Ich schaue ja nur noch sporadisch hier herein, daher muss ich
@Nummer33 @Comtesse @Frau.N.Zimmer und die anderen hier wirklich einmal bewundern, die noch immer mit grosser Geduld versuchen, gesunden Menschenverstand in dieser Diskussion Gehör zu verschaffen.
Mich irritiert jedoch immer wieder die saloppe Behauptung, es gäbe ja keine Beweise sondern nur Indizien. Das ist eigentlich hanebüchener Unsinn, wenn man sich einmal die Definition von "Beweis" im Strafverfahren anschaut. Dankenswerter Weise findet man das ganz gut bei wikipedia beschrieben (ja, auch dort gibt es Autoren, die wissen wovon sie schreiben):
Ein Beweis ist erbracht, wenn der Beweisführer den Richter von der Richtigkeit der strittigen Tatsachenbehauptung überzeugt. Das Regelbeweismaß ist dabei die volle persönliche Überzeugung des Richters.
Die entscheidende strittige Tatsachenbehauptung im Strafprozess ist, dass der Angeklagte der schuldige Täter ist. Das muss bewiesen werden.
Nur wenn der Beweis erbracht ist, darf das Gericht den Täter verurteilen.
So. Man kann also nicht davon sprechen, dass einem Urteil kein Beweis zu Grunde liegt. Das wäre in der Tat problematisch, denn der ebenso häufig hier zitierte Grundsatz "
in dubio pro reo" besagt nichts anderes, als dass das Gericht den Angeklagten freisprechen muss, wenn das Gericht Zweifel an der Tatsachenbehauptung hat. Dann ist, folgerichtig, eben der Beweis nicht erbracht.
Wie man nun zum Beweis der Täterschaft kommt, ist ganz verschieden. Manchmal gesteht ein Täter. Manchmal liegen Indizien vor, die so klar und eindeutig sind, dass ihrer nicht viele notwendig sind. Und hier kommen wir zum Begriff "Indiz."
Ein Indiz ist ein "Hinweis" auf das Vorliegen einer Tatsache, die es erlaubt, auf die übergeordnete Tatsache, um die es geht, die Täterschaft, zu schliessen. Somit ist auch ein Fingerabdruck am Tatort, eine DNA Spur, usw. immer erst einmal nur ein Indiz.
Wenn das Gericht vorhandene Indizien folgerichtig so würdigt, dass es aus dem Vorhandensein schliesst, dass der Angeklagte der Täter ist, dann ist der Beweis erbracht.
Es ist daher unsinnig, so zu tun, als gäbe es "Indizien" und "Beweise," die beide am Tatort so herumliegen könnten. Das beste Beispiel dafür ist der Fingerabdruck oder die DNA Spur: für sich genommen ist es nur ein Indiz, dass der Angeklagte der Täter sein kann. Aber, es kann durchaus harmlose Erklärungen für das Vorhandensein der Spur geben: der Angeklagte kann z.B. am Tag, im Monat, im Jahr vor der Tat ganz legal und harmlos am Tatort gewesen sein und die Spur hinterlassen haben.
Daher gilt: selbst dieses Indiz allein sagt noch nicht viel. Kommt nun ein anderes Indiz dazu, z.B. die Feststellung, dass es ganz und gar keinen Anhaltspunkt gibt, dass dieser Angeklagte jemals Gelegenheit oder Motiv hatte, vor der Tat an diesem Tatort gewesen zu sein, dann kann das Indiz Fingerabdruck eventuell gar beweisführend werden. Oder wenn andere Indizien zeigen, dass die DNA Spur nur zur Tatzeit zurückgelassen worden sein kann, weil z.B. der Spurenträger selbst dort nicht vorher gewesen ist, oder vorher gereinigt wurde usw. dann kann das Indiz den Beweis liefern.
Aber: der Beweis entsteht eben erst durch den Schluss des Gerichts, dass diese Indizien diese Beweiskraft haben. Die Indizien sind niemals
per se Beweise. Nicht einmal eine Aussage eines Augenzeugen, der direkt neben dem Täter während der Tatausführung stand ist dies
per se. Erst muss das Gericht zu dem Schluss kommen, dass dieser Zeuge glaubwürdig ist. Dazu kann es wieder anderer Indizien bedürfen usw.
Und nun komme ich zum Schluss: Die deutsche Rechtsordnung sagt:
Maßgebend ist (in den Worten des Bundesgerichtshofes) allein, ob der Richter persönlich von der Wahrheit der Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Hierfür muss der Richter alle für und gegen eine Tatsachenbehauptung sprechenden Gesichtspunkte in Relation zum erforderlichen Beweismaß setzen. Dabei bleibt er an die Gesetze der Denklogik und an die auf Erfahrung gegründete Wahrscheinlichkeit gebunden. Als Beweismaß darf jedoch nicht der naturwissenschaftlich sichere Nachweis verlangt werden, sondern der Richter muss sich mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zufriedengeben, der letzte (theoretische) Zweifel nicht ausschließt, ihnen aber praktisch Schweigen gebietet.
Unter Auslassung der Zitatfussnoten zitiert aus:
Wikipedia: Beweis (Rechtswesen)Das Gericht im vorliegenden Fall hat nun einmal alle bekannten Indizien
zusammen gewürdigt und den Schluss gezogen, dass der Beweis erbracht wurde, dass AD der Täter ist. So funktioniert das in Deutschland.
Man kann kritisieren, ob das Gericht die Gesetze der Denklogik aufgegeben hat, ob es jenseits einer auf Erfahrung gegründeten Wahrscheinlichkeit Rückschlüsse gemacht hat usw. aber man sollte nicht immer so tun, als gäbe es ominöse "Beweise," die qua Substanz eine Verurteilung erfordern und ohne die es keine Verurteilung geben darf. Da versteht man die Rolle des Gerichts nämlich völlig falsch.