ThoFra schrieb:Bis wann ist denn jetzt seine Hinrichtung aufgeschoben worden bzw wann entscheidet sich, ob er nun noch (zu einem späteren Zeitpunkt) hingerichtet wird oder nicht?
Vll kann dies @Rick_Blaine beantworten, der sich mit dem US - amerikanischen Justizsystem gut auskennt?
Gern aber auch jeder andere Forenuser.
Ich habe im Zusammenhang mit US - Strafgefangenen schon öfters gehört/ gelesen, dass die Hinrichtung 'aufgeschoben' oder auch 'ausgesetzt' wurde, ebenfalls, dass Todesstrafen in lebenslängliche Freiheitsstrafen (wie z B im Fall Charles Manson) umgewandelt wurden, was genau dafür jedoch Vorraussetzung ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Nun, als schon ewig hier praktizierender Strafverteidiger sollte ich mich hoffentlich ein wenig auskennen
:) Derzeit ist die Hinrichtung auf unbegrenzte Zeit ausgesetzt worden, und zwar durch das Revisionsgericht in Texas (in seiner Bedeutung in diesem Fall in etwa mit dem BGH in Deutschland zu vergleichen). Dies geschah im Zusammenhang mit dem, ich glaube inzwischen zehnten, Wiederaufnahmeantrag Reeds (ich benutze hier mal, so weit es geht deutsche Begriffe, wenn diese auf die amerikanische Sache anwendbar sind).
Auch in Deutschland gibt es die Möglichkeit, eine Haftstrafe während einer solchen Prüfung eines Wiederaufnahmeverfahrensantrags auszusetzen, der Vorgang ist also keineswegs ungewöhnlich. Im Gegensatz zur Aussetzung einer Haftstrafe ist freilich die Aussetzung einer Hinrichtung ein Fall, der bei Verweigerung dieser nicht rückgängig gemacht werden kann, so dass eine solche Aussetzung viel viel häufiger vorkommt als eine Aussetzung einer Strafhaft.
So, eigentlich wollte ich mich in diesem Thread gar nicht äussern, so lange hier nur ohne Kenntnis der Dinge meist politisch argumentiert wird. Aber Du hast ein paar Fragen angesprochen, die ich gerne beantworte:
Im vorliegenden Fall sind gleich drei parallele Anträge gestellt worden, die alle drei zu einer Aussetzung der Hinrichtung oder mehr führen könnten: einmal der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, dann ein Antrag an den Gouverneur, die Hinrichtung aufzuschieben (das Parole Board, ein beratendes Gremium, hatte dem Gouverneur empfohlen, die Hinrichtung für 120 Tage aufzuschieben, damit zur Prüfung der juristischen Anträge genug Zeit bleibt) und drittens, liegt noch eine Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung beim Supreme Court of the United States, in seiner Funktion hier vergleichbar mit dem Bundesverfassungsgericht. Auch der Supreme Court hätte eine einstweilige Verfügung erlassen können, mit welcher die Hinrichtung ausgesetzt worden wäre.
Es geht also immer darum, anderen laufenden Verfahren genug Zeit zu geben.
Anders ist es mit der Umwandlung einer Todesstrafe in eine Haftstrafe. Dazu muss man wissen, dass in den USA nicht jeder Täter, der verurteilt wird, ein Delikt begangen zu haben, das die Todesstrafe möglich macht, auch zum Tode verurteilt wird. Üblich ist in allen Bundesstaaten, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um die Todesstrafe überhaupt möglich zu machen, und freilich, dass die Jury dann auch dieses Urteil fällt.
Man kann das ein wenig vergleichen mit den in Deutschland bekannten Urteilen, die eine "besondere Schwere der Schuld" feststellen. So wird hier in den USA meist die Todesstrafe nur dann ermöglicht, wenn eine besondere schwere der Schuld festgestellt wird, z.B. eine besonders grausame Art und Weise der Tatausführung, oder wenn das Opfer besonders beschützenswert war, z.B. ein Kind usw.
Nun kann man auch dieses Urteil juristisch anfechten. Man kann zum Beispiel sagen, dass der Schuldspruch an sich nicht angefochten wird, wohl aber das Erkennen auf die Voraussetzungen der Todesstrafe, also um hier mal im deutschen Beispiel zu bleiben, dass man die besondere Schwere der Schuld anfechtet. Ist man damit erfolgreich, wird das Gericht die Strafe in der Regel in eine lebenslängliche Haftstrafe umwandeln. Die eigentliche Täterschaft des Verurteilten wird also hier gar nicht behandelt.
Der Gouverneur bzw. der Präsident der USA haben das Gnadenrecht. Das bedeutet, sie können aus Gnade auch einem schuldigen Täter seine Strafe erlassen oder sie umwandeln. Im Falle von Todesurteilen passiert das nicht selten, und dann wird meistens ebenfalls umgewandelt, in eine lebenslängliche Haftstrafe. Auch in diesem Fall spielen juristische Argumente formell keine Rolle, da es sich um einen Gnadenakt handelt.
Ausserdem gab es mal eine Zeit, in welcher der oberste Gerichtshof der USA die Todesstrafe als verfassungswidrig befand, damals wurden alle bestehenden Todesurteile automatisch in lebenslänglich umgewandelt. Später hat allerdings der oberste Gerichtshof sein eigenes Urteil zurückgenommen, so dass nun wieder die Todesstrafe verhängt werden kann.
Ich denke, das beantwortet Deine Fragen.
Zum vorliegenden Fall sehe ich, dass wenigstens einer sich die Mühe gemacht hat, die vielen Dokumente einmal durchzulesen, anstatt nur Vorurteile zu posten.
marlonc schrieb:Ich habe noch nirgendwo einen Text gefunden, der ansatzweise so überzeugend gegen Reeds Schuld spricht wie die Beweise, die für seine Schuld sprechen.
Genau so geht es mir auch. Das Original-Urteil durch die Jury erscheint mir angesichts der damals bekannten Beweislage absolut nachvollziehbar und richtig. Die zahlreichen nach dem Urteil hervorgebrachten Dinge, die es anfechten sollen, haben mich bisher keineswegs überzeugt.
marlonc schrieb:Das Vorhanden sein seines Spermas an sich war also keinesfalls der einzige Anhaltspunkt für eine Vergewaltigung durch ihn.
So ist es.
marlonc schrieb:Auch diese Aussage muss man im richtigen Kontext sehen. Das bloße Vorhandensein von Rodneys Sperma in ihrem Körper kann nicht beweisen, dass er sie vergewaltigt hat. Die entsprechenden Verletzungen sowie sein Sperma in ihrer Unterhose (die danach nicht mehr bewegt wurde) gemeinsam mit einigen anderen Beweisen allerdings schon.
Ich finde, das ist ein super Beispiel dafür, wie gut gezielte Desinformation funktioniert und Menschen beeinflusst.
Genau, man muss immer extrem aufpassen, dass nicht einzelne Dinge aus einem Gesamtzusammenhang gerissen und ohne Kontext beurteilt werden. Dann sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, und das ist, wie das deutsche Sprichwort andeutet, keine gute Sache.