hier mal eine geraffte Darstellung der Theorie von dem so so oft zitierten Prof. Quiering,
-für alle Beteiligten (die sein Buch nicht haben) und für Mitleser.
Von K. Rudzinski
QUELLE: DIE ZEIT, Nr. 23
09. Juni 1949
Zu interessanten Ergebnissen über die Entstehung des Mondes, denen man die Wahrscheinlichkeit nicht absprechen kann, ist der Geologe Prof. Quiring von der technischen Universität Berlin gekommen.
Vor rund vier Milliarden Jahren, als die Erde eine kaum mehr als 20 Kilometer dicke Rinde besaß, zerriß ein riesiger Meteor, mit kosmischer Geschwindigkeit im flachen Winkel von Ost nach West einschlagend, die dünne Haut, die das flüssige Erdinnere umhüllte. Dabei sprengte er ein Stück der Erdrinde von der Ausdehnung ganz Afrikas heraus.
Entlastet von dem ungeheuren Druck schoß das glühend flüssige Magma rasend schnell (mit 13- bis 17-Kilometer-Sekunden), einer riesigen Sonnenprotuberanz vergleichbar, in den Weltraum hinaus. Mit einer Geschwindigkeit also, die ausreicht, die ausgeschleuderte Masse unter dem Einfluß einer ihr aus der großen Rotationsgeschwindigkeit der Erdoberfläche mitgeteilten zentrifugalen Beschleunigung zum Begleiter der Erde zu machen.
Das ist das Bild, das Professor Quiring von der Entstehung des Mondes gibt.
Wie begründet er nun seine Auffassung?
Die Erde wird langsamer
Zunächst geht er dabei von der Beobachtung aus, daß die unter dem Einfluß des Mondes (zu einem erheblich kleineren Teil auch der Sonne) entstehenden Gezeiten der Meere und auch der festen Erde eine Verlangsamung der Erddrehung um ihre Achse herbeiführen.
Auf eine Stunde in rund 300 Millionen Jahren hat sie der englische Forscher Adams berechnet, ungeachtet der Beschleunigungen, die zeitweilig wieder eintreten.
Die anfängliche, kürzeste Dauer der Erdrotation wurde nach physikalischen Erwägungen auf zwei Stunden und fünfundzwanzig Minuten berechnet.
Sie hat sich im Laufe der Zeit auf rund vierundzwanzig Stunden, unsere Tageslänge, verlangsamt. Hätte der Mond nun die Erde vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an begleitet, so müßte die Erdumdrehung jetzt schon viel langsamer vor sich gehen, als es tatsächlich der Fall ist, weil die Gezeitenwirkung der Sonne nicht zu einer derartigen Verlangsamung ausgereicht haben würde. Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß der Mond erst zu einem späteren Zeitpunkt Erdbegleiter geworden sein kann.
Den ersten, geologischen Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme sieht Professor Quiring in der Existenz mariner Kalk- und Eisenoolithe (Gestein, das zum größten Teil aus hirsekorn- bis erbsengroßen Kugeln von Kalk oder Rot- und Brauneisenerz besteht).
Diese Kugeln bilden sich nur unter dem Einfluß bewegten Wassers, vor allem in Flüssen.
Ihre Entstehung im Meere setzt so starke Flutbewegungen voraus, wie sie nur von der Anziehungskraft des Mondes erzeugt werden, nicht jedoch von der schwachen Gezeitenwirkung der Sonne.
Da diese marinen Oolithe schon in den ältesten Erdschichten vorkommen, muß der Mond noch vor dem Altpaläozoikum, im Urzeitalter der Erde entstanden sein.
Ein weiterer Beweispunkt ist die Zusammensetzung des Mondes, dessen geringe Dichte (3,35 gegen 5,51 der Erde) eindeutig auf Silikate als Hauptbestandteil seiner Masse schließen läßt.
Wäre er aus Meteoren entstanden, dann müßte seine Hauptmasse mit hoher Wahrscheinlichkeit Nickel-Eisen sein mit wesentlich größerem spezifischem Gewicht. So scheint, die Vermutung gerechtfertigt, daß der Mond vorwiegend aus den Silikaten der Erdrinde und oberflächennaher Magmaschichten (vorwiegend Olivin) besteht.
(zum Zeitpunkt dieser Aussage war man noch nicht auf dem Mond gewesen)
Für die Wahrscheinlichkeit der Abspaltung des Mondes von der Erde durch einen Meteor spricht weiter, daß von Zeit zu Zeit große Meteore die Erde treffen, wie sowohl der riesige Meteortrichter in Arizona (USA) – von 1000 Meter Durchmesser und 250 Meter Tiefe –, als auch die Abstürze großer kosmischer Massen in unseren Tagen – zuletzt am 12. Februar 1947 nördlich Wladiwostok in Sibirien – beweisen.
Ein Loch von der Größe Afrikas
Interessant ist nun die Frage, wo die Stelle dieses Zusammenstoßes und damit der Mondabspaltung auf der Erde zu suchen ist.
Nach Quiring liegt sie im Stillen Ozean zwischen dem Äquator, Japan und der nordamerikanischen Westküste, von 130 Grad östlicher bis 130 Grad westlicher Länge von Greenwich, und reicht hinauf bis zum 50. Grad nördlicher Breite (also etwa der Höhe von Frankfurt).
Die dort liegende sogenannte „nordpazifische Depression“ ist die „ausgedehnteste und mit ihren Bruchrändern tiefste Einbeulung der Erdkruste“.
Sie erreicht auf einer Fläche von der Größe Afrikas eine mittlere Tiefe von 5200 Meter, während die mittlere Tiefe aller anderen Meere bei nur 3800 Meter liegt. Außerdem ist sie über ihre ganze Ausdehnung durch das Fehlen der obersten Erdschicht, der rund 55 Kilometer dicken Sialkruste, gekennzeichnet und nimmt damit eine einzigartige Stellung auf der ganzen Erdoberfläche ein.
Die Richtigkeit dieser geologischen Befunde ist durch die Messung der Fortpflanzungsgeschwindigkeiten von Erdbebenwellen und durch Schwere-Messungen erhärtet.
Beide Methoden erweisen unter dieser riesigen „Tiefebene“ die Existenz einer 40 Kilometer starken Basaltschicht (und einer ihr folgenden 35 Kilometer starken „Gabbro“-Schicht) mit wesentlich höherem spezifischem Gewicht, als es die Gesteine der obersten Erdschichten aufweisen.
Aber auch die Ränder der Einsenkung sind besonders ausgezeichnet.
Sie bergen nämlich, als größte Bruchzonen der Erdrinde, sowohl die bedeutendsten Tiefseerinnen mit den tiefstliegenden Erdbebenherden (bis zu 700 Kilometer Tiefe) und tragen die meisten tätigen Vulkane der Erde (299 von den 475 aktiven Vulkanen).
All diese Erscheinungen sind Folgen der großen Katastrophe, die vor etwa 3,2 bis 4 Millionen Jahren die Erde betroffen hat und der wir unseren jetzt so fern und kalt auf uns herabscheinenden Mond verdanken. Die große Revolution der Erdoberfläche, damals, an der Wende vom Archaikum, dem Erd-Urzeitalter, zum Algonkium, hat die ganze Erde in Mitleidenschaft gezogen.
Die Streichrichtungen der Urgebirge um den Pazifischen Ozean und andere große geologische Bildungen lassen den Rand der „Mondnarbe“ eindeutig erkennen.
Wie sind die Planeten entstanden?
Das Loch, das jene Katastrophe in die Erde gerissen hat, ist – nach Prof. Quiring – 1300 Kilometer tief gewesen.
Es hat sich mit dem aus der Tiefe nachströmenden Magma wieder aufgefüllt.
Aber nicht bis zur alten Höhe, sondern im Gleichgewicht gegen die leichteren Schichten der umgebenden Erdkruste um 3 Kilometer tiefer.
Von dieser Erklärung der Mondentstehung ausgehend, versucht Prof. Quiring eine allgemeine Hypothese der Planetenentstehung zu begründen.
Der Kant-Laplaceschen Theorie, die „geologisch ebenso wenig diskutabel“ sei, wie die Theorie vom nahen Vorbeigang zweier Weltkörper aneinander, bei dem sich Gezeitenflutberge losgerissen und Planeten gebildet haben sollen, setzt er seine Hypothese entgegen.
Bei ihr „könnte als Planeten-Geburtsakt der eruptive Auswurf einer aus dem Sonneninnern kommenden metallischen Protuberanz angesehen werden.“
Ob diese Theorie Prof. Quirings den wirklichen Vorgängen entspricht, müssen die Forschungsergebnisse der Astronomie und modernen Atomphysik ergeben.
Wie soll beispielsweise die geringe Dichte der großen äußeren Planeten unseres Sonnensystems gegenüber der hohen Dichte der inneren erklärt werden?
Wie läßt sich Quirings Theorie mit den Vorstellungen über die Entstehung von Planeten durch Kondensation ursprünglich gasförmiger Materie vereinen?
Eine Frage ist es auch, ob überhaupt durch Einschlag eines Meteors in die Sonne, deren Oberfläche ja gar nicht fest ist, sondern wohl ziemlich gleichmäßig vom gasförmigen über den flüssigen in den starren Zustand übergeht, ein derartiger eruptiver Materie-Auswurf zu erwarten wäre.
Seine Energie müßte außerordentlich groß sein, wenn die fernsten Planeten, Neptun und Pluto, auf diese Weise entstanden sein sollten. Einer Verallgemeinerung der Theorie Quirings stehen also Bedenken entgegen, für die Entstehung des Mondes jedoch scheint sie eine fruchtbare Deutung zu geben.
http://pdfarchiv.zeit.de/1949/23/die-geburt-des-mondes.pdf