Es scheinen sich die Gemüter hier inzwischen ein wenig beruhigt zu haben, da will ich vorsichtig auch noch meinen Senf dazu geben, und zwar aus einer Sicht, die mit solchen Fällen selbst schon zu tun hatte. Ich war eine Zeit lang am Gericht genau für solche Fälle zuständig, nämlich die Anordnung der Entfernung von Kindern aus der Familie.
Von allen Beiträgen hier hat
@MissMary die realistischsten Beschreibungen der Situation gegeben. In den seltensten Fällen sind die Dinge einfach und klar, man darf nie vergessen, dass es sich bei den Opfern, oder Betroffenen, hier um Kinder handelt, die in der Regel ganz und gar nicht rational handeln und denken, sondern rein emotional. Und in so einem Fall wie diesem steht deren Welt komplett Kopf: der Vater schlägt die Mutter krankenhausreif - das ist eine Katastrophe für sich. Die beiden Bezugspersonen, deren Handeln von den Kindern immer als positiv und ideal empfunden werden sollte, und die automatisch von Geburt an einen gewissen Vertrauensvorschuss haben - die handeln auf einmal ganz gegenteilig.
Dann kommen Fremde, die Polizei, Sozialarbeiter usw. ins Spiel, und die sollen nun wieder Entscheidungen treffen, die sich ganz gravierend auf die Kinder auswirken werden: so oder so. Die Entfernung aus der Familie ist ein schweres Trauma, wenn man nicht das Glück hat, die Kinder in die Obhut naher und vertrauter Verwandter geben zu können, z.B. den Grosseltern. Aber Pflegeltern sind völlig fremde Personen. Kinder empfinden das kaum weniger traumatisch als wenn man als Erwachsener verhaftet wird. Denn bei allem Chaos, das gerade entstanden ist, empfinden sie Vater und Mutter als die natürlichen Bezugspersonen, die ihnen Schutz vor allem drohenden Fremden gewähren.
Nun muss ich zum gegebenen Fall sagen: hier wo ich praktiziert habe, gilt in so einem Fall unter allen Kollegen die Regel, dass die Kinder entfernt werden. Wenn ein Elternteil (so massiv) gewalttätig wurde, dann wird auf jeden Fall angenommen, dass eine Gefahr auch gegenüber den Kindern besteht, auch wenn vorher keine Anzeichen dafür zu erkennen waren. Im akuten Moment der ganzen Situation werden die Kinder erst einmal von der Polizei dem Jugendnotdienst übergeben und in einer Pflegefamilie untergebracht, wenn nicht zeitnah ein Verwandter gefunden wird. Und wenn es nur für eine Nacht ist - am nächsten Tag kann z.B. der Vater gerne bei mir erscheinen und mir darlegen, warum er keine Gefahr für die Kinder darstellt. Er muss mich allerdings überzeugen, sonst bleiben die Kinder länger weg. Ich kann mich an keinen solchen Fall erinnern, wo die Kinder beim Vater gelassen worden wären.
Und ich persönlich bin jemand, der dem Jugendamt gegenüber extrem kritisch eingestellt war und ist, und keineswegs denke, dass Kinder nur in einer vollkommen idealen, perfekten, heilen Familie sein dürfen, wie das manche Mitarbeiter eines Jugendamtes dann gerne hätten.
Aber es ist auf jeden Fall ein extrem schwerer Eingriff in das Leben eines Kindes. Ein Trauma entsteht so oder so.
Wir sollten daher alle etwas vorsichtig sein mit den schnellen Verurteilungen. Dies ist eine Welt, in der keiner von uns vermutlich gerne tätig wäre. Ich habe diese Aufgabe zwei Jahre lang gemacht, dann war ich froh, mich einem anderen Bereich des Rechts zuzuwenden. Denn das Elend, das ich in diesen zwei Jahren gesehen habe reicht mir für den Rest des Lebens.