@AlteTante Das Strafrecht tut sich schwer mit subtilen Formen von Gewalt. Es geht davon aus, dass jeder Erwachsene einen freien Willen hat und unter dieser Prämisse Entscheidungen fällt, die er dann auch voll verantworten muss. Gerät ein Mensch in eine psychische Abhängigkeit und begeht dann Straftaten, ist es für ein Gericht nicht immer leicht festzustellen, inwieweit die Schuldfähigkeit eingeschränkt gewesen ist. Dann schlägt üblicherweise die Stunde der Gutachter.
Mit den juristischen Kategorien Anstiftung oder Beihilfe kommt man auch oft nicht weiter. Hörigkeit oder die Annahme, eine Tat würde von jemand anderes verlangt werden (Wilfried würde sich freuen, wenn ich die Frau jetzt bestrafe), sind juristisch kaum greifbar. Wie soll ein Gericht die Schuld neu verteilen?
Vielleicht kann man das am Beispiel Vollrausch erklären. Begeht jemand im Vollrausch eine Straftat, so kann auf eine verminderte Schuldfähigkeit erkannt werden, denn der Täter war ja nicht mehr Herr seiner Sinne. Die Tatsache jedoch, dass er sich in einen Vollrausch (eigenverantwortlich) versetzt hat, wird dann nach §323a StGB zusätzlich bestraft, sodass die Strafmilderung aus der anschließenden Tat wieder aufgefangen wird.
Wenn die Verteidigung von Angelika W. hier also offenbar auf § 228 StGB (Körperverletzung mit Einwilligung) anspielt und dies mit wirren Zettelchen, vereinbarten Regeln und freiwilligen Einzügen im Haus und der Möglichkeit der Flucht wortreich darlegt, dann wird das Gericht sich mit dieser "hanebüchenen juristischen Diskussion" (
@emz) befassen müssen.
Vieles scheint so, als hätten diese Sadisten in ihrem Annoncenverfahren und der Anbahnung genau geprüft, ob ihre Kontakte "hilflose Opfer" sind, oder aber über ausreichend masochistische Tendenzen und die Bereitschaft zur Unterordnung verfügen. Gezwungen wurden sie offenbar nicht, nach Bosseborn zu ziehen. Die Frage ist dabei, ob sie wissen konnten, worauf sie sich einlassen und ob sie, als sie die Gefahr für ihr Leben erkannten, noch aus der Bedrohung hätten entfliehen können.
Da wir hier aber nur die ausschweifenden Aussagen einer Angeklagten und (bislang) nur spärliche Sachbeweise kennen, bleibt es spannend, wie das Gericht dies bewertet und die Schuld jeweils begründet.