@abberline Das ist leider ein ganz kompliziertes Thema. Ich kenne einige mexicanische Polizisten, das sind herzensgute Menschen, die sicherlich ihr Bestes geben. Aber das System ist leider extrem korrupt. Zum einen ist die Ausbildung nicht mit dem Standard in den USA oder in Europa zu vergleichen, und auch die Bezahlung der Polizei ist, selbst im Landesstandard, sehr schlecht. Dazu kommt, dass das Justizsystem noch schlimmer dran ist. Mexico bemüht sich seit drei Jahren das gesamte Justizsystem vollkommen umzubauen, und zum ersten Mal in seiner Geschichte ein System einzuführen, das dem in Europa oder in den USA vergleichbar ist. Damit gibt es aber gewaltige Schwierigkeiten, da die meisten Staatsanwälte und Richter und auch Strafverteidiger noch nie in einem solchen System gearbeitet haben. Tatsache ist, dass nur ein sehr geringer Prozentsatz aller Straftaten aufgeklärt, noch weniger zur Anzeige und Verurteilung gebracht werden. Das weiss auch die Bevölkerung, die dementsprechend kaum Hoffnung hat, dass der Staat da irgendetwas tun kann und somit oft auch gar nicht erst mit den Behörden zusammenarbeitet, sich als Zeugen zur Verfügung stellt usw. Es wirkt oft wie ein Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist.
Als Jurist und ehemaliger Polizeibeamter stehen mir immer wieder die nicht vorhandenen Haare zu Berge, wenn ich sehe unter welchen Umständen die Polizei hier arbeiten muss. Statistisch gesehen werden nur ca. 5% der schweren Verbrechen aufgeklärt. Und selbst das ist noch zweifelhaft, da von Kennern befürchtet wird, dass unter den 5% "geklärten" Verbrechen oft Unschuldige beschuldigt und verurteilt werden.
Hier ein erschütternder Bericht:
It’s been some years since Laura stopped counting dead people. “We are oblivious to them now,” she says. It’s just another body.
Laura is a criminal investigator with the Nuevo León state Homicide Division, joining straight out of the academy. Her mission, as you might expect, is to gather evidence that would solve the crimes and lead to the arrest of a perpetrator. She is a detective.
“But I’ve seen five homicides in a single day and investigations take time, so some get left behind.”
She was never trained how to investigate a murder. She wasn’t required to have a certain amount of experience or complete any special courses, as required in the United States and Canada. “Being appointed is all it takes, and that’s what happened to me,” she admits.
This detective’s routine is not the same as that of homicide officers in many other countries either.
She spends a significant part of her week drafting “memos” requesting fuel or replacement parts for her police car or searching for soldiers who might sell her ammunition left over from a seizure. She also goes to Office Depot to buy sheaves of paper, pens or carbon paper needed to draft reports, or maybe toner cartridges for the printer. “We don’t always have money to buy them, so sometimes we also go begging for toner cartridges in order to print documents, or we just shake the cartridge in hopes of getting something.”
And in the midst of this, she tries to manage the cases stacking up as well as the new homicides assigned to her.
“(The cases) are neither filed, nor closed, but there is almost not follow-up either. Just the report of the facts and the identification of the corpse ... and that’s about as far as we get,” Laura confesses.
It’s no surprise that solving a murder in Mexico is the exception and not the rule. As happens in 26 other states, in Laura’s home state of Nuevo León, 9 of 10 crimes go unpunished.
Laura (an alias to protect her identity) says she doesn’t remember the each of the homicides that have been assigned to her that were left unsolved. A look at the stats allow for an estimate: According to official reports, there were 6,237 unsolved homicides in Nuevo Leon between 2010 and 2016 and there are 98 criminal investigators in the Homicides Department. That suggests each detective would be in charge of investigating roughly 64 homicides.
Kurzfassung: "Laura ist Kriminalbeamtin, zuständig für Mordfälle. Sie hat keinerlei Spezialausbildung, wie sie in anderen Ländern, z.B. den USA, für diesen Job notwendig wäre. Sie wurde direkt aus der Polizeischule in das Morddezernat versetzt. Sie hat aufgehört die Mordfälle zu zählen, es sind durchschnittlich fünf am Tag. Einen Grossteil ihrer Arbeitszeit verbringt sie aber damit, Anträge zu stellen: Auf Zuweisung von Benzin für ihren Dienstwagen, Ersatzteile, oder einkaufen zu gehen um z.B. Kopierpapier zu besorgen, oder um Soldaten zu finden die ihr heimlich Munition der Armee verkaufen für ihre Dienstwaffe. Manchmal, so sagt sie, muss sie um Tonerkassetten für das Kopiergerät betteln gehen. Neben all diesen Dingen versucht sie auch Mordfälle zu bearbeiten.
Ein Mord wird nicht einmal mehr offiziell zu den Akten genommen. Ausser der Feststellung der Identität des Opfers passiert meist nichts. Eine Aufklärung eines Mordes ist die Ausnahme in Mexico. Zwischen 2010 und 2016 hatte ihr Bundesstaat 6237 Morde zu bearbeiten, dafür gibt es 98 Ermittler. Das sind ca. 64 Morde pro Kriminalbeamten. Und das ist aussergewöhnlich gut. Im Nachbarstaat Guerrero kommen 1000 Morde auf einen Beamten.
In Europa werden im Schnitt 81% aller Morde aufgeklärt, in Mexico 5%. ...
https://www.animalpolitico.com/kill-murder-mexico/homicides-unpunished-mexico.php (Archiv-Version vom 06.11.2020)Ich denke, das sagt alles. Mexico ist ein wunderschönes Land, ich bin ab morgen wieder einmal für ein Wochenende da, wie fast jedes dritte Wochenende, aber das System ist komplett kaputt und ich weiss auch nicht, wie man es jemals reparieren kann. Man muss immer wieder erstaunt sein, dass es noch Menschen dort gibt, die Hoffnung haben, eines Tages in einem Staat zu leben, der genauso funktioniert wie andere. Aber das ist typisch für Mexicaner, sie geben die Hoffnung nicht auf.