Regeln der Naturwissenschaft
25.03.2005 um 13:02DIE ZEIT
11/2005
Denker des Denkens
Der einflussreichste deutsche Hirnforscher sieht seine Disziplin in der Sackgasse. Nun will er die Wissenschaft vom Geist neu erfinden
Von Ulrich Schnabel
»Ich bin davon überzeugt, dass wir heute weniger wissen, wie das Gehirn funktioniert, als wir vor 20, 30 Jahren zu wissen glaubten«, formuliert Singer in der für ihn typischen, präzisen Gelehrtensprache. Je tiefer die Neurobiologen in das Gewirr der 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) und ihrer noch zahlreicheren Verbindungen (Synapsen) eindrangen, umso mehr schienen sich Phänomene wie »Geist« oder »Bewusstsein« zu verflüchtigen. Deshalb wagt der 62-Jährige noch einmal den Aufbruch. Gemeinsam mit dem Physiker Walter Greiner hat er das Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) gegründet, das diese Woche eröffnet wird. In dieser Denkerwerkstatt soll das stattfinden, was man einen »Paradigmenwechsel« nennt. »Nachdem sich die Wissenschaft bisher vornehmlich damit befasst hat, die Welt in ihre Komponenten zu zerlegen, müssen jetzt die vielfach sehr gut beschriebenen Bausteine in ihrem Zusammenwirken betrachtet und besser verstanden werden«, formulieren Singer und Greiner das Programm des FIAS.
Denn anders als es der erregte öffentliche Diskurs vermuten lässt, sind die Forscher weit davon entfernt, das »System Gehirn« wirklich zu verstehen. Im Gegenteil, »alles droht sehr viel komplizierter zu werden«, gibt Singer zu. Bewusstsein und »Ich« manifestierten sich als »emergente Eigenschaften einer sehr komplexen Systemdynamik«. Doch wie diese Dynamik genau funktioniert, gibt Singer zu, »das haben wir nicht verstanden«.
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und das ist der Mann, von dem diese Feststellungen stammen:
Prof. Dr. Wolf Singer
Lebenslauf
1943 in München geboren
1962 Beginn des Medizinstudiums an der Ludwig-Maximilian-Universität München
1965 Aufnahme in die Studienstiftung des Deutschen Volkes
1965/66 Zwei Semester an der Faculté de Medicine, Université de Paris 3ème cycle de Neurophysiologie an der Faculté de Science Université de Paris
1968 Staatsexamen und Promotion an der L.M.U. München
1971 Ausbildungsaufenthalt an der University of Sussex, England
1975 Habilitation an der medizinischen Fakultät der TU München für das Fach Physiologie
1981 Berufung zum wissenschaftlichen Mitglied der MPG und zum Direktor an das MPI für Hirnforschung, Frankfurt
Das kybernetische Äquivalent von Logik ist Oszillation.
Ganz unten auf dem Grunde des Lebendigseins treffen wir auf die Metapher. (Gregory Bateson)
11/2005
Denker des Denkens
Der einflussreichste deutsche Hirnforscher sieht seine Disziplin in der Sackgasse. Nun will er die Wissenschaft vom Geist neu erfinden
Von Ulrich Schnabel
»Ich bin davon überzeugt, dass wir heute weniger wissen, wie das Gehirn funktioniert, als wir vor 20, 30 Jahren zu wissen glaubten«, formuliert Singer in der für ihn typischen, präzisen Gelehrtensprache. Je tiefer die Neurobiologen in das Gewirr der 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) und ihrer noch zahlreicheren Verbindungen (Synapsen) eindrangen, umso mehr schienen sich Phänomene wie »Geist« oder »Bewusstsein« zu verflüchtigen. Deshalb wagt der 62-Jährige noch einmal den Aufbruch. Gemeinsam mit dem Physiker Walter Greiner hat er das Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) gegründet, das diese Woche eröffnet wird. In dieser Denkerwerkstatt soll das stattfinden, was man einen »Paradigmenwechsel« nennt. »Nachdem sich die Wissenschaft bisher vornehmlich damit befasst hat, die Welt in ihre Komponenten zu zerlegen, müssen jetzt die vielfach sehr gut beschriebenen Bausteine in ihrem Zusammenwirken betrachtet und besser verstanden werden«, formulieren Singer und Greiner das Programm des FIAS.
Denn anders als es der erregte öffentliche Diskurs vermuten lässt, sind die Forscher weit davon entfernt, das »System Gehirn« wirklich zu verstehen. Im Gegenteil, »alles droht sehr viel komplizierter zu werden«, gibt Singer zu. Bewusstsein und »Ich« manifestierten sich als »emergente Eigenschaften einer sehr komplexen Systemdynamik«. Doch wie diese Dynamik genau funktioniert, gibt Singer zu, »das haben wir nicht verstanden«.
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und das ist der Mann, von dem diese Feststellungen stammen:
Prof. Dr. Wolf Singer
Lebenslauf
1943 in München geboren
1962 Beginn des Medizinstudiums an der Ludwig-Maximilian-Universität München
1965 Aufnahme in die Studienstiftung des Deutschen Volkes
1965/66 Zwei Semester an der Faculté de Medicine, Université de Paris 3ème cycle de Neurophysiologie an der Faculté de Science Université de Paris
1968 Staatsexamen und Promotion an der L.M.U. München
1971 Ausbildungsaufenthalt an der University of Sussex, England
1975 Habilitation an der medizinischen Fakultät der TU München für das Fach Physiologie
1981 Berufung zum wissenschaftlichen Mitglied der MPG und zum Direktor an das MPI für Hirnforschung, Frankfurt
Das kybernetische Äquivalent von Logik ist Oszillation.
Ganz unten auf dem Grunde des Lebendigseins treffen wir auf die Metapher. (Gregory Bateson)