monstra schrieb:Und machen wir uns nichts vor: Richter sind Menschen. Und wenn sie meinen, sie seien in Robe immer neutral und unvoreingenommen, nur der Wahrheit verpflichtet, wahnsinnig erfahren und professionell, quasi über den Dingen schwebend, dann besteht eben die große Gefahr der Selbstgerechtigkeit und der Selbstherrlichkeit.
Das kann natürlich sehr gut sein. Andererseits ist jemand, der am Ende seines Berufslebens steht und keine Karriereambitionen mehr hat, sowohl weitaus erfahrener als jüngere Prozessbeteiligte als auch weniger bemüht, ein Blatt vor den Mund zu nehmen oder sich zu verbiegen. So jemand ist niemandem mehr verpflichtet und hat viel gesehen und mitgemacht. Wobei, das sehe ich auch so, „gequirlter Unsinn“ natürlich zu weit geht. Das darf man als Richter denken, aber nicht sagen. In der Sache hat Sagebiel aber trotzdem Recht.
Man muss sich das alles mal aus Sicht des Angeklagten vorstellen. Da rät ihm sein Verteidiger Hannig vorprozessual, eine eigene Tatbeteiligung zu gestehen, allerdings mit der Variante, dass Markus H. (versehentlich) geschossen hat. Der Angeklagte weiß auch, dass er selbst die Polizisten zum Ort geführt hat, wo die Tatwaffe versteckt war. Außerdem, so war es wenigstens in den Medien zu lesen, leidet der Angeklagte darunter, dass seine Tochter den Kontakt zu ihm angebrochen hat.
Nun kommt es zum Prozess. Derselbe Verteidiger, der eben noch im Ermittlungsverfahren geraten hat, eine eigene Tatbeteiligung (mit Variante Markus H.) zu gestehen, kommt nun aus dem Busch und beantragt, für den Angeklagten aus heiterem Himmel (und ohne dass es objektiv auch nur ein kleinstes Anzeichen in diese Richtung gäbe, also komplett ins Blaue hinein) Untersuchungen in eine Richtung, nach der die Söhne des Opfers irgendwie mit der Tat zu tun haben könnten. Was muss ein Angeklagter, der eben noch einen anderen Rat von diesem Verteidiger erhalten hat, der, das dürfen wir (siehe Tatwaffe) unterstellen, nun wirklich keinen ernsthaften Anlass hat, zu vermuten, dass die Söhne des Opfers mit der Tat zu tun haben, und dem daran liegt, bei seiner Tochter nicht noch mehr an Boden zu verlieren, von alldem halten? Er reagiert, kaum verwunderlich, wie er es getan hat: Er lässt verkünden, dass ihm nicht daran liegt, die Familie Lübcke in ein schlechtes Licht zu rücken.
Dann überlegt er, nicht zum ersten Mal übrigens, wie Pfläging bestätigt hat, ob er mit diesem Verteidiger (weiterhin) gut beraten ist. Das Ergebnis kennen wir.