Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey
14.02.2019 um 05:09In Steven Averys Fall hat sich die Verteidigung für ein etwas anderes Verfahren entschieden.
Am Beginn standen wie bei Brendan auch natürlich der Prozess in der ersten Instanz mit den üblichen Anträgen, die abgelehnt wurden. Dann hat die Verteidigung einen Revisionsantrag gestellt, die Revision wurde vom zuständigen Revisionsgericht abgelehnt.
Daraufhin wurde erneut Revision eingelegt, beim obersten Gerichtshof von Wisconsin, und auch diese wurde verworfen.
Nun hat sich Avery aber auf einen ähnlichen Weg begeben wie Dassey, ist aber weitaus langsamer unterwegs: er hat zunächst einmal einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Gericht in Wisconsin gestellt. Die Regeln dazu sind etwas anders als in Deutschland, daher muss man mit dem Begriff "Wiederaufnahmeverfahren," wenn er auch korrekt übersetzt ist, vorsichtig sein. In diesem "Post-conviction relief" Verfahren wurden wieder Verfahrensfehler geltend gemacht, nicht zuletzt, dass die Verteidiger in der 1. Instanz nicht kompetent waren, und dass die Anklagebehörde die Rechte Averys verletzt habe.
Der Antrag wurde erwartungsgemäss von der Einzelrichterin abgelehnt, die Ablehnung aber ist Gegenstand einer erneuten Revision.
Während diese Revision nun am schweben ist, stellte die Verteidigung noch weitere Anträge, immer mit dem Ziel der Wiederaufnahme des Verfahrens, immer wieder anders begründet. Und erwartungsgemäss gibt es Streit darüber, ob diese Anträge alle zusammen vom Revisionsgericht behandelt werden sollten, oder einzeln.
Da befindet sich derzeit das Verfahren: das Revisionsgericht möchte erst einmal den ursprünglichen Revisionsantrag zum WAV behandeln, und die weiteren Anträge sollen den normalen Weg durch die Instanzen gehen.
Wie der aufmerksame Leser jetzt bemerkt hat, bewegt sich das ganze Verfahren noch auf der einzelstaatlichen Ebene in Wisconsin.
Das bedeutet, da liegt noch eine lange potentielle Wegstrecke vor den Beteiligten. Das ist der grosse Unterschied zum deutschen System: nach einer Verurteilung durch das Schwurgericht bleiben in Deutschland nur wenige Schritte: die Revision beim BGH, der Antrag auf WAV (das seltenst gewährt wird, mit Revision der entsprechenden Anträge) und die Verfassungsbeschwerde (ebenfalls sehr selten erfolgreich).
Hier gibt es diese Schritte auch, und auch hier sind sie selten erfolgreich, aber sie können in vielen Fällen doppelt gegangen werden: erst auf einzelstaatlicher Ebene, dann auf Bundesebene.
Für Verurteilte ist das freilich sehr positiv. Negativ dagegen ist, dass sich dadurch Verfahren über sehr viele Jahre, ja Jahrzehnte, hinziehen. Ich war letztes Jahr an einem solchen Verfahren erfolgreich beteiligt, aber es hat insgesamt 13 Jahre gedauert, bis die unschuldig Verurteilte endlich in Freiheit entlassen wurde.
Vorher aber würde der Staat wohl noch in Revision gehen vor dem obersten Gericht in Wisconsin.
Die "Knochengeschichte" ist hier ein gutes Beispiel, dass es juristisch weitaus komplizierter ist, als manche denken:
Avery bzw. Zellner muss darstellen, dass
1. Die Vernichtung der Knochen ein Verfahrensfehler ist, der Avery in seinen Rechten verletzt hat
UND
2. Durch diesen Fehler der Ausgang des Verfahrens beeinflusst wurde.
Das erste mag ihr noch gelingen, aber das zweite wird weitaus komplizierter. Zellner tut so, als hätten Tests dieser Knochen eindeutig Averys Unschuld belegt.
Das ist meiner Meinung nach kompletter Unfug. Ich gehe selbst davon aus, dass die Tests bewiesen hätten, dass es sich um Halbachs Knochen handelte. Fein. Aber dann: was ändert diese Tatsache am Verfahren?
Es wurden also Knochen des Opfers an zwei verschiedenen Orten gefunden. Aus dieser Tatsache kann man jetzt mehrere Schlüsse ziehen, und es ist keineswegs so, dass einer naheliegend ist, der in Richtung Averys Unschuld zeigt.
Und so ist das mit all den vorgebrachten angeblichen Verfahrensfehlern. Man muss immer untersuchen, ob sie, wenn korrigiert, im Gesamtbild des Verfahrens, einen anderen Ausgang hätten bringen können.
Am Beginn standen wie bei Brendan auch natürlich der Prozess in der ersten Instanz mit den üblichen Anträgen, die abgelehnt wurden. Dann hat die Verteidigung einen Revisionsantrag gestellt, die Revision wurde vom zuständigen Revisionsgericht abgelehnt.
Daraufhin wurde erneut Revision eingelegt, beim obersten Gerichtshof von Wisconsin, und auch diese wurde verworfen.
Nun hat sich Avery aber auf einen ähnlichen Weg begeben wie Dassey, ist aber weitaus langsamer unterwegs: er hat zunächst einmal einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Gericht in Wisconsin gestellt. Die Regeln dazu sind etwas anders als in Deutschland, daher muss man mit dem Begriff "Wiederaufnahmeverfahren," wenn er auch korrekt übersetzt ist, vorsichtig sein. In diesem "Post-conviction relief" Verfahren wurden wieder Verfahrensfehler geltend gemacht, nicht zuletzt, dass die Verteidiger in der 1. Instanz nicht kompetent waren, und dass die Anklagebehörde die Rechte Averys verletzt habe.
Der Antrag wurde erwartungsgemäss von der Einzelrichterin abgelehnt, die Ablehnung aber ist Gegenstand einer erneuten Revision.
Während diese Revision nun am schweben ist, stellte die Verteidigung noch weitere Anträge, immer mit dem Ziel der Wiederaufnahme des Verfahrens, immer wieder anders begründet. Und erwartungsgemäss gibt es Streit darüber, ob diese Anträge alle zusammen vom Revisionsgericht behandelt werden sollten, oder einzeln.
Da befindet sich derzeit das Verfahren: das Revisionsgericht möchte erst einmal den ursprünglichen Revisionsantrag zum WAV behandeln, und die weiteren Anträge sollen den normalen Weg durch die Instanzen gehen.
Wie der aufmerksame Leser jetzt bemerkt hat, bewegt sich das ganze Verfahren noch auf der einzelstaatlichen Ebene in Wisconsin.
Das bedeutet, da liegt noch eine lange potentielle Wegstrecke vor den Beteiligten. Das ist der grosse Unterschied zum deutschen System: nach einer Verurteilung durch das Schwurgericht bleiben in Deutschland nur wenige Schritte: die Revision beim BGH, der Antrag auf WAV (das seltenst gewährt wird, mit Revision der entsprechenden Anträge) und die Verfassungsbeschwerde (ebenfalls sehr selten erfolgreich).
Hier gibt es diese Schritte auch, und auch hier sind sie selten erfolgreich, aber sie können in vielen Fällen doppelt gegangen werden: erst auf einzelstaatlicher Ebene, dann auf Bundesebene.
Für Verurteilte ist das freilich sehr positiv. Negativ dagegen ist, dass sich dadurch Verfahren über sehr viele Jahre, ja Jahrzehnte, hinziehen. Ich war letztes Jahr an einem solchen Verfahren erfolgreich beteiligt, aber es hat insgesamt 13 Jahre gedauert, bis die unschuldig Verurteilte endlich in Freiheit entlassen wurde.
jeffersonbridg schrieb:Also mit der Knochengeschichte und wie es weitergeht. Man kann doch davon ausgehen das hierbei nichts rumkommt was Avery helfen würde. Was würde passieren wenn es pro Avery ausgelegt werden würde? Was wären dann die nächsten Schritte und wann sind alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft?Wenn das Revisionsgericht entscheiden würde, dass es hier Verfahrensfehler gab UND dass diese den Prozess unfair gemacht haben (wie gesagt, das eine ergibt nicht automatisch das andere), dann würde der Prozess neu aufgenommen werden können. Das bedeutet, die Staatsanwaltschaft müsste entscheiden, ob sie das will oder nicht, und dann ginge alles von vorne los.
Vorher aber würde der Staat wohl noch in Revision gehen vor dem obersten Gericht in Wisconsin.
Die "Knochengeschichte" ist hier ein gutes Beispiel, dass es juristisch weitaus komplizierter ist, als manche denken:
Avery bzw. Zellner muss darstellen, dass
1. Die Vernichtung der Knochen ein Verfahrensfehler ist, der Avery in seinen Rechten verletzt hat
UND
2. Durch diesen Fehler der Ausgang des Verfahrens beeinflusst wurde.
Das erste mag ihr noch gelingen, aber das zweite wird weitaus komplizierter. Zellner tut so, als hätten Tests dieser Knochen eindeutig Averys Unschuld belegt.
Das ist meiner Meinung nach kompletter Unfug. Ich gehe selbst davon aus, dass die Tests bewiesen hätten, dass es sich um Halbachs Knochen handelte. Fein. Aber dann: was ändert diese Tatsache am Verfahren?
Es wurden also Knochen des Opfers an zwei verschiedenen Orten gefunden. Aus dieser Tatsache kann man jetzt mehrere Schlüsse ziehen, und es ist keineswegs so, dass einer naheliegend ist, der in Richtung Averys Unschuld zeigt.
Und so ist das mit all den vorgebrachten angeblichen Verfahrensfehlern. Man muss immer untersuchen, ob sie, wenn korrigiert, im Gesamtbild des Verfahrens, einen anderen Ausgang hätten bringen können.