Darwinismus - adé!
03.07.2006 um 19:00
und des weiteren:
Evolutionstheorie ergibt sich aus unseremnaturwissenschaftlichen Gedankengebäude, daß permanent kritisch hinterfragt und in sichlogisch sein muß. Kreationismus hat mit Wissenschaft in diesem Sinne nichts zu tun.Zumindest die laienhaften Versuche, in denen wiederholt Assoziation mit Denkenverwechselt wird, sind wenig hilfreich. Hier ist auch R. Dawkins "selfish gene"erwähneswert. Die Assoziation, daß nicht nur jedes Lebewesen, sondern auch jedes Organ(Roux), jede Zelle und auch jedes Gen um sein Dasein kämpft, ist naheliegend. Trotzdemdürften Hunderte von Biologen, bevor sie über diese Assoziation gleich ein Buchschrieben, durch Nachdenken gefunden haben, daß Gene weitaus stärker als sog. Individuen,voneinander systemimanent abhängig sind. Da hilft auch keine Definition, dieUnwiderlegbarkeit erzeugen soll. Falsche Definitionen sind weiterhin kein Mittel, umrichtige Theorien zu begründen. Es ist gerade das wesentliche Element derEvolutionsstrategie, daß sie in der Selektion nicht einzelne Gene, sondern ganzeIndividuen testet. Jahrzehntelang wurde der Artbegriff diskutiert, dabei war klar, daßnur Gene miteinander kombiniert werden können, die keine Letalfaktoren hervorbringen unddie fertile Nachkommen haben. Wie erfreulich, wenn Dawkins in seinem Buch "The ExtendedPhenotype", dann einiges relativiert, weil er aus der inzwischen abgelaufenen heißenDiskussion zum Neo-Weismannismus vorgedrungen ist. Trotzdem versucht er sein "selfishgene" zu rechtfertigen, indem er beim Organismus von einer Einheit in der Funktionspricht, aber behauptet: "I still think it is misleading to call it a unit of selection".Das Gen als "unit in natural selection" zu betrachten war schon bei R.A. Fisher 1930aufgetaucht.
Ist es evolutionsstrategisch nicht interessant genug, um etwaslänger darüber nachzudenken, daß jedes höhere Individuum von einer Eizelle ausepigenetisch aufwachsen muß, um dann in seiner ganzen viel bewunderten Komplexitätabzusterben?
Daß das Leben etwas mit Kybernetik zu tun hat, ist seit NorbertWieners Wortprägung kaum zu bezweifeln. Insofern ist der Hinweis Kaplans, für die"Kybernetik" seien keine klar definierten Faktorensysteme dargelegt und es sei ein Wortohne wissenschaftlichen Erklärungswert, unverständlich. Wenn damit allerdings gemeintsein soll, daß F. Schmidt dem Gedanken: Leben als kybernetisches System sei evolutionärentstanden - nichts signifikant Neues hinzugefügt hat, so kann dem nur schwerwidersprochen werden. Hier gab es bereits genügend Literatur, beispielsweise auch überdie Rolle der Homöostasis. Schon A.R. Wallace hat bei der natürlichen Zuchtwahl auf dieParallele zum Prinzip des Fliehkraftreglers hingewiesen. Wobei bekanntlich dieser durchJ.C. Maxwell zur Grundlage der kybernetischen Systeme wurde.
Von Umstätter, W.und Rehm, M. 1981 ist in "Einführung in die Literaturdokumentation undInformationsvermittlung" eine Beispiel-Recherche durchgeführt worden, die zeigte, daßschon die vorhandene Literatur deutlich macht, daß Phylogenese eine Art Lernvorgangdarstellt, und daß Lebewesen das enthalten, was man bei Computern Innere Modelle nennt.Umstätter, W. hat daher in Umschau in Wissenschaft und Technik 81 (17) 534-535 (1981)bereits darauf hingewiesen, daß die sog. Inneren Modelle der Lebewesen extrapolierbareEigenschaften für ihre möglichen Weiterentwicklungen haben müssen. Leben ist durch dreiuntrennbare Eigenschaften definiert, durch seine Reproduzierbarkeit, seinen Metabolismusund durch seine sog. Irritabilität, d.h. durch die Fähigkeit, sinnvoll auf seine Umweltzu reagieren, und dies geschieht aufgrund seines Inneren Modells von der jeweiligenUmwelt.
Das entscheidende Thema ist also nicht, ob Darwin überholt ist, es istdie Frage, ob evolutionäre Trends als Orthogenese, Teleologie, Teleonomie, Entelechieoder elan vital erklärbar sind. Evolution ist nicht als zielgerichtete Straße zuverstehen, sondern als Creode, als Folgerichtigkeit eines Flusses in Waddingtonsepigenetischer Landschaft. Die Feststellung Max Plancks, daß Theorien nicht widerlegtwerden, sondern nur aussterben, gab in den sechziger Jahren zu der Hoffnung Anlaß, daßder Antidarwinismus aufgrund der Erkenntnisse über die Genetik, die Zytologie und dieBiochemie der DNS, in den letzten Zügen läge. Sogar in der Theologie versuchte man sichin einer mutigen Extrapolation, der noch immer kaum verstandenen Evolutionsmechanismen,bis hin zu einem "Omega". Nun behauptet z.B. B. Vollmert in seinem Buch "Das Molekül unddas Leben" (1985), in Wiederholung vieler anderer Autoren, das biogenetische Grundgesetzsei widerlegt, weil das DNS-Makromolekül "von einer Kettenlänge von weniger als 1mm biszu einer Kettenlänge von 1m gewachsen ist", während bei der Ontogenese dasDNS-Kettenmolekül in seiner vollen Länge vorliegt. Dabei ist gerade dies ein Beleg dafür,daß die Lebewesen eine gemeinsame genetische Grundlage haben, daß sie immer mehrInformation für ihr Inneres Modell sammelten, und daß diese DNS mit "gradualness""gelernt" haben muß, wie man vom Einzeller zum arbeitsteiligen Vielzeller gelangt - indessen Zellen ja immer nur bestimmte Gene aktiv werden dürfen. Beobachtungen, wie dieGloor'sche Phänokopie, bei der an Drosophila, durch einen Ätherschock ein Bithorax oderdie Entwicklung von Flügeln aus Halteren erzeugt werden können, zeigt doch, daß die DNSdiese Information noch latent enthält.
Je höher Lebewesen sich entwickeln, destolänger wird ihr System in der Umwelt getestet, bevor sie sich vermehren. Je älter einBaum wird, desto vielzähliger vererbt er seine Anlagen. Dies ist typisch für Systeme mitoffenem Wachstum, im Gegensatz zu den tierischen Systemen, mit ihrem abgeschlossenenWachstum. Man kann in erster Näherung behaupten, daß der genetische Informationsgehalteines komplexen Vielzellers, der sich erst nach über einem Jahrzehnt vermehrt, durch diegroße Zahl an Nachkommen bei Einzellern, aufgewogen werden muß. Für ein Lebewesen ist eswichtiger, in seiner Umwelt lebensfähig zu sein, als auf jede Nebensächlichkeit hinoptimale Anpassung zu zeigen. Insofern ist sicher Spencers "survival of the fittest"gegenüber Darwins "struggle for life" zeitweilig überbewertet worden.
Trivialdarwinismus geht davon aus, daß im Kampf um's Dasein alle Lebewesen bestrebtsind, sich rasch zu vermehren um die Art zu sichern. Die wesentlich schwierigere Frageist, wie die Evolution über Jahrmillionen Überpopulationen verhinderte, bzw. in derKoevolution des Räuber-Beute-Modells, Stabilität erreichte. Gerade hier brachten dieÜberlegungen von Malthus, der bei unbegrenzter Vermehrung eine Verdopplungsrate von 25Jahren fand, Licht in Darwins Gedankengebäude. Es ist also die Frage, wie dieNachkommenzahl, die Wachstumsgeschwindigkeit oder z.B. die Schlafzeit bei einem Raubtierdie Korrelation verändert. Koevolution mit Parasiten und möglicherweise die Tolerierungvon Krankheiten bis hin zum Krebs müßten Funktionselemente der Inneren Modelle sein. Einabenteuerlicher Gedanke, der bei längerem Nachdenken allerdings folgerichtiger ist, alser zunächst scheint.
Entscheidendes Element der biogenetischen gegenüber dervereinfachenden Rechenberg'schen Evolutionsstrategie ist die Tatsache, daß dasErbmaterial nicht nur den Bauplan zu adulten Lebewesen beinhaltet, sondern jeweils diegesamte Ontogenese, die somit folgerichtig eine Verkürzung und keine Wiederholung derPhylogenese widerspiegelt. Damit erklärt sich auch die sog. biogenetische Grundregel.Strategien, wie die Erzeugung von Metamerie, Trimerie, Polyploidisierung, Neotenie,"Ockhams razor" u.a.m. sind Hilfsmittel, um erprobte Innere Modelle zu transformieren undzu komprimieren. Sogar die Mutationsrate scheint sich nach M. Eigen im Optimum bewegen.
Bei der biogenetischen Evolutionsstrategie wird also nicht nur die "genetische"Information für die optimalen Winkel der angeströmten Gelenkplatte Rechenbergsfestgehalten, sondern auch die Information, wie das System zu diesem Optimum gelangte.Damit ergeben sich zwangsläufig genetisch fixierte Zusammenhänge zwischen Form undAerodynamik und damit Innere Modelle mit z.T. extrapolierbaren Eigenschaften. WährendDarwins "gradualness" morphologisch orientiert war, erlaubt die Vorstellung einerevolutionären "gradualness" des Inneren Modells auch morphologische Sprünge wie die derMetamorphosen. Lebewesen reagieren beim Wachstum daher folgerichtig allometrisch auf ihreUmwelt. Sie wachsen z.B. unter Berücksichtigung statischer Gesetze.
Insbesondereim Umfeld des Darwinismus ist es erstaunlich, mit wieviel abwegigen "Theorien" man sichbeschäftigen muß. Die Diskussion um die Frage, ob Darwin überholt ist, zeigt miterschreckender Deutlichkeit, wie notwendig die sog. "scientific community" eine bessereInformationslogistik bräuchte.