Kaarst: Fall Daniel D.: Eltern verpflichten Top-AnwaltKaarst. Rüdiger Deckers, Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf, vertritt Klaus und Hilde D. im Verfahren gegen ihren Neffen vor dem Bundesgerichtshof. Der Sportlehrer wurde wegen Totschlags verurteilt. Von Julia Hagenacker
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Seit zweieinhalb Monaten sitzt der ehemalige Aushilfssportlehrer aus Korschenbroich jetzt in der Justizvollzugsanstalt. Wegen Totschlags an seinem Cousin Daniel D. hat ihn das Landgericht Düsseldorf im August zu zehn Jahren Haft verurteilt. Der 29-Jährige schreibt weiterhin Briefe an seine Mutter, in denen er nach einer zweiten Chance verlangt. Derweil geht der Fall in die nächste Instanz.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben die Eltern des Getöteten, die im Prozess als Nebenkläger auftraten, Revision eingereicht. Für das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof wurde ein ausgewiesener Experte für Strafrecht engagiert.
Rüdiger Deckers ist promovierter Jurist, hat einen Lehrauftrag an der Fernuniversität Hagen, ist Seniorpartner einer renommierten Düsseldorfer Sozietät, Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf und Rechtsbeistand in vielen öffentlichkeitswirksamen Prozessen. Den Fall Daniel D., sagt Deckers, habe er übernommen, weil er davon überzeugt sei, dass bei der Urteilsfindung Fehler gemacht wurden.
Rückblick: Es ist der 11. Dezember 2013. Eine Autofahrerin meldet der Polizei um 22.16 Uhr zunächst einen vermeintlichen Verkehrsunfall. Rettungskräfte finden den Dormagener Daniel D., der in Korschenbroich "Garten an Garten" mit dem Angeklagten aufwuchs, an der K 37 erschlagen neben seinem Auto liegend. Warum sich Daniel D. und sein Cousin an jenem Abend an einer unbeleuchteten Kreisstraße trafen, ist eine der vielen nach wie vor ungeklärten Fragen in diesem Fall. Keiner der Zeugen, die vor der Tat an der Stelle vorbeikamen, berichten im Prozess von einer Streitsituation. An diesem Punkt setzt unter anderem die Revisionsbegründung an.
In der Urteilsbegründung, sagt Deckers, werde mitunter zugunsten des Angeklagten spekuliert, ob es vor der Tat - Stichwort: Affekt - eine Auseinandersetzung gegeben hat. Das, sagt der Strafrechtsexperte, dürfe, unabhängig davon, dass der Zeitkorridor für einen solchen Streit nur sehr klein gewesen sein könne, aber nicht sein. Schließlich, sagt Deckers, habe der 29-Jährige kurz vor Ende des Prozesses seine Schuld eingeräumt, zum Ablauf und Motiv aber weiter geschwiegen.
"Wenn es einen Streit gegeben hätte, hätte er spätestens an dieser Stelle erwähnt werden müssen." Wer sich vor Gericht teilweise einlasse, müsse die Karten dann auch auf den Tisch legen. Jedenfalls, sagt Deckers, dürfe er nicht davon ausgehen, dass ihm weiteres Schweigen einen Vorteil einbringt.
Der Fall Daniel D., da sind sich Rüdiger Deckers wie auch Rechtsanwalt Bernd Kretschmann, der das Ehepaar D. seit der ersten Instanz vertritt, einig, passt in die von Justizminister Heiko Maas angestoßene Diskussion um die deutschen Mord- und Totschlagsparagrafen. "Wir haben es hier mit einem Fall zu tun, der objektiv nach einem Heimtückemord schreit", sagt Deckers. "Weil der Angeklagte keine Angaben macht, fehlt aber die subjektive Seite."
An dieser Stelle liege der Fehler im System. Fälschlicherweise überhaupt nicht geprüft, erklärt der Strafrechtsexperte, habe das Gericht aber auch den besonders schweren Fall des Totschlags. Paragraf 212, Absatz zwei des Strafgesetzbuchs sieht lebenslange Freiheitsstrafe vor. "In diesem Fall findet sich nichts, was den Angeklagten in irgendeiner Weise entschuldigt", sagt Deckers.
"Wer einem körperlich Überlegenen, wie es Daniel D. war, derartige Verletzungen zufügen kann, muss sich vorbereitet haben und von seiner Tat überzeugt gewesen sein. Das spricht für einen sogenannten ,kalten Totschlag'."
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