Magier Jan Rouven in Las Vegas: Verurteilt - das Ende einer Karriere
05.06.2016 um 08:01
So, wie versprochen zum nahen Prozessauftakt hier nun eine Erklärung des Jury-Auswahlprozesses. Es gibt viele Strafverteidiger in den USA die meinen, ein Prozess werde hier gewonnen oder verloren: an den Tagen des "voir dire." Ich selbst bin zwar nicht der Meinung, aber auch meine Erfahrung zeigt, dass man die Bedeutung dieser Phase niemals unterschätzen darf.
Die Beschreibung hier bezieht sich auf ein Verfahren vor den Bundesgerichten, da Jan Rouven vor einem solchen angeklagt ist. Die einzelnen Bundesstaaten haben teilweise etwas abweichende Verfahren.
Die Bundesverfassung bestimmt, dass jeder Angeklagte in einem Strafprozess, bei dem es um sein Leben oder seine Freiheit geht, das Recht hat, diesen Fall vor einer Jury "of his peers" zu verhandeln: also einer Jury gebildet aus Personen seiner eigenen "Nachbarschaft, Klasse o.ä., wie man peers heute interpretieren mag." Es bedeutete damals, 1789, einen grossen Fortschritt gegenüber den königlich britischen Gerichten, in welchen oft Angehörige der oberen Klassen über die der unteren richteten. Heute wird in den USA diesem Grundsatz gefolgt, in dem man die Juroren - theoretisch - ganz zufällig unter allen Bürgern auswählt.
Und so beginnt das: Die Gerichtsbehörde schreibt per Zufallsgenerator hunderte Staatsbürger an, die im Gerichtsbezirk wohnen, und sendet ihnen einen Anhörungsbogen zu. Da es in den USA kein Melderegister gibt, bedient man sich mehrerer anderer offiziellen Datenbanken: dem Führerscheinregister, dem Steuerregister, dem Rentenregister usw.
Nur amerikanische Staatsbürger dürfen - und müssen - Juroren werden, sie müssen über 18 Jahre alt sein und müssen Englisch können. Gerichtssprache ist in den USA immer Englisch.
Bekommt man nun eine solche Vorladung zum Jury Duty (Jurydienst) muss man den Anhörungsbogen ausfüllen: man muss angeben, ob man Staatsbürger ist, ob man vorbestraft ist, ob man Englisch kann und ob man schon einmal in den letzten 3 Jahren Juror war - dann wird man entschuldigt, denn man braucht nur alle 3 Jahre dienen.
Man kann nun auch angeben, dass besondere Umstände vorliegen, und man um eine Befreiung bitten möchte.
Eine Befreiung gibt es umsonst, das heisst, wenn man am vorgegebenen Termin nicht kann oder will, kann man ohne Angabe von Gründen um einen neuen Termin bitten. Da jede Woche eine ganze Reihe Prozesse beginnen, weiss man vorher nie, um welchen Prozess es geht, man wird als Juror nicht nur zu Strafprozessen sondern auch zu Zivilprozessen geladen.
Nun ist der Dienst in der Jury sehr unbeliebt, da man teilweise weit anfahren muss, den ganzen Tag im Gericht verbringen muss, und daher an der Arbeit fehlt. Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet den Lohn fortzuzahlen, und man bekommt als Entschädigung vom Gericht nur $ 40 am Tag plus Fahrtkosten.
Das ist ein grosses Problem. Daher lassen sich viele arme Leute auch befreien, denn wenn man den Lebensunterhalt nicht mehr finanzieren kann, wegen Jury Duty, kann man befreit werden.
Umgekehrt finden viele reiche und "wichtige" Leute Gründe, warum sie unmöglich dienen können und werden ebenfalls befreit. Daher sind in einer typischen Jury mehrheitlich Angehörige der oberen Arbeiterklasse und unteren Mittelklasse zu finden. Auch Selbstständige, Alleinerziehende, Eltern von kleinen Kindern usw. werden meist befreit, so dass man meist eher ältere oder ganz junge, z.B. Studenten, Juroren findet.
Soviel zu den "peers."
Am angesetzten Termin treffen nun alle Juroren, die nicht befreit wurden, im Gericht ein. Nach der Überprüfung der Personalien warten sie nun auf die Zuteilung zu den einzelnen Prozessen. Dabei gilt wieder das Losprinzip: Aus allen anwesenden Juroren werden zufällig eine bestimmte Anzahl, die der Richter vorher festgelegt hat, auf jeden Prozess verteilt.
Der Richter bemisst die Anzahl der potentiellen Juroren nach der Schwierigkeit des Falls. Geht es zum Beispiel um einen sehr bekannten Angeklagten, kann es sein, dass es schwierig wird, einen Juroren zu finden, der nicht voreingenommen ist, daher werden dann mehr zur Auswahl vorgesehen.
In jedem Strafprozess müssen 12 Juroren (also Geschworene) einstimmig über die Schuld des Angeklagten beschliessen. Da ein Prozess in der Regel aber mehrere Tage dauert, und in extremen Fällen gar mehrere Monate, besteht immer das Risiko, dass ein Juror wegen Krankheit etc. ausfällt. Um dann nicht wieder von vorne beginnen zu müssen, werden eine gewisse Anzahl Ersatzjuroren mit ausgewählt, die dem gesamten Prozess beiwohnen, aber nicht am Ende beraten und abstimmen, es sei denn, sie werden zum Ersatz eines ausgefallenen Jurors benannt.
Das bedeutet praktisch: neben den zuerst bestimmten 12 Juroren, werden meist zwischen einem und sechs weitere Ersatzjuroren bestimmt.
Da man damit rechnen muss, dass einige der Kandidaten zurückgewiesen werden, wird nun am Beginn eine höhere Anzahl in den Gerichtssaal geführt: nehmen wir einmal an 24 Kandidaten.
Im Gerichtssaal sind alle Beteiligten anwesend: der Richter, der Angeklagte, seine Verteidiger, die Staatsanwälte, dazu noch der Gerichtsdiener, ein oder mehrere Sheriffs, ein Protokollant und so weiter. Hier sehen die Kandidaten nun zum ersten Mal den Angeklagten von Angesicht zu Angesicht.
Der Gerichtsdiener (bailiff) lässt nun den Eid abnehmen, die Aufgabe gewissenhaft durchzuführen.
Aus den Kandidaten (der pool der Kandidaten wird das "venire" genannt, das ist altfranzösisch, die "Zusammengekommenen") werden nun die ersten 12 in die Jury Box, die Sitze für die Jury, gebeten.
Jeder einzelne wird sich nun vorstellen: Name, Beruf, Wohnort, Beruf des Ehegatten, bei Rentnern letzter Beruf, Arbeitgeber. Diese und andere Angaben standen auch auf den Fragebögen, die an die Anwälte beider Seiten vor diesem Tag gegeben wurden.
Nun beginnt das "voir dire", wieder altfranzösisch für "die Wahrheit sagen."
Der Richter wird eine kurze Einführung geben und erklären worum es geht: es soll nun durch Befragung der Kandidaten herausgefunden werden, ob ein Kandidat voreingenommen oder anderweitig ungeeignet ist, in der Jury zu dienen.
Jeder Richter kann das nun handhaben wie er will: entweder er stellt die Fragen, die ihm vorher die Anwälte schriftlich gegeben haben und die er geprüft hat, oder er lässt die Anwälte selbst die Fragen stellen, oder ein mix aus beidem.
Den Anwälten ist meist folgendes vorher durch die Fragebögen bekannt: Name, Adresse, Alter, Beruf, Familienstand, Beruf des Ehepartners, Ausbildung, Arbeitgeber und ob der Kandidat Polizeibeamter ist, oder für die Regierung arbeitet oder mit einem Polizeibeamten oder anderem Beamten verwandt oder verschwägert ist (in Zivilprozessen ist die Frage meist ob jemand für eine Versicherung arbeitet etc. ).
>>>Teil 2