Rick_Blaine schrieb:Andante schrieb:
Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, eine politisch genehme Regelung zu finden. Nimmt man, wie ich, die Gewaltenteilung ernst, ist es zunächst Aufgabe des vom Volk gewählten Gesetzgebers, eine für Gerichte eindeutige und handhabbare gesetzliche Regelung zu schaffen.
Ja, so kann man es in jedem Schulbuch nachlesen. Aber das echte Leben zeigt uns, dass die Welt nicht so ideal ist, wie man sie in solchen Büchern findet.
@Rick_Blaine Ich finde, du hast zu Recht darauf hingewiesen, dass in vielen Fällen die Qualität des Gesetzestexts zu wünschen übrig lässt. Insoweit richtet sich deine Kritik ("Aber das echte Leben zeigt uns ...") an den Gesetzgeber.
Meiner Meinung nach spielt aber auch das BVerfG in manchen Fällen eine unrühmliche Rolle, und zwar dadurch, dass es sehr wohl auf die "politische Genehmheit" seiner Entscheidungen achtet, also darauf, dass seine Entscheidungen nicht den Bestrebungen des Gesetzgebers (ja, ich möchte sogar sagen: der aktuellen Regierung) zuwiderläuft.
Diese Behauptung mag manchem ungeheuerlich erscheinen, da damit das Prinzip der Gewaltenteilung verletzt wäre, also an Grundfesten des Rechtsstaats gerüttelt wird. Ich will deshalb 3 Beispiele anführen, bei denen meiner Meinung nach genau dies passiert ist:
1. Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands wurde gesetzgeberisch festgelegt, dass bis zu einem bestimmten Datum erfolgte Enteignungen durch die sowjetische Besatzung rechtskräftig zu bleiben hätten. Laut dem Exkanzler Kohl war dies angeblich eine Bedingung von Gorbatschow. Das BVerfG hat diese Regelung für verfassungskonform erklärt.
2. Im Zuge der "Euro-Krise" wurde eine System aus Geldtöpfen und Finanzierungsverpflichtungen gegenüber der EZB geschaffen, das meiner Meinung nach klar die Budget-Hoheit des Parlaments in unzulässiger Weise einschränkt, vom BVerfG aber (mit ein paar Einschränkungen) für gut befunden wurde.
3. Wir haben in Deutschland die Praxis, dass Mitglieder der Regierung normalerweise auf der Regierungsbank im Parlament sitzen, bei Abstimmungen aber auf den Sitzen der Abgeordneten Platz nehmen, um dann in ihrer Funktion als Abgeordnete munter über Gesetzestexte abzustimmen, die als Regierungsmitglieder selbst vorlegen. Eine Gewaltenteilung kann ich hier nicht mehr erkennen. Diese Praxis hat das BVerfG für rechtskonform erklärt, und zwar im Zusammenhang mit Fragen der Entlohnung von Funktionsträgern im Parlament. Die Begründung dafür war, dass - salopp formuliert - eine strikte Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative antiquiert sei und die Gewaltenteilung im modernen parlamentarischen Betrieb durch das Sich-Gegenüberstehen von Regierungsparteien und der Opposition gewährleistet wäre.
Fundstellen dazu liefere ich auf Wunsch nach, es sich hier um allgemein bekannte Sachverhalte handelt, habe ich vorerst auf ihre Nennung verzichtet.