Räterepubliken der Kampfbegriff vom "Rotmord über München". Gewaltakte gegen das Münchner Polizeipräsidium, zwei politische Morde durch spartakistische Täter und vor allem der sog. Geiselmord an zehn Gefangenen im Luitpoldgymnasium, darunter acht Anhängern der rechten Thule-Gesellschaft, im Zuge der Kämpfe um München Ende April wirkten wie eine Bestätigung für den Terror in der Rätezeit.

Militäreinheiten, die während der Münchner Räterepublik im April 1919 nach sowjetrussischem Vorbild gebildet wurden und die die Räterepublik und ihre Errungenschaften verteidigen sollten. Gegenstück waren die regierungstreuen "Weißen" Truppen, gebildet aus regulären Militäreinheiten und rasch formierten Freikorpsverbänden. Von Anfangserfolgen bei Dachau abgesehen, gelang es der Roten Armee nicht, den Regierungstruppen ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen. Gleichwohl prägten die bürgerkriegsartigen Kämpfe im Großraum München die politische Lage im Freistaat auf lange Zeit und trugen maßgeblich zur Entstehung der "Ordnungszelle Bayern" bei.

Besetzung und gegenrevolutionärer Umbau Münchens
(nach oben)
Schon in den Kämpfen gegen die "Rote Armee" hatten die mit den Regierungstruppen vorgehenden Freikorps verschiedentlich Gewaltakte im Umland Münchens begangen. Gelegentlich konnten sie sich dabei auf Rachebedürfnisse in der Bevölkerung stützen. Mit dem Eindringen in die Landeshauptstadt verschärften sich nicht nur die Kampfhandlungen, sondern auch individuelle wie kollektive Gewaltmaßnahmen.

Literatur:

Emil Gumbel, "Vier Jahre politischer Mord" und "Denkschrift des Reichsjustizministers zu 'Vier Jahre politischer Mord'".

Rudolf Herz/Dirk Halfbrod, Revolution und Fotografie. München 1918/19, Berlin 1988.

Heinrich Hillmayer, Roter und Weißer Terror in Bayern nach 1918. Ursachen, Erscheinungsformen und Folgen der Gewalttätigkeiten im Verlauf der revolutionären Ereignisse nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, München 1974.

Ulrike Claudia Hofmann, "Verräter verfallen der Feme!" Fememorde in Bayern in den zwanziger Jahren, Köln 2000.

Alan Mitchell, Revolution in Bayern 1918/1919. Die Eisner-Regierung und die Räterepublik, München 1967.

Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

22.08.2013 um 15:27
@Kailah

ich danke dir für die aufführlichen Zeilen zu der damaligen Zeit, mir persönlich sind die von dir genannten Bücher bzw. Aufsätze bekannt.
Es ging mir, in meinem letzten Beitrag mehr um die Person Reingruber, und nicht um die Verstrickungen der höheren Beamten bei der Polizei in München.
Ich sehe Reingruber als einen sehr ehrgeizigen Beamten an, der sich hochgearbeitet hat, und dies geschah im Großraum München. Dieser Raum war sein Revier und hier profilierte er sich.
Hinterkaifeck war für ihn nur ein Nebenschauplatz, wo er genau wusste, weil er selbst vom Lande kam, nur verlieren konnte.


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Mordfall Hinterkaifeck

22.08.2013 um 16:48
@Friar_Tuck
Zitat von Friar_TuckFriar_Tuck schrieb:Ich sehe Reingruber als einen sehr ehrgeizigen Beamten an, der sich hochgearbeitet hat, und dies geschah im Großraum München. Dieser Raum war sein Revier und hier profilierte er sich.
Hinterkaifeck war für ihn nur ein Nebenschauplatz, wo er genau wusste, weil er selbst vom Lande kam, nur verlieren konnte.
Wie kommen Sie auf Ihre Schlußfolgerung und weshalb konnte Reingruber "nur verlieren"?

Da sich Reingruber also "hochgearbeitet" hatte, wieso war er dann nach Ihrer Auffassung so fern von den "höheren Beamten"? Und war Reingruber als Untergebener nicht etwa ausgesteuert von diese "hohen", überwiegend national gesonnenen Tieren?

Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

22.08.2013 um 17:07
@Kailah
Zitat von KailahKailah schrieb:Genau so meinte ich das auch: Er durfte ermitteln und er tat dies - mehr als lax. Und dafür gab es Gründe.
Ah, ok - da hatte ich Dich falsch verstanden, sorry...
Zitat von KailahKailah schrieb:Und dafür gab es Gründe.
Definitiv, das sehe ich auch so.

@zilch
Zitat von zilchzilch schrieb:Ich denke, das ist doch schon so Einiges. Aber gibt die Ermittlungsaktivitäten nicht vollständig wieder.
9 von 91 Verhöre ist Einiges? Das sehe ich anders.
Vor allem, weil sich das Material fast nur auf den Monat April 1922 beschränkt. Aus der Folgezeit liegt uns noch Einiges an Material vor. Nur der Name Reingruber steht nie drunter. Warum nicht?
Zitat von zilchzilch schrieb:Bitte Mund abputzen und wieder zum Thema Hinterkaifeck zurückkehren.
Wir sind mittendrin.
Zitat von Friar_TuckFriar_Tuck schrieb:Ich vermute, das Reingruber der Fall nur lästig war, sein Jagdgebiet war München, dort konnte er mit dem ganzen Polizeiapparat arbeiten.
Nö - z.B.:
05.04.1922: Überfall auf das Bauernehepaar Stadler in Hohenried.
Oktober 1923: Vermisstenfall/Mord an Katharina S., 27 Jahre alt, aus Neuburg.
11.04.1929: Mord an Therese Geltermeier, Rosenheim.

Reingruber "löste" diese Fälle... gerade der Fall Katharina zog sich über Jahre.

Georg Reingruber war der Leiter der Ermittlungen, es "konnte" ihm damit nicht egal sein.
Man hatte 100.000 Mark Belohnung zur Ergreifung des Täters frei gegeben. Eine solche Summe war zu der Zeit einmalig... so egal war der Mord also nicht.

Noch am Tatort legte er sich "unprofessioneller" Weise auf Raubmord fest. Sein arrogantes Auftreten gibt der Gendarm Aneser (Anneser) wieder. Passt nicht zu dem Bild, welches Reingruber sonst vermittelt.

Er lässt nach 4 Selbstschutzleuten suchen, die zudem per Haftbefehl aus Opeln gesucht wurden, weil sie 9 Bauern erschlagen haben... das Rollkommando des Freikorps Oberland (später Epp) und mutmassliche Fememörder.
Durch ein Verhör der Magdalena Schindler wird später bekannt, dass sich Einer der o.g. Personen jahrelang im Donaumoos als Körbelzäuner bewegt hat und sich immer wieder zuhause in Karlskron aufhielt... galt aber bei der Polizei als "verschwunden". Wieder ein paar Jahre später wird dieser Mann wieder in die Armee aufgenommen. Es ist der Polizei aber nie gelungen, ihn zu verhaften... Zufall?

Verdächtiger Josef Bärtl... weil, so Reingruber, eine solche Tat nur von einem Irren ausgeführt werden konnte - coole Logik... es wimmelt von geschädigten Kriegsteilnehmer und Reingruber benennt Bärtl - der Irre aller Irren, sozusagen (das meine ich nicht böse, ich benutze nur die gleichen Worte...).

Da drängt sich einem doch der Verdacht auf, dass Reingruber an den Tatort gefahren ist und die Leute verhört hat, die im direkten Umfeld (zeitlich - verwandtschaftlich) mit den HKlern/Opfer zu tun hatten... um abzuchecken, wer was wo und wie gesehen hat oder weiss... Da wohl keiner etwas wusste, was er besser nicht wissen sollte, war alles im grünen Bereich und Reingruber trat den Heimweg an.

Nur den letzten Mann, der vor der Entdeckung auf HK zu tun hatte, nämlich Albert Hofner, vergisst man... 1925 fällt dann durch Zufall auf, dass kein Mensch den Monteur vernommen hat, der am Tag der Auffindung mehr als 6 Stunden auf dem Hof war und 4 Stunden durch eine Bretterwand von 4 Toten getrennt, gearbeitet hat...

Und das soll ich nun damit erklären, dass Reingruber lieber in München gearbeitet hat?


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Mordfall Hinterkaifeck

22.08.2013 um 17:13
Nachtrag zu diesem Satz:
Zitat von Heike75Heike75 schrieb: Georg Reingruber war der Leiter der Ermittlungen, es "konnte" ihm damit nicht egal sein.
Man hatte 100.000 Mark Belohnung zur Ergreifung des Täters frei gegeben. Eine solche Summe war zu der Zeit einmalig... so egal war der Mord also nicht.
Oder wusste man, dass man das Geld eh nie auszahlen würde... Hauptsache, die Leuten bestaunen die Summe und denken, wie wichtig der Fall für die Polizei doch sein muss...


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Mordfall Hinterkaifeck

22.08.2013 um 19:15
@Heike75
Hier gilt es aber zu bedenken, dass das die Zeit der Hyperinflation war, wo 1 US Dollar zwischen 1 Million und 4 Billionen Mark an Wert hatte, der Wert verfiel täglich. Daher darf man sich nicht durch die Zahl 100.000 Mark täuschen lassen.


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Mordfall Hinterkaifeck

22.08.2013 um 19:51
@Schissler
Ja, dass haben wir hier ja doch schon hinreichend "durchgekaut".
Diese Summe war jedoch unverändert einmalig!

Grüße aus Gröbern


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22.08.2013 um 19:53
@Heike75

Gut gebrüllt Löwin!

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Mordfall Hinterkaifeck

23.08.2013 um 01:50
Wen es interessiert, hier die Gewehrliste der Einwohnerwehr Wangen.
(Quelle: http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Dokumente:_1919_Gewehrliste_Einwohnerwehr_Wangen)

Passt irgendwie -gell?

Ort. Name

Gröbern Kreppmeir Josef 98 Danzing ** 1916 6457
Gröbern Bichler Andreas 98 Amberg 1915 4910
Gröbern Schwaiger Thomas 98 Danzing ** 1910 1139
Gröbern Pöll Michael 98 Danzing ** 1914 688
Gröbern Schrätzenstaller Xaver 98 Berlin 1917 3381
Gröbern Schmid Jakob 98 Spandau 1917 1842
Gröbern Freundl Johann 98 Suhl 1916 3685
Gröbern Stegmair Kaspar 98 Suhl 1916 8761
Gröbern Schlittenbauer Lorenz 98 Oberndorf 1916 7149
Gröbern Schrittenlocher Xaver 98 Oberndorf 1916 5646
Gröbern Gärtner Josef 98 Suhl 1916 4098
Gröbern Siegl Karl 98 Berlin 1916 8925
Gröbern Bichler Simon 98 Suhl 1916 9435
Gröbern Plöckl Michael 98 Berlin 1916 8186
Gröbern Schwaiger Alois 98 Oberndorf 1916


Hinterkaifeck Gruber Andreas 98 Spandau 1916 8459
Kaifeck Thaler Josef 98 Danzing ** 1916 1773
Kaifeck Lebmair Blasius 98 Danzing ** 1916 78
Laag Kreuthmeir Josef 98 Amberg 1916 2591
Laag Frank Josef 98 Suhl 1916 8767
Laag Gabriel Karl 98 Spandau 1916 7544
Merkertsmühle Gall Michl 98 Berlin 1916 3921
Oberhaid Schaad Rudolf 98 Spandau 1916 3079
Oberhaid Schaad Eugen 98 Spandau 1916 4036
Unterhaid Plöckl Johann 98 Berlin 1916 985
Wangen Greger Georg 98 Suhl 1916 6035
Wangen Riedl Josef 98 Suhl 1916 4304
Wangen Knöferl Alois 98 Suhl 1916 6679
Wangen Christ Simon 98 Berlin 1917 1195
Wangen Weber Franz 98 Berlin 1916 249
Wangen Buchberger Michael 98 Kornbusch * 1916 2886
Wangen Schaugg Johann 98 Amberg 1915 9050
Wangen Schwarzbaur Wendelin 98 Spandau 1916 3981
Wangen Waldmüller Michael 98 Spandau 1916 9798
Wangen Grabmann Johann 98 Berlin 1916 7699
Wangen Brummer Josef 98 Oberndorf 1916 1544
Wangen Grubmair Josef 98 Amberg 1915 7124
Wangen Katzlmeir Josef 98 Suhl 1916 3861
Wangen Rettenberger Alois 98 Amberg 1916 8741
Wangen Rech Michael 98 Amberg 1916 94
Wangen Burlafinger Kaspar 98 Suhl 1917 3020
Wangen Perschl Georg 98 Erfurt 1916 1817
Wangen Greger Alois 98 Suhl 1916 220
Wangen Frank Georg 98 Spandau 1916 854

In der Gewehrliste der Einwohnerwehr Wangen sind die ausgegebenen Gewehre dokumentiert mit Seriennummer und Herstellungsort.

Die erwähnten Herstellungsbetriebe sind:

Amberg Gewehrfabrik Amberg
Berlin Berlin-Lübecker Maschinenfabrik
Danzig [Anm.: in den Akten Danzing"] Königliche Gewehrfabrik Danzig
Erfurt Erfurter Maschinenfabrik
Kornbusch Waffenwerke Oberspree Kornbusch & Co.
Oberndorf Mauser Werke AG Oberndorf/Neckar
Spandau Königliche Gewehrfabrik Spandau
Suhl J.P. Sauer & Sohn


Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

23.08.2013 um 01:59
P.S.:

Bei dieser genauen, personalisierten Auflistung der Schusswaffen blieb eigentlich - zumal angesichts von 6 Personen - nur noch Mord durch Erschlagen.

Grüße aus Gröbern OHNE Flugzeuge und Dicke Bertas! 😊


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Mordfall Hinterkaifeck

23.08.2013 um 12:25
Griaß Eich God oille mideinanda!
Die Einwohnerwehren wurden bis zum 30. Juni 1921 aufgelöst. Die ausgeschossenen Schießprügel aus dem 1. Wk und davor mußten deshalb sicher auch von der schneidigen Wangener Einwohnerwehr abgeliefert werden. Vielleicht liegt einem der Feme-, Freikorps-, Schwarzer Reichswehr-, Dicke Berta-Experten etc. sogar eine Abgabeliste mit Datum vor. Dann hätten wir es komplett. Im Nachlass der Hinterkaifecker wird jedenfalls kein G98, kein MG 08/15 erwähnt, allerdings auch keine Gewehr-, Artilleriemunition und in Kisten verpackte Jagdflugzeuge. Selbst beim Abriß des Hofes wurde nur eine Reuthaue, ein rostiges Taschenmesser etc. gefunden. Ein Schneidrad ist auch nie aufgetaucht. Nix fier unguat, wos ma hoid so aufgfoin is. Pfiat Eich!



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