Lento schrieb:Aus diesem Beschluss geht auch hervor, dass er das Geständnis vor einem Richter abgelegt hat. Dieser Richter hat ihn jedoch nicht bzgl. der Folgen aufgeklärt.
Du hast von Tricks gesprochen, die Richter angeblich anwenden, indem sie den Vernommenen absichtlich falsch bzw. gar nicht belehren. Wo sind denn in dem Beispiel aus Göttingen Anhaltspunkte, dass Absicht vorlag?
Lento schrieb:Ich denke, Richter wissen schon was sie tun und wissen durchaus, dass eine nicht erfolgte Belehrung genau diese Folgen hat.
Dieser hier offenbar nicht. Richter sind auch nur Menschen, die wie jeder andere Fehler machen.
Nichtsdestotrotz gibt es im Leben natürlich Situationen, wo es für einige oder alle Beteiligte vorteilhaft sein kann, sich nicht an Gesetze zu halten. Das ist aber noch lange kein Freibrief, sich nicht dran halten zu müssen.
Lento schrieb:Das liegt anders. Der Unterschied ist sehr groß, im Normalfall liegt eben kein rechtskräftiges Urteil vor.
Aber die Situation ist doch genau die gleiche: Ein Unschuldiger droht verurteilt zu werden oder wurde es sogar schon und der wahre, bislang unbehelligte Täter überlegt, zu gestehen, um den Unschuldigen zu entlasten. Aus Sicht des Unschuldigen ist es völlig egal, ob der wahre Täter schon mal freigesprochen wurde oder nicht. Gesteht der wahre Täter jetzt, droht ihm Strafverfolgung, also lässt er es im Normalfall. Ergo führt auch hier das Gesetz dazu, dass die Wahrheit nicht ermittelt wird. Dir müsste das konsequenterweise eigentlich missfallen.
Lento schrieb:Richtig, es wird überaus selten sein. Aber daher kann man ohne höchstrichterliche Entscheidung auch nicht behaupten, dass meine Sichtweise falsch ist. Der historische Wille des Gesetzgebers, den das BVerfG im Urteil aufzeigt, würde die ganze Problematik komplett NUR im Wiederaufnahemfall aus der Welt schaffen und erklärt auch klar und deutlich, warum der Komplize nicht belangt wird. Ich denke, das sollte man gedanklich mal durchspielen.
Kann man ja. Aber ich sehe keine Anhaltspunkte dafür, dass das BVerfG das so sehen würde wie du. Es wird ja schon Fälle gegeben haben, wo 362 Nr. 4 angewendet wurde, obwohl derjenige nicht höhnisch gegenüber dem Staat aufgetreten ist. Das BVerfG geht doch offenbar davon aus, dass bei Geständnissen immer die Gefahr besteht, dass die staatliche Autorität leidet, wenn man nicht erneut ermitteln und verfolgen dürfte.
Am Ende wissen wir es nicht, aber wenn es z.B. nicht mal Literaturstimmen gibt, die das so sehen wie du, ist das ein Indiz, dass es sich um eine Einzelmeinung handeln könnte.
Heißt aber auch noch nicht, dass es allein deshalb falsch sein muss. Manche Dinge hatte auch einfach noch niemand auf dem Schirm. Aber: Wenn es tatsächlich üblich wäre, dass Richter tricksen, indem sie absichtlich falsch belehren, um das Problem zu lösen, wäre zu erwarten, dass die Thematik in der Rechtswissenschaft schon ausführlich diskutiert wurde. Höchstwahrscheinlich würde man also etwas finden.
Lento schrieb:Ja, ich gebe Dir Recht, diese Frage würde dann entstehen, warum der Täter das Geständnis ablegt. man müsste das Motiv erforschen. Aber damit haben Gerichte ja tagtäglcih zu tun. Motive werden im Strafrecht versucht zu erforschen und man versucht mit dessen Hilfe auch ein entsprechendes Strafmaß zu finden.
Bei 362 geht es aber schon um die Frage, ob man überhaupt nochmal ermitteln darf. Mir ist nicht klar, wie man da vorab erstmal das Motiv (verbindlich) feststellen soll. Das ist wäre völlig unpraktikabel.