Sunrise76 schrieb:Erst nach dem Todesflug, aufgrund intensiver Ermittlungen konnte ein Gesamtbild, hinsichtlich seiner Konsultationen und seiner Verhaltensweisen nachvollzogen werden.
Lubitz klapperte einen Arzt nach dem Anderen ab, es hätte jedoch eines gewissen Vertrauensverhältnisses bedurft, um ihm wirklich helfen zu können. Da er vermutlich hauptsächlich von depressiven Symptomen und Ängsten berichtete, versuchte man, ihm mit Antidepressiva zu helfen. Das Präparat, das in den Medien immer wieder erwähnt wird, beruhigt, hilft beim Ein- und Durchschlafen, steigert den Appetit und scheint bei solchen Symptomen gerne angewendet zu werden (dass es als Nebenwirkung Suizidalität fördern soll, wie immer wieder betont wird, ist eher ein statistisches denn ein medizinisches Problem). Doch es konnte nicht helfen, weil die Ursache der Ängste damit nicht behandelt wurde.
Slaterator schrieb:Hinter dem Begriff "Depression" verbirgt sich ein oftmals sehr komplexes Krankheitsbild mit verschiedensten Ausprägungen.
Viele psychische Erkrankungen bringen auch depressive Symptome oder Ängste mit sich. Und nicht wenige psychisch Kranke versteifen sich darauf, weil Depressionen eine größere gesellschaftliche Akzeptanz genießen, als beispielsweise ein Borderline-Syndrom. Welche Grunderkrankung sich also hinter depressiven Stimmungen verbirgt und welche Gefahren für den Patienten oder die Umwelt bestehen, das bedarf einer genaueren Beobachtung. Psychische Erkrankungen können nicht mit einem Bluttest diagnostiziert werden. Lubitz scheint weder nur Depressionen, noch eine Psychose noch eine Angststörung gehabt zu haben.
Hätte sich Lubitz damals in eine psychiatrische Klinik begeben, hätte man dort vermutlich innerhalb weniger Tage aufgrund intensiver Beobachtung eine Diagnose und die entsprechende Behandlung entwickeln können. Die vermutlich viel Zeit gebraucht hätte. Dazu bedarf es aber einer gewissen Krankheitseinsicht. Die hatte Lubitz vielleicht sogar, aber es gehörte zu seinem Krankheitsbild, dass sein Beruf existentiell war. Also verbot sich alles, was seine Zukunft als Pilot gefährdet hätte. Die Krankheit war existenzbedrohend und so marschierte er ins Verderben - und nahm noch 150 Menschen mit. Dass er hierzu fähig war, das muss in seiner Persönlichkeit bereits angelegt gewesen sein. Das Selbst erbarmungslos über alles und jeden zu stellen - das ist weder für Depressive, noch für Schizophrene oder Borderliner oder sonstige psychische Krankheiten typisch.
Völlig verkehrt wäre es deshalb, Menschen die (nur) an rezidivierenden depressiven Episoden erkrankt sind, von Berufen usw. auszuschließen. Depressive sind nicht gefährlicher als der psychisch Gesunde, vermutlich sogar noch weniger, da sie zumeist sehr zuverlässig, einfühlsam und verantwortungsbewusst sind und sich nicht selbst überschätzen. Umgekehrt ist es bei Depressionen oder gar Suizidalität wichtig, sich in fachärztliche Behandlung zu begeben, die Symptome abklären zu lassen und nicht vorschnell zu diagnostizieren. Ein paar Tage oder Wochen Krankenhaus sind auch keine Schande, sondern eine effektive Hilfe.