@Schdua-ga-dr Ich habe annähernd 2 Jahrzehnte, als Hausmeister in einem sozialen Brennpunkt unserer Stadt gearbeitet. Ich hatte eine Wohnung im Hinterhof der Häuser, die ich betreute. Für meinen Lebensweg war das eine sehr interessante Zeit. Ich war mittendrin im Trinkermillieu und Drogenmillieu.
Man kann in diesem Millieu nur erfolgreich arbeiten, wenn man die sozialen Mechanismen kennt ,nach der diese Zwangsgemeinschaften funktionieren. Zwangsgemeinschaft deshalb, weil es wohl niemand anstrebt ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein.
Ich habe vom ersten Tag an auf ein Miteinander mit der Trinkerszene hingearbeitet. Ich habe offensiv den Kontakt zu ihnen gesucht und mich sehr oft mit Ihnen unterhalten. Dabei war es mir sehr wichtig eine Beziehung auf "Augenhöhe" zu pflegen.
Und es hat sich für beide Seiten gelohnt. Wenn Anwohner sich beschwerten das um die Häuser uriniert und herumgepöbelt wurde, brauchte ich nur Bescheid sagen. Meinen "Jungs" war es dann peinlich, dass ich wegen Ihnen unter Druck geriet und sie rissen sich zusammen. Im Gegenzug bekam jeder bei Bedarf einen heißen Kaffee oder ein Wurstbrot, wenn Not am Mann war. Auch ein Schreiben an irgendeine Behörde, war schnell aufgesetzt und am Computer ausgedruckt.
Gewalt ist ein bestimmender Teil dieses Millieus. Ich habe jedoch beobachtet, dass diese Gewalt in der Regel, eine gewisse Schwelle selten überschreitet.
In unserer Stadt wird dies mit dem geflügelten Wort " Pack schlägt sich, Pack verträgt sich" umschrieben.
Dies macht auch Sinn, denn wenn es zu einem gewaltsamen Streit kommt, muss man danach in seiner "Familie" in seinem Millieu weiterleben.
Eine weitere Beobachtung die ich machte, war das der Wahrnehmungshorizont in der Trinkerszene sehr begrenzt ist.
Über was sollen sich Trinker unterhalten ? Autos, Erlebnisse von der Arbeitsstelle fallen von vorneherein weg. Aktuelle Ereignisse werden nicht wahrgenommen, da man sich nicht täglich informiert.
Ich habe festgestellt, dass man hauptsächlich übereinander redet und trascht. Es besteht eine außerordentlich gute soziale Vernetzung in der Trinkerszene. Jeder ist gut über den anderen informiert, ob von ihm selber oder durch Informationen von anderen.
Und es kam oft vor, dass man aus banalen Gegebenheiten eine "Riesengeschichte" machte.
Meiner Meinung nach liegt das daran, dass halt der normale Alltag dieser Gruppe nur langweilige Routine ohne Höhepunkte ist.
Im Moment ordne ich die "Polen Spur", die "Erpressung" und das Thema "Sex mit Silvia" erstmal in die Kategorie harmlose Begebenheit ein, die erst beim Weitererzählen aufgebauscht wurde.
Deshalb gehe ich davon aus, dass die Täter, nicht aus dem selben Milieu stammen wie die Opfer.
Die Trinkerszene hält zwar zusammen, aber wenn Freunde von ihnen getötet werden, überwiegt das Interesse, dass der/ die Täter aus dem Verkehr gezogen werden. Auch hat man ein vitales Interesse daran, dass die Polizei nicht täglich an den Treffpunkten der Trinker aufschlägt und die Anwesenden mit Fragen löchert.
Ein Anlass für einen tödlichen Streit, wäre den anderen nicht verborgen geblieben und die Infragekommenden schnell benannt.