Ich bitte um Entschuldigung für diese absurd langen Posts! Zur Verteidigung: Ich bemühe mich, meine Gedankengänge so klar wie möglich darzustellen, um Unklarheiten, die zu überflüssigen Scharmützeln führen, zu vermeiden ;-)
@emz Ich habe den Eindruck, dass hier ein Missverständnis vorliegt, das etwas mit dem Gebrauch der Sprache zu tun hat. Wenn ich sage:
so wie ich das sehe, gibt es hier grob zwei Lager: Das eine pocht auf die Eigenverantwortlichkeit des Täters, das andere versucht, die Beweggründe für seine Taten zu verstehen. Und natürlich die Schattierungen dieser Ansätze.und Du mir antwortest:
"Schließt doch das ansatzweise Verstehen seiner Beweggründe keinesfalls aus, ihn als nach wie vor verantwortlich für diese Taten zu sehen. Verstehen ist keinesfalls mit Entschuldigen gleichzusetzen."implizierst Du, dass ich behauptet hätte, dass es sich hierbei um Widersprüche handelt. Habe ich nicht. Genauso wenig habe ich irgendwo "verstehen" mit "entschuldigen" gleichgesetzt. Das sind Deine Assoziationen, nicht meine Worte.
Wenn ich sage, dass ich in diesem Thread grob zwei Lager sehe und etliche Schattierungen, kannst Du das doch gern anders sehen und/oder das diskutieren. Mir einen "fehlerhaften Denkansatz" zu unterstellen, finde ich aber unangemessen und, ehrlich gesagt, etwas überheblich.
Vielleicht kann man (scheinbar) andere Meinungen auch kommentieren ohne sie abzuwerten?
Ich möchte kurz versuchen zu erklären, was ich meine:
1) Dass sich hier der ein oder andere ziemlich tief ins "Verstehen" begibt und Marcel H. sehr stark im Licht des verzweifelten Opfers widriger Lebensumstände sieht, ist mein subjektives Gefühl beim Lesen. Marcel H. als sehr intelligenter Unverstandener. Marcel H. als Opfer von Mobbing. Marcel H. als ungeliebtes Kind. Marcel H. als ehrgeiziger junger Mann, dessen Berufstraum zerplatzt ist. Der gute Junge und die böse Welt.
Demgegenüber stehen einige Meinungen, meine eingeschlossen, nach denen Marcel H. seine "Gründe" für seine Taten haben mag (seine Selbstwahrnehmung dürfte den oben genannten Umständen möglicherweise recht nah kommen). Nur führen diese "Gründe" nicht dazu, Mitleid, Mitgefühl oder Verständnis zu entwickeln (zumindest bei mir). Für mich sind das zwei starke Positionen, die sich an der Basis nicht ausschließen, in der Konsequenz allerdings schon.
2. "verstehen, entschuldigen, Verständnis": Du hast das Bedürfnis, klarzustellen, dass für Dich Beweggründe verstehen zu wollen weder Verständnis für die Tat, noch das Entschuldigen dieser bedeutet. Völlig in Ordnung, das habe ich nicht unterstellt. Vielleicht hängt es am Wort "verstehen"?
Ich kann diesen Fall betrachten, mich dafür interessieren, ohne verstehen zu wollen. Verstehen heißt für mich, Verständnis dafür aufzubringen, dass für jemanden B aus A folgt. In diesem Fall, dass angebliche Hürden, Ungerechtigkeiten im Leben, was auch immer, in der Folge zu den begangenen Grausamkeiten führen.
Diese ganzen (bisher rein vermuteten) Schwierigkeiten, die Marcel H. angeblich hatte, stehen für mich (!) in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem, was er getan hat. Und genau da sehe ich den entscheidenden Punkt: Wäre er ernsthaft gemobbt und gedemütigt und dann zum Schoolshooter geworden, könnte ich Anteile von "Verständnis" in mir finden. Keine Entschuldigungen, keine Relativierungen, kein Kleinreden der Grausamkeit. Aber eine Art des Sehen-, des Nachvollziehen-, des "Verstehen"könnens.
Die Taten des Marcel H. sprechen für mich aber eine andere Sprache: Ich sehe keinen in die Ecke gedrängten Verzweifelten, der ausgeflippt ist und sich entschieden hat, die Welt mit einem großen Knall zu verlassen und möglichst viele mitzunehmen. Ich sehe einen sehr bewussten, tödlich abgefuckten Typen, der nicht willens war, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. Einen der ekelhaft und feige und grausam zwei arg- und wehrlose Menschen, die ihm vertraut haben, niedergemetzelt hat. Einen der sich gefeiert hat und dafür gefeiert werden wollte, dass er der größte W*****r von allen ist. Der krasseste Typ, der, der etwas "4chan- Würdiges" macht. Der, der dieser bescheuerten Community bei seiner Festnahme noch einen kleinen arroganten Gruß in Form eines Sacks Zwiebeln sendet.
Ich kann also durchaus für mich sagen, dass sich hier die Forderung der kompletten Übernahme der Verantwortung durch den Täter und ein Verstehen seiner Beweggründe ausschließen: Für mich gibt es schlichtweg nichts, was diese Taten zur Folge hat. Wie gesagt: Er mag SEINE Gründe haben, das heißt nicht, dass ich das als Grund verstehen oder akzeptieren muss.
Wenn Du hier für Dich mit dem "Verstehenwollen der Beweggründe" arbeitest, habe ich da überhaupt kein Problem mit. Wenn ich mich aber klar davon abgrenze und der Meinung bin, dass es da für mich nichts zu verstehen gibt, weil Marcel H. für diese Taten und auch sein jetziges Verhalten allein verantwortlich ist und weder seine Vergangenheit und sein Lebensweg, weder Mutter, noch Mitschüler, noch die Gesellschaft Teil dieser Entscheidung sind, ist das halt meine Haltung.
@AveMaria Im Grunde bin ich bei Deinen Ausführungen ganz bei Dir und ich finde Deine Sicht der Dinge sehr schön und richtig. Natürlich muss man so gut und genau wie möglich hinschauen, wie es den Menschen geht, jeglichen Alters, aber insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Es ist wichtig, mitzubekommen, wenn es jemandem schlecht geht, wenn er sich zurückzieht, auf sich, die Welt, das Leben nicht klarkommt. Man muss verstehen, wie es dazu kommt und in der Lage sein, den Menschen mit seinen Nöten wahrzunehmen. Am besten bevor etwas Schreckliches passiert und deshalb muss man im Täter auch den Menschen erkennen, der vor der Tat in großer seelischer Not war.
Wie
@emz fürchte ich allerdings auch, dass Prävention in solchen Fällen wie diesem nur sehr eingeschränkt möglich ist, wenn auch natürlich immer den Versuch wert.
Zur Erziehung: Fakt ist, dass Eltern sich um ihre Kinder kümmern müssen und wenn sie es nicht tun, die Gesellschaft das erkennen und auffangen muss. Punkt.
Marcel H. war aber ja nun schon auf einem Berufskolleg und kein Kind mehr. Es geht hier in meinen Augen nicht um ein vernachlässigtes, verwahrlostes Kind. Wenn ein Junge in der Pubertät sich nicht ordentlich um seine Hygiene kümmert und mit seinen Klassenkameraden nicht klarkommt, ist halt die Frage, inwieweit die Mutter wirklich Einfluss hat. Oder der Vater. Gerade, wenn es mit dem innerfamiliären Verhältnis nicht zum Besten bestellt ist (was ja in diesem Fall mal angeklungen ist), ist unklar, inwieweit sich ein 18- Jähriger da überhaupt irgendwie auf was einlassen würde.
Mein ganz subjektives Gefühl bei Marcel H. ist, dass diese Taten wirklich seinem Willen entsprungen sind, seine Entscheidung waren und er die Konsequenzen für sich ziemlich klar umrissen und eben auch gewollt hat (Yeah, Knast! Sich um nix kümmern müssen, sich nicht weiter mit Ausbildungssuche oder Ähnlichem rumärgern, Zeit zum Schreiben haben... einfach mal die nächsten Jahre verchillen... so die recht idiotische Vorstellung)
Ich halte ihn für ein kleines, mieses, selbstmitleidiges und selbstgerechtes A******** mit einem Gottkomplex und einer hochgefährlichen Brutalität. Er hat die beiden nicht einfach "nur" umgebracht, er hat ihr Vertrauen missbraucht, sie niedergemetzelt und sich damit profiliert. Er hat Beweisfotos gemacht, sie verschickt und Spielchen gespielt, während er wusste, dass seine ehemalige Nachbarin um ihren grausam ermordeten Sohn weint.
Wären der Mord an Christopher und dieser ganze 4chan Kram nicht gewesen, könnte ich vielleicht auch den armen verlorenen Jungen in Betracht ziehen, den hier manch einer vor sich sieht. So aber bin ich nur angewidert.