Wir haben ja zuletzt im Grünen Thread über neue AKW diskutiert, aber eigentlich gehört das da ja nicht hin. Also nehme ich den Faden hier mal wieder auf.
Es hält sich ja hartnäckig das Märchen, dass Atomstrom so billig ist. Nun kommt ja aber in den Nachrichten langsam zu Tage, das Frankreich bis über beide Ohren verschuldet ist. Und ich behaupte, dass zumindest ein Teil des Problems durch die Kernkraftwerke entsteht.
Vor 2 Jahren war EDF derartig verschuldet, dass das Unternehmen verstaatlicht werden musste.
Der größte Stromanbieter Europas, Electricité de France (EDF), ist in eine finanzielle Schieflage geraten. EDF hat Nettoschulden in Höhe von rund 42 Milliarden Euro plus Zinsen, die Ratingagenturen bewerten den Konzern immer schlechter.
Quelle:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/edf-verstaatlichung-101.htmlJetzt kann man sich überlegen wo die Schulden herkommen. Der Kraftwerkspark in Frankreich ist vor allem in den 70ern/80ern entstanden. Sollte also mittlerweile abgeschrieben sein. Betriebswirtschaftlich würde man also erwarten, dass der Laden nicht nur Schuldenfrei ist, sondern aufgrund der Abschreibungen soviel Geld beiseite gelegt hat, das man das Kapital für Ersatzneubauten hat. Scheint aber nicht der Fall zu sein. Der Strom wurde also unter Wert verkauft.
Und genau das ist immer der Fall gewesen. EDF wurde durch den Staat gezwungen den Strom billig abzugeben und hat ihn obendrein auch noch Subventioniert.
Weil das jetzt so nicht weiter gehen kann, und es ja Billionen kosten wird den Kraftwerkspark zu erneuern, wird nun reagiert:
In Frankreich liegt der reine Arbeitspreis im regulierten blauen Tarif von EDF seit dem Februar 2024 bei 25,16 Cent pro Kilowattstunde Strom. Dazu kommt noch – anders als in Deutschland - eine von der Anschlussleistung abhängige, jährliche Grundgebühr. Für ein kleines Appartement mit einer Anschlussleistung von 6 kVA sind derzeit 151,20 Euro an fixer Jahresgebühr zusätzlich zum Verbrauch zu zahlen, für ein Einfamilienhaus mit 24 kVA (ca. 22 kW) sind 381,12 Euro, bei 36 kVA Anschlussleistung sind dann schon 537,84 Euro fällig.
Legt man einen Jahres-Stromverbrauch von 4.000 kWh und eine Anschlussleistung von 24 kVA in einem Einfamilienhaus (EFH) zu Grunde, dann beträgt die Jahresrechnung 4.000 kWh x 0,2511 = 1.004,40 Euro + 381,12 Euro fixe Jahresgebühr = 1.385,52 Euro Jahres-Stromrechnung in Frankreich. In Deutschland sind bei Strom-Neuabschlüssen laut Check 24 und Verivox die Jahreskosten für einen Verbrauch von 4.000 kWh derzeit bei unter oder um 1.000 Euro.
Quelle:
https://www.iwr.de/news/strompreis-schockwelle-in-frankreich-dritte-grosse-preiserhoehung-fuer-verbraucher-in-einem-jahr-news38580Hmm, also Strom ist jetzt schon teuerer als in Deutschland. Vor allem weil die Grundgebühren echt der Hammer sind.
Ist das Problem damit gelöst? Nöööö. Das reicht immer noch nicht um mit dem Atomstrom auf nen grünen Zweig zu kommen. Die nächste Preisrunde kündigt sich schon an:
Nach einem Bericht der Tageszeitung Le Monde soll der Preis für Strom aus französischen Atomkraftwerken ab 2026 von 4,2 um 67 Prozent auf 7 Cent pro kWh steigen.
Quelle:
https://www.iwr.de/news/strompreis-schockwelle-in-frankreich-dritte-grosse-preiserhoehung-fuer-verbraucher-in-einem-jahr-news38580Und das wird immer noch nicht reichen. Mehr als 50 Reaktoren sind jetzt 35 Jahre oder älter. Die ältesten schon 45 Jahre. Man müsste also jetzt massiv anfangen neue Reaktoren zu bauen, denn offensichtlich ist EDF nicht in der Lage einen Reaktor in weniger als 20 Jahren zu bauen.
Das heißt: die sechs neuen Druckwasserreaktoren zu bauen, die Präsident Emmanuel Macron angekündigt hat. Darüber hinaus sollen bis 2050 acht weitere Reaktoren ins Auge gefasst werden. Kostenpunkt alles in allem: rund 50 Milliarden Euro.
Quelle:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/edf-verstaatlichung-101.htmlMal abgesehen davon, das sich EDF die 50 Milliarden schon nicht leisten könnte und entweder nochmal massiv die Strompreise anheben, oder das Geld aus zusätzlichen Staatsschulden kommen müsste. 50 Milliarden sind offensichtlich unrealistisch.
Flamanville 3:
Gesamtkosten damit auf voraussichtlich 13,2 Milliarden ohne Finanzierungskosten von rund 5 Milliarden € steigen. Die Befüllung mit Brennstäben war damals für das erste Quartal 2024 geplant.[40] Am 3. September 2024 wurde Reaktor 3 erstmals kritisch.[41]
Quelle:
Wikipedia: Kernkraftwerk FlamanvilleIm Januar 2024 gab EDF bekannt, dass sich die Fertigstellung des Kraftwerks bis mindestens 2029 verzögern werde, bei ungünstigeren Bedingungen auch auf 2030 oder 2031.[81][3] Die erwarteten Baukosten wurden abermals nach oben korrigiert, auf 43 Mrd. Pfund (51,9 Mrd. Euro) (Preisstand 2024) bzw. 34 Mrd. Pfund (Preisstand 2015).[2] Möglich sei auch ein Anstieg bis auf 46 Mrd. £ (55,6 Mrd. Euro).[81][82] Im Februar 2024 verbuchte EDF 12,9 Milliarden Euro an Wertberichtigungen, hauptsächlich wegen der Baustelle in Hinkley Point. Dabei gab EDF auch bekannt, dass die Baukosten 47,9 Mrd. £ (57,9 Mrd. Euro) erreichen könnten.
Quelle:
Wikipedia: Kernkraftwerk Hinkley PointAls der Reaktor am 18. Februar 2022 schließlich seinen Probebetrieb aufnahm, waren die Investitionskosten auf das nahezu Vierfache der ursprünglich geplanten Summe gestiegen. Sie betrugen zirka 11 Milliarden Euro.[28]
Quelle:
Wikipedia: Kernkraftwerk OlkiluotoAlle drei Baustellen gehören der EDF. Ganz offensichtlich sind 50 Milliarden für 14 Reaktoren unrealistisch. Man kann froh sein, wenn man drei dafür bekommt.
Wenn Frankreich also die mehr als 50 der ältesten Reaktoren ersetzen will, dann liegen wir hier also locker im Bereich von einer Billion. Die Inflation wird über 20 Jahre Bauzeit daraus 2 Billion machen. Und dann reden wir immer noch nicht über den Rückbau der alten Anlagen und die Entsorgung des Mülls.
Kann mir mal bitte irgendeiner, so als wäre ich 5 Jahre alt, erklären an welcher Stelle genau Atomstrom billig ist?