@BackAgain Dem kann ich weitgehend folgen. Wenn wir einmal davon ausgehen, dass die Handtücher nicht eine ganz besondere, für andere abstruse, Bedeutung haben - zum Beispiel wirklich ein Kindheitstrauma oder so etwas, - dann wird man sagen können, dass er sich Gedanken um das Fesseln gemacht hat oder in diesen Themenbereich durch jemanden gelangt ist, der durchaus professionell ist. Das ist das eine.
Andererseits habe ich von dieser Technik in der Praxis noch nie gehört, da überall dort, wo man sich professionell mit Fixierung von Personen auskennen muss, z.B. in der Psychiatrie, im Krankenhaus, im Rettungsdienst (da kommt meine Erfahrung her) usw. in der Regel eben Material verwendet wird, das die Gefahr des Abschnürens lebenswichtiger Blutgefässe oder Nerven bereits in der Herstellungsweise versucht zu vermeiden: man verwendet eben ausnahmslos sehr breite Manschetten, und niemals ein so einschneidendes Material wie ein dünnes Seil, eine Wäscheleine etc. wären.
Das gilt meines Wissens auch für den BDSM Bereich. Schaut man sich mal auf einschlägigen Webseiten um, die wirklich verwendbare Utensilien anbieten (man darf nicht auf gestellte Fotos hereinfallen), dann sieht man das Gleiche: relativ breite Manschetten usw. Und aus zahllosen Krimis weiss man, dass handelsübliche Polizei-Handschellen durchaus unangenehm einschneiden (in jedem Krimi reibt sich der Verdächtige erst einmal die Handgelenke, nachdem der Detektiv ihm endlich die Handschellen abgenommen hat). Nirgends aber würde man das Unterlegen von Handtüchern dargestellt finden.
Was bedeutet das:
1) Der Täter ist
nicht professionell ausgerüstet: er könnte mit Leichtigkeit professionelles Fesselmaterial kaufen, in jedem halbwegs guten Sex-Shop, online usw. Das gleiche gilt für die Wäscheleine, die damals zwar ein Allerweltsgegenstand war, aber zum Fesseln nicht so gut geeignet war. Er ist also auf dem Gebiet der Ausrüstung Amateur. Warum? Ist er geizig? Ist es ihm egal? Will er einfach jede Gefahr des entdeckt werdens ausschliessen, wenn z.B. jemand zufällig seine Taschen untersuchen würde? Das könnte darauf hinweisen, dass er durchaus intelligent ist, und vor allem in einer Situation lebt, in der das vorkommen könnte, also in einer Familie etc. Vielleicht hat er einen Arbeitsplatz, an welchem es Taschenkontrollen gibt und es wäre ihm peinlich, wenn er einmal aus Versehen ein SM Utensil in der Tasche hätte.
2) Der Täter weiss um die Problematik des Abschnürens der Extremitäten und will das verhindern. Warum, wenn er das Opfer eh töten will, warum, wenn er ihm sowieso Qualen bereiten will? Zum einen kann es bedeuten, dass er das Opfer länger malträtieren will, dass die Qualen dosiert sein sollen und seiner Kontrolle unterliegen, er will entscheiden, in welchem exakten Moment Qualen in welcher Intensität entstehen. Dafür spricht auch die Strangulation am Ende: hier ist er 100% im Regime. Auf diesem Gebiet also ist er durchaus Profi. Das spricht dafür, dass er hier bereits Erfahrung hat, und diese zu Beginn freilich ohne tödlichen Ausgang erlangt hat. Man darf tatsächlich annehmen, dass er sich in der BD/SM Szene zumindest ein wenig auskennt, vielleicht aber nur durch intensiven Videokonsum etc.
Kann man schliessen, dass er auch Erfahrung aus einem nicht-sexuellen Bereich hat, z.B. Krankenhaus? Mir kam der Gedanke beim Betrachten des Films gleich. Ich wurde sofort an die Präparation einer Injektion etc. erinnert. Möglich ist es also, dass der Täter auch beruflich einmal mit der Fixierung von Patienten zu tun hatte.
3) Merkwürdig allerdings ist die Frage, warum er zu dieser Tat zwar die Wäscheleine mitbrachte (ich hoffe, dass es wirklich klar erwiesen ist, dass sie nicht aus dem Haushalt des Opfers stammte), aber die Handtücher nicht. Denn er kann ja nicht damit rechnen, dass er solche beim Opfer vorfindet. Was würde er tun, wenn nicht? Würde das die komplette Tat verhindern, also sind ihm diese so wichtig, oder wäre es ihm dann egal und würde er das Opfer dann ohne fesseln? Wenn wir hier eine Antwort hätten, gäbe diese einen interessanten Einblick in seine Psyche, aber die haben wir natürlich nicht.
4) Die Fesselungsart jedenfalls, wenn sie aus dem Wunsch geboren wurde, dem Opfer keine unkontrollierten Qualen oder gar ein zu frühes Ende zu bereiten, weist darauf hin, dass er einen längeren Prozess des Quälens plante. Dementsprechend muss er viel Zeit einplanen, diese also auch zur Verfügung haben. Das spricht auch für eine sehr durchdachte und geplante Tat.
Umso merkwürdiger ist dann, dass es anscheinend kein weiteres bekanntes Opfer gibt, bei dem genau diese Fesselungsvariante verwandt wurde.
Die Brandlegung weist übrigens wieder genau diesen merkwürdigen Gegensatz auf: einerseits macht sich der Täter überhaupt Gedanken darum, eventuelle Spuren zu beseitigen, andererseits macht er es sehr unprofessionell. Er verlässt sich erstens wieder darauf, im Haus entsprechendes Material zu finden, und verwendet das dann auch nicht sehr erfolgreich. Ein besserer Ansatz wäre z.B. gewesen, ein Fläschen Feuerzeugbenzin, Apothekeralkohol oder gar Benzin mit sich zu führen, damit Stoffe in Leichennähe zu tränken und diese dann anzuzünden.
Ein klares Fazit kann ich hier nicht so recht ziehen. Ich denke, es ist relativ klar, dass hier ein psychisches, vermutliche sexuelles Motiv vorliegt, dass also durchaus eine Wiederholungsgefahr besteht, und er vermutlich auch andere Straftaten begangen hat. Nicht klar ist mir, ob diese Handtuch-Sache für ihn am Ende tatsächlich so ausschlaggebend ist. Ich könnte mir vorstellen, dass er inzwischen seinen M.O. in dieser Hinsicht geändert hat und man deshalb auch noch keine Parallele zu einem anderen Fall ziehen konnte.