Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann
31.10.2023 um 17:25Andante schrieb:Was die Ermittlungsbehörden aber nicht verhindern können, ist, dass Opferangehörige, die ja Akteneinsicht haben, hingehen und der Presse erzählen, wie der Stand ist. So was es im Fall Möhlmann ja auch. Es war der Vater, der die Öffentlichkeit eingespannt hat, um eine Gesetzesergänzung zu erreichen.Verstehe. Die Akteneinsichthabenden dürfen mit dem neuesten Stand an die Öffentlichkeit gehen.
Man kann Opferangehörigen die Akteneinsicht auch kaum versagen, denn der Fall ist ja nicht abgeschlossen bzw. aufgeklärt. Wenn es der Freigesprochene nicht war, muss ja jemand anders der Täter sein, und der wird ja weiter gesucht.
Wenn es keine Angehörigen gibt, liest niemand die Akten.
Juris019 schrieb:Der unschuldig Verurteilte müsste dann ein Wiederaufnahmeverfahren zu seinen Gunsten anstrengen, in dem die neuen Beweismittel definitiv verwertet werden dürfen. Sie dürfen nur eben nicht als Grundlage für einen neuen Prozess gegen den bereits Freigesprochenen verwendet werden. Das sind dann aber eben zwei Verfahren, einmal die Wiederaufnahme und das Verfahren gegen den Freigesprochenen, dass dann aber nun einmal nicht mehr geführt werden darf.Der Verlauf ist mir klar.
Mir geht es um Folgendes. Ich fass mal meine lange Rede kurz zusammen:
Der in seinem Prozess Freigesprochene hat das Recht, von der Öffentlichkeit unbehelligt zu leben.
Wenn die Boulevardmedien den Fall immer wieder aufgreifen und ihn mit Alter, Namenskürzung und Balken über den
Augen abbilden, muss er damit leben. Aber von offizieller Seite darf er nicht mehr "vorgeführt" werden.
So verstehe ich das zumindest. Er hat genau so als unschuldig zu gelten, wie ein X-beliebig anderer.
Aber so absolut kann dieses Recht nicht sein, denn ein an seiner Stelle unschuldig Verurteilter kann erreichen, dass
der wahre Täter doch genannt wird. Wenn auch ohne juristische Folgen für den Täter.
Da steckt für mich ein Wurm drin.
Und die Nichteinstimmigkeit in der Richterabstimmung zeigt das auch.
Ich kann das Urteil nachvollziehen, aber es macht mir auch Bauchschmerzen.
Hier liegen Jahrzehnte zwischen Freispruch und erneuter Beweisführung.
Aber was wäre, wenn es (nach dem sich der Täter sicher fühlt) weitere Opfer gibt?
Ich könnte mir Psychen vorstellen, die sich dann unbesiegbar fühlen.
Und irgendwann wird die Tür zur Selbstjustiz geöffnet. Dann, wenn Angehörige die "juristische Ästhetik" des Paragraphen nicht würdigen können, weil ihr Schmerz zu groß ist.