sunshinelight schrieb:Wenn wir wohlbehüten aufwachsen, nimmt sie keinen Schaden und wir entwickeln uns prächtig.
Wachsen wir anders auf, nimmt sie Schaden und dementsprechend wirkt sich das auf den Menschen aus.
Es liegt nicht im Genpool, ein Mörder zu sein.
Es liegt in dem, was man für Erfahrungen macht.
Was einen prägt, was sich ansetzt.
Wie man was verkraftet, wie man auf sowas reagiert.
Ich wäre nicht so leichtfertig in dem, was man anderen nachsagt.
Mir kann Marcel auch leidtun, denn ich finde nicht, dass er sich das alles so ausgesucht hat.
Eine etwas andere Vergangenheit und es wäre eine etwas andere Gegenwart.
Ganz so einfach ist es eben nicht. Was angeboren ist, sind ja bestimmte Charakter- Wahrnehmungs- und Temperamentseigenschaften. Wenn nun ein Mensch einen impulsiven Charakter mit auf die Welt bring, wird er häufiger gemaßregelt werden, als das von Natur aus brave angepasste Kind. Da gibt es eindeutig auch ein Wechselspiel, das sich durch eine ganze Kindheit ziehen kann. Und dann reagiert das Umfeld ja auch noch darauf und setzt u.U. die Eltern unter Druck, dieser Druck kann aus Hilflosigkeit an das Kind weitergegeben werden, Eltern distanzieren sich vielleicht innerlich und äußerlich dann davon, und es entsteht eine Spirale, die schwer zu unterbrechen ist. Gleiches gilt auch für von Natur aus eher verträumte sensible Kinder, gerade Jungen. Die kommen auch nicht gut an, durchsetzen tun sich die lauten, starken. Das ist leider auch heute noch überall so. Ein stilles eher schmächtiges Kind kann da schnell zum Außenseiter werden.
Aus meiner Erfahrung heraus, ist das einzige, was wirklich hilft, zu dem Kind zu stehen, von klein auf zusagen: ich stehe zu dir, ich bin an deiner Seite, egal welche "Fehler" du hast. Man kann einzelne Eigenschaften eines Kindes kritisieren, sollte aber nie den Menschen insgesamt in die Verdammnis schicken. Jedes Kind hat aus meiner Sicht das Recht darauf anerkannt und angenommen zu werden. Das heißt nicht, dass man alles durchgehen lassen soll. Das heißt, dass man gemeinsam durch dick und dünn geht und auch dafür sorgt, dass ein Kind sich auch im Sozialen weiter entwickelt. Dazu gehört, dass man viele Dinge auch konsquent einfordern muss. Das geht nicht bei allen Kindern einfach automatisch, genauso wie nicht alle Kinder musikalisch sind. Das eine braucht halt mehr Unterstützung dabei, als das andere. Meine Erfahrung ist, dass wir noch immer eine Kultur des Ausgrenzens haben, und das tut vielen Kindern definitiv nicht gut. Auch soziales Lernen ist ein Prozess von vielen Jahren, wenn ein Kind aber vor allen Dingen Augrenzung erlebt, statt Integration, kann sich nichts entwickeln, außer Hass, auf sich selbst und auf andere. Erziehung ist Arbeit, definitiv, Arbeit an sich selbst und am Anderen. Und Erziehung ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag, dem sich eigentlich jeder verpflichten sollte, auch wenn es manchmal anstrengend ist. Und das heißt für mich einzugreifen, wenn man hört, dass ein Kind in der Schule ausgegrenzt wird. Das Gespräch suchen, mit allen Beteiligten und gucken, wo man ansetzen kann, um das Ausgrenzen zu beenden.
Und ganz allgemein: ich kann das Gerede über die schuldigen Mütter nicht mehr hören, wo sind die Väter? Wo sind die männlichen Erzieher? Wo sind die männlichen Lehrer? Wo sind die männlichen Vorbilder heute? In meiner Nachbarschaft lebt ein Junge, der von klein auf sehr schwierig war, und um den ich mir echt Sorgen gemacht habe, zumal die Mutter die Probleme nicht sah. Dass aus ihm doch noch etwas geworden ist, ist meines Erachtens einzig und allein dem Großvater zu verdanken, der ihn jeden Tag im gärtnerischen Alltag mit einbezogen hat und ihm alles handwerkliche Beibrachte. Darüber hat er Kontakte gefunden und Anerkennung. Über Schulleistungen eher nicht. Für mich ein Fall, in dem man sehr schön die Wechselwirkung zwischen angeborenen Eigenschaften und Einfluss des Umfeldes beobachten konnte.
Mir tun Jaden und Christoper unendlich leid. Sie wollten helfen und wurden ermordet, es gibt dazu nichts zu sagen. Man kann es nicht rückgängig machen. Es ist unentschuldbar. Aber ich sehe auch einen schmächtigen, blassen Angeklagten, der scheinbar jeden Kontakt zu sich selbst, seiner Familie und seiner Umwelt verloren hat. Dass er seine Mutter in der 3. Person anspricht, zeigt nichts anderes und dass er heute im Prozess aussagte, er fühle sich teilweise als Zuschauer in seinem eigenen Prozess (Quelle: liveticker BILD) ebenfalls. Zu so einem Zustand kommt es nicht einfach so.