Kaarst: Fall Daniel D.: Eltern gehen in Revision
Kaarst. Gegen das Urteil des Landgerichts haben die Eltern des getöteten Daniel D. Rechtsmittel eingelegt. Die Nebenkläger gehen davon aus, dass ihr Sohn von seinem Cousin ermordet wurde. Jetzt entscheidet das Oberlandesgericht. Von Julia Hagenacker
Zwei Nächte lang haben sie über ihre Entscheidung geschlafen. Sie haben überlegt, ob sie sich das antun wollen oder ob es nicht besser wäre, unter die ganze Sache einen juristischen Schlussstrich zu ziehen. Am Ende sind sie zu dem Schluss gekommen, dass sie weiterkämpfen müssen. "Einfach, damit ich mir später keine Vorwürfe mache und sagen kann, ich hab alles versucht", sagt Klaus D.
Der 68-Jährige und seine Frau wirken mitgenommen, als sie an diesem Dienstagnachmittag durch die dicken Familien-Fotoalben blättern. Die vergangenen Monate haben an ihren Nerven gezerrt. Acht Verhandlungstage lang haben sie ihrem Neffen im Gerichtssaal gegenüber gesessen und sein Schweigen ertragen. Am Montag vor einer Woche wurde der Aushilfssportlehrer aus Korschenbroich wegen Totschlags an seinem Cousin Daniel D. zu zehn Jahren Haft verurteilt. Gegen die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf haben die Eltern des Getöteten Revision eingelegt. Kurz vor Ende des Prozesses räumte der Student seine Schuld zwar ein, zum Ablauf und zum Motiv äußerte er sich aber nicht.
Das Ehepaar D., das als Nebenkläger auftritt, geht davon aus, dass ihr Neffe die Tat geplant, ihren Sohn am Abend des 11. Dezembers vergangenen Jahres unter Androhung seines eigenen Selbstmords zum Tatort an der dunklen K 37 nahe des Büttgener S-Bahnhofs gelockt und heimtückisch ermordet hat. "Aus unserer Sicht gibt es zahlreiche Fakten und Umstände, die darauf hindeuten", sagt Klaus D.: Die vielen Telefonate vor der Tat, obwohl die beiden Cousins eigentlich wenig Kontakt hatten; der letzte Anruf des Angeklagten am Tattag, der Daniel D. veranlasste, mit überhöhter Geschwindigkeit von Dormagen nach Büttgen zu fahren; die Tatsache, dass der Neffe schon früher mit vermeintlichem Suizid drohte. "Warum hat er Daniel nicht zu sich nach Hause bestellt, wenn er nur mit ihm sprechen wollte?", fragt Klaus D. "Warum hat er seinen Wagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite versteckt? Was ist mit der Tatwaffe? Die lag sicher nicht im Straßengraben." Mit einem Angriff seines Cousins, da ist sich der Vater sicher, hat Daniel D. nie gerechnet. "Offenbar hatte mein Sohn keine Chance, sich zu wehren, denn körperlich war er ihm deutlich überlegen."
Rechtsanwalt Bernd Kretschmann, der juristische Beistand des Ehepaars D., wirft der Schwurgerichtskammer vor, das Mordmerkmal der Heimtücke im Gesamtzusammenhang nicht ausreichend gewürdigt zu haben. Schließlich, sagt er, gebe es Hinweise darauf, dass der Tatvorsatz nicht spontan vor Ort gefasst wurde, "auch, wenn das Tatmotiv nicht zu ermitteln war". Um die Psyche des Angeklagten genauer zu beleuchten, hätten die Nebenkläger im Prozess gerne noch weitere Zeugen gehört. Eine Ex-Freundin zum Beispiel, die den 28-Jährigen bei der Polizei als "Typ mit zwei Gesichtern" beschrieb. Gegen den Sportlehrer, der zig Affären hatte und auf seinem Computer Nacktfotos von Schülerinnen hortete, wurde auch wegen Vergewaltigung einer Internet-Bekanntschaft ermittelt. Das Verfahren wurde eingestellt. "Es könnte eine Menge junger Frauen geben, denen er in der Vergangenheit zu nahe getreten ist", mutmaßt Klaus D. "Der Daniel hatte bei seinem Cousin immer schon ein komisches Gefühl - aber er hat ihm trotzdem geholfen, immer."
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