Sonnenschein81 schrieb:Ich frage jetzt nochmal, weil mich das jetzt echt interessiert: Habt ihr bzgl. beispielsweise Ted Bundy, Manfred Seel oder anderen Serienmördern ähnliche Gedanken?
Eindeutig ja. Mich interessiert immer das Zusammenspiel von Ursache und Wirkung. Meine Lebensanschauung ist, dass kein Säugling auf die Welt kommt, mit der bewussten Absicht zu morden.
Wohl aber gehe ich davon aus, dass gewisse, von Geburt an vorhandenen Charaktereigenschaften, ein Kind eher in die Nische Außenseiter drängt, und damit zum ungeliebten Randläufer macht. Prävention fängt daher für mich schon in der Krabbelstube an und endet sicherlich nicht im Ausgrenzen und Mobben, also nicht im Auslachen und mit Zigarettenstummeln bewerfen. Das wäre die Auge um Auge - Zahn um Zahn Mentalität, die für mich mittelalterlich ist.
Zudem gehe ich davon aus, dass auch frühe eigene Erfahrungen von erlebter Gewalt in der Kindheit, oder emotionale Verwahrlosung, Gewalt erzeugen kann. Das Gehirn ist plastisch und lernt u.a. am Vorbild, wie man sich als Erwachsener verhält. Auch das erklärt die Transaktionsanalyse sehr deutlich, und diese wird untermauert durch die empirischen Forschungen aus den Neurowissenschaften.
Es kommt also immer zusammen: Veranlagung, Umfeld, Ergebnis. Das heißt für mich, dass
a) ein Kind, das mit normalem Sozialverhalten und Antrieb auf die Welt kommt, im förderlichen Umfeld zu einem nicht gewalttätigen Erwachsenen heranreifen dürfte.
b) ein Kind, das mit normalem Sozialverhalten und Antrieb auf die Welt kommt, im falschen Umfeld zu einem Straftäter entarten kann.
c) ein Kind, das mit Störungen im Sozialverhalten und Antrieb auf die Welt kommt, im nicht förderlichen Umfeld zu einem Straftäter entarten kann.
d) ein Kind, das mit Störungen im Sozialverhalten und Antrieb auf die Welt kommt, unter richtig guten Bedingungen, ein weitgehend unauffälliger Erwachsener werden kann
e) dass es hirnorgnische Störungen gibt, die so gravierend sein können, dass ein Leben mit normalem Sozialverhalten nicht möglich ist, auch nicht bei bester Förderung. Da das Gehirn eines Kindes aber extrem plastisch ist, sind es gerade die Kinder, bei denen man nie aufhören darf, eine positive Entwicklung anzustoßen. Was am Ende daraus wird, bleibt offen.
Förderung heißt für mich immer annehmen, fördern und fordern. Und es heißt für mich auch, falls möglich, im Notfall Medikamente zu geben, die einem Kind u.U. erst ein normales Verhalten und damit Annahme durch andere, ermöglichen.
@Sonnenschein81 Also Täter wie M.S. mit M.H. zu vergleichen, hinkt für mich echt. M.S. hat im Verborgenen gemordet, still und heimlich, weil es scheinbar in ihm etwas befriedigt hat. Er wollte keine Zuschauer, er wollte nur sein Ding drehen. Wie es dazu kam, ist derzeit nicht bekannt, und wird wohl auch im Dunkeln bleiben. Für Ted Bundy gilt eigentlich ähnliches und seine Biographie ist ja nun auch nicht gerade ein Schatz an positiven Erlebnissen, gerade wohl auch nicht in der frühen Kindheit. Sein Großvater hat ihm Gewalt vorgelebt. Das war als Möglichkeit also in seinem neuronalen System gespeichert.
M.H. hingegen wollte gesehen werden, wollte, dass seine Taten mit dem Gang ins Gefängnis enden. Er hat nichts verheimlicht, er hatte mit den Taten ein Ziel, und das hat er ja auch in seinem Pamphlet geäußert. Er hat diese Taten aus meiner Sicht tatsächlich einfach aus einer tiefen inneren Wut auf sich selbst, auf das System hier und auf andere begangen, und aus einer Perspektivlosigkeit heraus, weil er sich selbst nicht helfen konnte und kein Ziel mehr sah. Ich sehe M.H. definitiv nicht als jemanden, der aus Lust am Töten getötet hat. Ich sehe eigentlich eher eine Form eines Amoklaufes, der neu ist, aber ebenso öffentlich stattfand, wie alle anderen Amokläufe bisher.
Ich frage mich zudem, ob er gerade mit dem Mord an Jaden auch dessen Mutter treffen wollte, eben weil es diese Aussagen gibt, dass sie über ihn gelacht haben, wenn er im Garten mit dem Schwert übte.
Vielleicht bin ich naiv, vielleicht täusche ich mich - ich hoffe, der Prozess wird es zeigen.