grizzlyhai schrieb:@Rick_Blaine siehst du diese Verordnung als sinnvoll an ? Es geht ja um die Aufklärung eines Tötungsdeliktes.
Das Bundesverfassungsgericht begründet das so:
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1. Die Feststellung, Speicherung und (künftige) Verwendung eines DNA-Identifizierungsmusters greift in das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. -, BVerfGE 103, 21 <32 f.>). Dieses Recht gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfGE 65, 1 <41 ff.>; 78, 77 <84>). Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen, als es zum Schutz des öffentlichen Interesses unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 103, 21 <33>).
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Die Gerichte sind bei der Auslegung und Anwendung des § 81g StPO gehalten, die Bedeutung und Tragweite dieses Grundrechts angemessen zu berücksichtigen
Aus dem oben zitierten Beschluss.
Es geht ihm hier um einen bedeutsamen Eingriff in ein Grundrecht. Ob man das nun so interpretieren sollte oder nicht, das ist eine Diskussion, die sicherlich die Grenzen dieses Threads hier sprengt. Es gibt verbreitet Stimmen, die der Meinung sind, man solle die DNA eines jeden einmal verurteilten, oder sogar eines jeden auch nur verhafteten grundsätzlich speichern. Befürworter dieser These ziehen immer die Parallele zu Fingerabdrücken, die ja auch im System bleiben. In anderen Ländern gibt es inzwischen Gesetze, die so eine grundsätzliche Speicherung bestimmen und dort wird es nicht als übermässiger Eingriff in ein wie auch immer definiertes Grundrecht verstanden. Es gibt da also nicht automatisch ein richtig oder falsch. Nur, in Deutschland gilt nun einmal, was das Bundesverfassungsgericht sagt.
grizzlyhai schrieb:Dabei sollte es doch egal sein, wie die Beweise zustande gekommen sind.
Anders wäre das bei einem herausgeprügelten Geständnis.
Nein, das wäre dann nicht anders, wenn es "egal" ist. Das berührt das Rechtstaatsprinzip ganz elementar. Der Staat darf sich nur innerhalb der Gesetze bewegen, die ihm den Bewegungsraum definieren. Der Zweck darf keinesfalls die Mittel heiligen. Würden wir dem Tür und Tor öffnen, dann ist der Schritt naheliegend, eben auch das herausgeprügelte Geständnis zu erlauben. Ich denke, das ist ohne weiteres verständlich.
grizzlyhai schrieb:Gibt es einen Kodex, dass Anwälte, wenn sich abzeichnet, dass ihr Mandant jemanden getötet hat, denjenigen nicht um jeden Preis versucht frei zu kriegen ?
Hier scheint das ja der Fall zu sein.
Das betrifft die Rolle der Verteidiger, die sehr oft missverstanden wird. Genauso wie der Staatsanwalt nicht in erster Linie das "Opfer" vertritt, sondern als Vertreter der gesamten Rechtsordnung und Gesellschaft verstanden werden will und soll, ist auch der Verteidiger in einem Verfahren nicht ausschliesslich Vertreter des Angeklagten, sondern - in Deutschland nennt man ihn daher auch "Organ der Rechtspflege" - seine Aufgabe ist ebenfalls, die Rechtsordnung zu verteidigen. Er soll im Namen der gesamten Gesellschaft den Staat an dessen Verpflichtung erinnern, die Gesetze einzuhalten und die Grenzen dieser zu beachten.
So ist es durchaus seine Aufgabe, wenn der Staat eine Anklage nur durch Bruch gesetzlicher Normen vertreten kann, diese dadurch zu verteidigen, dass er im konkreten Fall tatsächlich die Verurteilung des Täters verhindert. Das ist im Einzelfall manchmal schwer zu ertragen, aber macht Sinn, wenn man sich diese gesamtgesellschaftliche Rolle vor Augen führt. Wenn ich bei dem offensichtlichen Mörder X die Augen zu drücke und die Anklagebehörde damit durchkommen lasse, durch Gesetzesbruch diesen Mörder zu überführen, dann öffne ich die Tür für den nächsten Fall, in dem ein in Wirklichkeit Unschuldiger ebenfalls verurteilt wird.
Wie gesagt, für die an einem Verfahren konkret Beteiligten, Opfer, Angehörige, Angeklagter usw. oft schwer zu akzeptieren, ist es ein Grundsatz des Rechtstaates: in jeder Verhandlung steht auch und, falls im Konflikt mit den direkt Beteiligten, in erster Linie die gesamte Gesellschaft im Gericht. Und dann kann es sein, dass im Interesse aller potentiell unschuldig Angeklagten in der Zukunft ich heute den offensichtlichen Täter freilassen muss, weil der Staat eine rechtstaatliche Grenze überschritten hat. Im übrigen steht eben nicht nur der Verteidiger vor einem solchen Dilemma, sondern vor allem der Richter.
Insofern gilt für Verteidiger: wenn es eine rechtliche Möglichkeit gibt, einen Angeklagten vor einer Verurteilung zu bewahren, weil der Staat eben das Recht verletzt hat, dann muss ich im Interesse der Gesamtgesellschaft, nicht im Interesse meines Mandanten, diese Möglichkeit auch wahrnehmen.