Mordfall Mehtap Savasci
22.10.2015 um 15:13l e b e n s l ä n g l i c h
70 Zuschauer verfolgten die Urteilsverkündunghttp://www.hna.de/kassel/erleichterung-mehtaps-freundinnen-5675993.html
Nach Urteil: Erleichterung bei Mehtap Savascis Freundinnen
22.10.15 - 19:32
Kassel. Nach dem Urteil kam die Erleichterung – und die Tränen flossen. Die Mitglieder des türkischen Frauenvereins lagen sich auf dem Gerichtsflur zum Teil schluchzend in den Armen.
Das Urteil setze ein Zeichen, sagte die Vorsitzende Aylin Gönenz gegenüber unserer Zeitung. „Es ist für mich furchtbar, wenn das türkische Kultur ist“, sagte die 48-Jährige, die selbst türkische Wurzeln hat, über die Hintergründe der Tat, die im Prozess ans Licht gekommen waren. Sie sei entsetzt, mit welcher „Respektlosigkeit, Lieblosigkeit und Abgebrühtheit“ Mehtap Savasci behandelt worden sei.
Das zeigte sich auch bei der Urteilsverkündung: Der jüngerer Bruder sowie die Tochter und der Schwiegersohn des Angeklagten zeigten äußerlich kaum eine Reaktion. Nur als der Verurteilte abgeführt wurde, rief ihm sein Bruder aus dem Zuschauerraum zu: „Abi, mach’s gut!“ Abi bedeutet auf türkisch großer Bruder.
„Die haben das mit einer Kälte und Gleichgültigkeit hingenommen – das war erschütternd“, sagte eine 60-jährige Psychotherapeutin aus Kassel, die mit im Publikum saß. Ihr Mann, ein emeritierter Soziologieprofessor sagte, er habe die Körpersprache so gedeutet, dass die Angehörigen alles, was vom Richtertisch gesagt worden sei, ablehnten. „Die haben offenbar ihre eigene Wertewelt.“ Er vermute, dass sie in die Tat eingeweiht waren oder sie zumindest gebilligt hätten. Der verurteilte Bruder „gilt jetzt wohl als Märtyrer in der Familie“.
Auch eine frühere Kollegin von Mehtap Savasci war gekommen. Anna Volmer, die im städtischen Sozialamt arbeitet, hatte mit der Mitarbeiterin des Ausländeramts einige Jahre zu tun. „Ich mochte sie sehr“, sagte die 64-Jährige. Sie sei auch deshalb zur Urteilsverkündung gekommen, „weil es mir wichtig war, Mehtap so nochmal Tschüss zu sagen“, sagte sie mit Tränen in den Augen.
Sie sei erleichtert über das Urteil. „Auch weil das Grundgesetz mit dem Gleichheitsgrundsatz von Mann und Frau ohne Wenn und Aber umgesetzt worden ist.“
Auch Nahan Rahimi, beste Freundin von Mehtap Savasci, reagierte mit Erleichterung angesichts der lebenslangen Haftstrafe. „Obwohl es eigentlich gar keine gerechte Straße für Mord geben kann“, meinte die 33-Jährige. „Denn Mehtap kommt nicht wieder zurück.“ Sie hoffe, dass der Angeklagte jeden Tag im Gefängnis das Bild seiner Schwester vor Augen habe.
Familiäre Gründe waren das Motiv
Richter über den Savasci-Prozess: "Es war kein Ehrenmord"
23.10.15 - 09:23
Kassel. Der Tod von Mehtap Savasci habe nichts mit einem Ehrenmord zu tun, sagte Volker Mütze, Vorsitzender Richter der Sechsten Strafkammer, nachdem er am Donnerstag das Urteil im Saal D 130 des Landgerichts verkündet hatte.
Der Begriff Ehrenmord war vor geraumer Zeit vom früheren Präsidenten des Polizeipräsidiums Nordhessen, Eckhard Sauer, nach der Tötung der 40-jährigen Mehtap Savasci ins Spiel gebracht worden. Auch wenn die Strafkammer keinen Ansatz für einen Ehrenmord sah, so hätten familiäre Gründe bei der türkischstämmigen Familie Savasci letztlich zu dem Mord aus niedrigen Beweggründen geführt. Das Verhältnis von Mehtap Savasci zu ihrer Familie sei im Laufe der Jahre immer schlechter geworden. Insbesondere zu dem älteren Bruder, für den es in den vergangenen Jahren „zwei Baustellen“ in der Familie gegeben habe. Zum einem sei er nicht mit der Lebensweise seiner geschiedenen Schwester einverstanden gewesen, so Mütze. Er habe ihre Beziehung zu einem verheirateten Mann missbilligt.
Zum anderem habe der 51-Jährige versucht, seinen Schwiegersohn in seiner gesamten Familie zu integrieren. Einen offenbar sehr religiösen und konservativen Mann, mit dem er zunächst selbst nicht als Ehemann für seine eigene Tochter einverstanden gewesen wäre. Ebenso wenig Mehtap Savasci. Sie stellte einen Strafantrag, nachdem der junge Mann ihre Nichte entführt und damit quasi eine Heirat erzwungen hatte.
Während Mehtap weiterhin gegen die Beziehung der beiden gewesen sei, habe ihr Bruder den Schwiegersohn schließlich akzeptiert und sogar darauf bestanden, dass er in der gesamten Familie geduldet wird.
Mehtap kam diesem Wunsch aber nicht nach. Daraufhin habe der junge Mann ihr mehrfach gedroht, so Mütze. Auch wenn man dem Schwiegersohn aufgrund dieser Drohungen hätte zutrauen können, dass er dem Angeklagten bei dem Mord geholfen hat, so habe er doch ein Alibi für die Tat. Er hielt sich am 7. Oktober 2014 noch in der Türkei auf.
Es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass eine dritte Person dem 51-Jährigen bei dem Mord zur Seite gestanden habe, sagte der Vorsitzende in der über einstündigen Urteilsbegründung.
Nachdem es beim türkischen Bayram-Fest am 4. Oktober 2014 zu einer Eskalation zwischen den Geschwistern gekommen war, habe der 51-Jährige den Plan gefasst, seine Schwester zu töten. Er habe sofort mit der Planung und Vorbereitung begonnen, was vom Gericht unter anderem anhand der Handyverbindungen genau nachvollzogen werden konnte.
Mütze schilderte, dass der Angeklagte sich am Montag, 6. Oktober, mehrere Stunden in dem Kleingarten seines Schwiegersohnes in Wiesbaden aufhielt, wo einen Monat später die Leiche seiner Schwester gefunden wurde. Anschließend kaufte er in Offenbach eine Schubkarre, mit der er die Leiche transportieren wollte.
Am frühen Morgen des 7. Oktober fuhr der Mann nach Kassel und lauerte seiner Schwester vor ihrer Wohnung an der Pfeifferstraße auf. Er schlug sie und zwang sie, in einen Caddy einzusteigen. Gemeinsam fuhren sie auf die A 7. Bei Felsberg hielt er in einem Waldstück und erschoss seine gefesselte Schwester. „Es war von vornherein alles auf eine Tötung angelegt“, sagte Mütze.
Das sagt die Stadt: "Unmenschliche Tat"
Mehtap Savasci war seit 2001 bei der Stadt Kassel beschäftigt, zuletzt im Ausländeramt. Oberbürgermeister Bertram Hilgen übermittelte gestern nach dem Urteil eine Stellungnahme: „Der gewaltsame Tod unserer geschätzten Mitarbeiterin hat uns alle tief erschüttert. Eine junge, sympathische und moderne Frau musste sinnlos sterben, weil sie sich stärker an unserer Lebenswelt und Kultur orientiert hat“, sagte Hilgen.
Die Vorsitzende des Gesamtpersonalrats, Fazilet Karakas-Blutte, sagte: „Unsere Kollegin Mehtap wurde getötet, weil sie selbstbestimmt leben wollte.“ Frauen, die in einer ähnlichen Situation seien wie Mehtap Savasci es war, ermutigte sie, sich Hilfe bei Beratungsstellen zu holen.
Brummel08 schrieb:So,laut HNA gehen die Verteidiger in Revision.Das ist relativ unwahrscheinlich. Eine Revision führt erst einmal nicht zu einer neuen "Verhandlung des Falls." Es gibt keine zweite Tatsacheninstanz. In der Revision werden nur juristische Verfahrensfehler gerügt, und nur wenn solche gefunden werden und noch schwer genug eingeschätzt werden, kann der BGH ein neues Verfahren anordnen. Das geschieht selten.
Wie es aussieht wird der Fall dann am BGH verhandelt.
Ob dabei wohl ein anderes Urteil heraus kommt ?
Blue_Eyes_ schrieb am 22.10.2015:Das Urteil setze ein Zeichen, sagte die Vorsitzende Aylin Gönenz gegenüber unserer Zeitung. „Es ist für mich furchtbar, wenn das türkische Kultur ist“, sagte die 48-Jährige, die selbst türkische Wurzeln hat, über die Hintergründe der Tat, die im Prozess ans Licht gekommen waren. Sie sei entsetzt, mit welcher „Respektlosigkeit, Lieblosigkeit und Abgebrühtheit“ Mehtap Savasci behandelt worden sei.Finde ich gut, dass der türk. Frauenverein hier offen Stellung zu dem Urteil bezieht. Der Verurteilte hält offenbar nicht viel von der westlichen Lebensweise und dem deutschen Verständnis von Recht und Freiheit. Die Kritik eines Deutschen wird ihn (und Idioten die ähnlich ticken) sicher nicht erreichen können. Umso besser, wenn ihm Menschen mit türkischen Wurzeln ganz klar verdeutlichen, dass diese Tat auch mit dem türkischen Moralverständis absolut nicht zu vereinbaren ist.