@aero Sehr gute Worte. Bei aller "Faszination" die von den Tätern ausgeht, sollten wir die Opfer nicht vergessen.
Was die Täter, und besonders die Frau angeht, so werden wir hier kaum die psychologischen Abgründe ermessen können, die dieser Fall offenbart. Daran sind schon einige namhafte Psychiater und Psychologen gescheitert:
Es hat immer mal in der Welt vergleichbare Fälle gegeben, so zum Beispiel die sogenannten Moors Murders in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts in England. Damals war die Psychiatrie noch nicht so weit wie sie heute ist, aber man stand damals schon vor einem Rätsel. Es wurde entschieden, dass Myra Hindley, die Frau in dem mörderischen Duo, "eine sadistische Mörderin der allerperversesten Art sei" (so der Richter), aber die Psychiater gaben zu, vor einem Rätsel zu stehen (Duncan Staff, The lost Boy). Ein Psychiatrieprofessor sagte, es handele sich um "nie dagewesene Verwindungen von Umständen," was auch immer das heissen soll.
Hindley hatte ihrem Freund Ian Brady geholfen fünf Jugendliche zu entführen, zu vergewaltigen und bestialisch zu ermorden. Sie lockte die Opfer an, die einer Frau mehr vertrauten als einem Mann, fuhr sie dann zu abgelegenen Orten, wo Brady über sie herfiel usw. Brady wurde übrigens für geisteskrank erklärt, Hindley nicht. Sie war, was man im Deutschen "hörig" nennt. Sie wurde allerdings damals in England zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, da es im englischen Recht dafür keine mildernden Umstände gab. Der Todesstrafe entkam sie, weil diese kurz zuvor abgeschafft worden war.
Etwas anders ging der bisher wohl berüchtigste Fall aus, der sehr ähnlich war: In den 90er Jahren entführten, vergewaltigten und ermordeten Paul Bernardo und seine Frau Karla Homolka mindestens drei, vermutlich aber viel mehr junge Mädchen, hielten sie eine Zeit lang gefangen, quälten sie und vergewaltigten sie in dieser Zeit und ermordeten sie dann. Der MO war wie in England: die Frau lockte die Opfer an, da diese einer Frau mehr vertrauten. Das besonders abstossende: das erste der Opfer war Homolkas eigene Schwester.
Homolka behauptete ebenfalls hörig gewesen zu sein und stellte sich erfolgreich als Opfer von Bernardo dar, sie wäre ebenfalls misshandelt und missbraucht worden, und daher nicht in vollem Masse schuldfähig. Sie erreichte so eine sehr milde Strafe von nur 12 Jahren.
Das Interessante hier ist, dass die beteiligten Psychiater erst für diese Theorie stimmten, in den Jahren danach aber daran zu zweifeln begannen. Inzwischen ist die Mehrheit der Psychiater der Meinung, dass Homolka keineswegs nur ein armes, höriges Opfer gewesen sei, sondern eine psychopathische Persönlichkeit besitze und durchaus Gefallen an ihren Taten empfunden habe. Dies hatte sich besonders dadurch ergeben, dass später Beweise gefunden wurden, die ihre eigenen Aussagen, sie sei meist nur passiv gewesen, widerlegten.
Auch hier war die psychiatrische Fachwelt nach eigenen Angaben wieder einmal verblüfft. Bösartiger Narzizissmus hiess am Ende die Diagnose. Mehrere Psychiater schrieben Bücher über ihren Fall, allerdings ohne eine gemeinsame Diagnose. Interessant war, dass ein Psychiater aufzeigte, wie einfach sie es hatte, mit den Medizinern zu spielen. Sie gab das freiwillig zu: "Es war ganz einfach herauszufinden, was sie hören wollten, und wenn es mir nutzte, sagte ich einfach, was erwartet wurde." (The Homolka Letters, 2011)
All das zeigt, dass die psychiatrische und psychologische Forschung vermutlich noch nicht genug Erfahrung mit solchen Frauen hat, da es doch sehr selten vorkommt, dass ein solches Verbrechen aufgedeckt wird. Von daher fürchte ich, dass unsere laienpsychologischen Versuche, die Verbrechen von Höxter zu erklären scheitern werden. Mal sehen, ob die Fachleute hier besser sein werden.