Momjul schrieb:Malchow spricht von einem "großen Kaliber 38", das darauf hindeuten könne, dass eine Hinrichtung gewollt war.
Mikail schrieb:Wurde nicht gleich am Anfang der Ermittlungen mitgeteilt, die Tatwaffe sei eine Kleinkalibrige?
Und jetzt sagt ein Offizieller, es sei eine 38.
Ziemlich merkwürdig. Eine 38. wird nicht als Kleinkaliber bezeichnet.
E.A.Poe schrieb:Wenn mit Kaliber 38 geschossen wurde, ist das was ganz anderes. Nicht, dass es einen Unterschied machen würde beim Tod des Opfers, aber man sollte die Öffentlichkeit nicht mit Fehlinformationen wie Kleinkaliber in die Irre führen.
Kreuzbergerin schrieb:Ist es ungewöhnlich, dass das Einschussloch im Kopf bei einem Schuß mit Kaliber 38 Projektil für die Ersthelfer nicht zu sehen war?
Mr.Stielz schrieb:0.38 Zoll sind trotzdem bloß ein knapper Zentimeter. Blutverkrustete Haare drüber, schlechte Beleuchtung und die Aufregung. Wer rechnet schon mit einem Mord?
Oha, das ist aber schon interessant. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass der gute Herr Malchow derzeit bei der Gewerkschaft der Polizei beschäftigt ist und keineswegs zum Ermittlerteam einer der Behörden gehört und daher auch keine Insider-Detailkenntnisse haben dürfte.
Wir haben es hier mit einer widersprüchlichen Aussage zu tun, und das ist durchaus relevant für diesen Fall. Zuerst hiess es in der Presse "Kleinkaliber." Wie oben korrekt geschrieben wurde, gilt eine .38 nicht als Kleinkaliber. Wo ist nun der praktische Unterschied:
1) Nehmen wir mal das typischste Kleinkaliber an, eine .22. Diese Patrone ist offensichtlich kleiner als eine .38. Das bedeutet, Waffen dieses Kalibers sind meist ebenfalls kleiner im Vergleich. Lassen sich dadurch eventuell besser verbergen.
2) Entscheidender ist hier der Schussknall. Der ist bei einer .38 durchaus lauter. Das mag hier nicht unbedingt entscheidend sein, denn wir wissen nicht wie hoch der Lärmpegel der Kirmes genau war, aber es darf angenommen werden, dass ein einzelner Schuss aus einer .38 zwar eher wahrgenommen werden kann, aber in einem entsprechenden Hintergrundlärm genauso ignoriert oder überhört werden kann.
3) Die Einschusswunde bei einem direkten Treffer ist durchaus grösser. Die beschriebene "grosse Blutlache" passt durchaus besser zu einer .38 als zu einer .22, aber umgekehrt ist die Wunde für das Rettungspersonal leichter zu entdecken. Leichter heisst aber nicht unbeding zwangsläufig. Hier hängt vieles von der tatsächlich verwendeten Munition ab, denn auch bei gleichem Kaliber kann es da ganz unterschiedliche geben mit unterschiedlichem Spurenbild.
All das muss nun im Zusammenhang zur Presse gesehen werden, Journalisten kennen sich in der Regel nicht sonderlich mit Waffen aus. Das Gerede vom "Kleinkaliber" kann also auf falschen Interpretationen durch die Presse beruhen. Umgekehrt kann aber auch sein, dass Malchows Informationen einfach falsch waren oder er sich im Interview einen Irrtum erlaubte.
Warum ist das interessant? Meiner Meinung nach deswegen, weil eine .38 irgendwie besser zum nun diskutierten Täterkreis militanter Rechtsterroristen passt. Ich unterstelle dieser Gruppe einfach mal, dass ihnen eine .22 irgendwie nicht gross genug, martialisch genug, cool genug usw. wäre. Gerade die Amateure unter ihnen werden im Zweifelsfall eher auf den "grossen Bumm" setzen."
Eine .22 dagegen findet man vermutlich weitaus häufiger als eine .38 in biederen Haushalten, bei Jägern usw. Sie ist kleiner, handlicher, billiger.
Hier wäre jedenfalls wünschenswert, die Diskrepanz in den Meldungen mal aufzuklären.
Zur DNA:
emz schrieb:Das ist die Frage. Es gibt in den Medien zwei verschiedene Varianten:
- auf der Bekleidung
- am Tatort.
Wenn wir uns den vermutlichen Tatort einmal anschauen sehen wir erst einmal, dass er im Freien liegt. Dann war sogar davon gesprochen worden, dass die Tat selbst eventuell auf dem Rasenteil des Gartens verübt wurde. Eine einzelne Hautschuppe dort zu finden und zu sichern ist weitaus komplizierter als auf Kleidung. Sehen wir uns dann noch die Umstände an, sogar wenn wir die angebliche "Tatortreinigung" mal ignorieren, ist es weitaus wahrscheinlicher, dass die Spur auf der Kleidung oder dem Körper des Opfers gefunden wurde.
sören42 schrieb:Und es kann sein, dass eine andere DNA Spur von den vielen an L.s Kleidung die seines Mörders ist, dessen DNA Spuren sich bisher aber in keiner Datenbank befinden.
Das ist durchaus richtig. Aber machen wir uns hier nichts vor: Die Spur ist nicht isoliert zu bewerten sondern im Zusammenhang mit allen anderen Indizien. Und hier komme ich wieder auf meinen Bezug zu Istha: wenn sonst kein weiterer Bezug des TV zu Istha und zum Opfer feststellbar ist, und dem TV hier Motiv, Gelegenheit usw. attestiert werden können, ist es völlig in Ordnung anzunehmen, dass die Spur vom Täter stammt.
Und da kommen wir nun schliesslich zur Frage:
arpanet schrieb:Fände es jedenfalls nicht unlogisch, wenn ein Anwalt derzeit erstmal warten würde mit einem Haftprüfungsantrag
Eine völlig falsche Vorstellung ist es, anzunehmen dass ich als Strafverteidiger sofort, möglichst innerhalb von Stunden nach der Ausstellung des U-Haftbeschlusses ins Gericht renne und eine Haftprüfung fordere. Diese geschieht ja nicht im luftleeren Raum. Die Staatsanwaltschaft hat einen Richter überzeugt, dass ein dringender Tatverdacht vorliegt. Manche Richter lassen sich zwar extrem leicht überzeugen, bzw. stellen die Angaben der Staatsanwaltschaft kaum in Frage, aber auch diese wird selten wie in Berlin ohne festes Fundament losrennen.
Ich muss also davon ausgehen, da gibt es etwas, was sowohl Staatsanwalt als auch Richter überzeugt hat. Und das ist hier offensichtlich keine "smoking gun", wie die Amerikaner sagen. Ich muss mir also erst einmal alle Indizien anschauen und das Gesamtbild interpretieren. Und mich selbst dann fragen: ist es plausibel, dass die beteiligten Polizeibeamten und Juristen hier sagen: ja, das passt schon zusammen, der Tatverdacht ist überzeugend. Wenn ich auch zu diesem Schluss komme, dann bin ich vorsichtig, damit ich nicht zu früh meine Haftprüfung verlange.
Der Nachteil für mich bzw. meinen Mandanten wäre nämlich nicht nur, dass ich den nächsten Antrag frühestens nach zwei oder gar drei Monaten stellen kann, sondern vor allem, dass der Richter meinen wird, der Verteidiger ist nicht sorgfältig und neigt zu Schnellschüssen. Das kann in Zukunft negativ sein.
Liegt also ein halbwegs überzeugendes Gesamtbild vor, kann es selbst bei meiner Überzeugung, dass mein Mandant unschuldig ist, vernünftiger sein, ihm zu sagen, dass wir erst einmal die weiteren Ermittlungen abwarten um zu sehen, ob sie angreifbarer werden. Das mag für den Mandanten etwas frustrierend sein, ist in der Regel aber sinnvoll. Ich weiss, dass im Moment jeder den Berliner Fall im Hinterkopf hat, aber der ist ungewöhnlich und spiegelt keineswegs eine typische Sachlage wieder.
Die Regel ist eher umgekehrt: man gibt zu, dass das Gesamtbild zur Zeit einen dringenden Tatverdacht zumindest für nicht völlig aus der Luft gegriffen aufweist, akzeptiert die U-Haft und arbeitet fleissig daran, eine stichhaltige Verteidigung im weiteren Verlauf des Verfahrens erstellen zu können. Ich war z.B. schon einmal in einem Verteidigerteam in einem Mordfall, in welchem die U-Haft leider mehr als ein Jahr dauerte, aber am Ende haben wir einen soliden Freispruch erreicht. Schneller ging es einfach nicht. Und das ist eher die Praxis.
Daher sollte man sich durch diesen Fall hier nicht irre machen lassen: die Mühlen der Justiz arbeiten langsam, meistens ist das aber gerechtfertigt. Meistens sind hier auf allen Seiten (Ankläger und Ermittler, Verteidiger und Richter, recht kompetente Leute am Werk.