@Lupo1954 Lupo1954 schrieb:weil es Dein Fachgebiet ist
Nicht im Sinne einer Ausbildung, ich bin da ein "interessierter Laie". Hat sich halt mit den Jahrzehnten einiges angesammelt...
Lupo1954 schrieb:Eigentlich hätten die frühen Menschen gegenüber den Freßfeinden in der Savanne keine Chance haben müssen. Einem Löwen (oder was was dort sonst vor 100.000 oder 1. Million Jahren an Großkatzen usw. durch die Gegend schlich) konnte und kann bis heute kein Mensch davonlaufen.
Trotzdem haben sie es geschafft, mit der Bedrohung fertig zu werden.
Viele Fossilien unserer frühen Homininenvorfahren, namentlich der Australopithecinen, weisen Spuren von Raubkatzen und Raubvögeln auf. Offensichtlich war das Gerissenwerden lange Zeit die Haupttodesursache unserer Vorfahren. Wir waren also eher Beute als Jäger. Kann man mit leben, Gazellen tun es ja auch.
Aber die sind ja auch schnell und können als Spezies damit durchaus überleben. Was aber war unser Verteidigungs- / Fluchtmechanismus?
Schnelles Wegrennen und Hakenschlagen war es jedenfalls nicht. Die Anatomie des Beckens von Australopithecus zeigt, daß diese Spezies noch Gleichgewichtsprobleme beim Gehen hatte. Sie konnten den Körperschwerpunkt beim Wechsel des Standbeines nicht durch Hüftbewegung über dieses Bein verschieben, was dazu führt, daß sie beim Gehen immer nach Links und rechts schwanken mußten, sie also eine Art Watschelgang hatten. Flinke Sprinter konnten sie so nicht werden.
Aber die Australopithecinen hatten noch immer verlängerte Arme und eine etwas abstehende große Zehe. Sie waren noch immer recht gute Kletterer. Das heißt, obwohl ihre Anatomie verrät, daß sie die meiste Zeit am Boden lebten, konnten sie noch immer bei Gefahr auf den nächsten Baum. Bis vor 3 Millionen Jahren lebten unsere Vorfahren denn auch nicht in der reinen Savanne, sondern zunächst im lichter werdenden Urwald, dann in Galeriewäldern mit offenen Graslandschaften, schließlich in der Baumsavanne. Sie waren also nie wirklich weit von Bäumen entfernt und konnten, wenn sie gefährliche Tiere sahen, sich in der Regel rechtzeitig auf Bäume zurückziehen. Regelmäßig hat es einer nicht geschafft, und über ein Australopithecinenleben betrachtet starben vielleicht die meisten so. Aber dennoch hatten die meisten genügend Zeit, zuvor noch ein paar Kinder in die Welt zu setzen und ihnen das eine oder andere beizubringen, bis es auch sie dann erwischte.
Schon das Leben in der Gruppe verbesserte die Chancen. Zum einen mußt Du da nicht schneller rennen können als der Angreifer, sondern nur als der Kumpel neben Dir. Zum anderen hilft wahlloses Durcheinanderrennen wie aufgescheuchte Hühner, den Angreifer zu verwirren, weil er sich nicht auf eine Beute konzentrieren kann. Dann kann eine Gruppe auch bedrohlich wirken, wenn die nen Pulk bilden, den Angreifer anblicken und dabei Lärm machen, statt einfach abzuhauen. Wenn die dann noch mit Stöckern und Steinen werfen, könnts sogar brenzlig werden. Man nimmt an, daß die Australopithecinen, anfangs gelegentliche Aasfresser, auf diese Weise sogar Großkatzen von ihrer gerissenen Beute verjagten und so regelmäßig an Fleisch kamen. Das Sozialverhalten der Gruppe, ein Merkmal und Ausfluß von Intelligenz, war sicher ein wesentlicher Überlebensfaktor. Wurfobjekte als Waffen taten wie gesagt ihr übriges. Und Bäume, Bäume waren auch noch genug vorhanden.
Vor 2...1,8 Millionen Jahren wuchs der Mensch vom 1,40-Zwerg zum 1,80-Hünen, das Gehirn vergrößerte sich deutlich, und die Kletter-Anatomie verlor sich auf unser heutiges Maß. Und auch die Raubtierspuren an den Fossilien werden seltener, dafür aber sprechen Werkzeugfunde und Hirnvolumenzunahme dafür, daß der Mensch von der Beute zum Jäger wurde, der sehr regelmäßig an Fleisch kam. Offensichtlich hatten unsere Vorfahren hier andere, bessere Mechanismen hervorgebracht. Welche es nun im einzelnen sind, kann ich Dir nicht exakt sagen. Die Größenzunahme spielt sicher eine Rolle. Wir haben ja schon den Vorteil des aufrechten Ganges. Auf allen Vieren wären wir kleiner. Aber als Zweibeiner sehen wir halt größer aus, und manche kleinere/mittlere Räuber, für die wir eigentlich Beute wären, halten uns für Großtiere, die ihnen überlegen wären. Noch mal 40 Zentimeter drauf, und wir sind nochmals sicherer. Selbst Löwen überlegen es sich zwei Mal, in eine Gruppe von Tieren zu gehen, deren Schulterhöhe deutlich über einen Meter liegt. Hinzu kommt, daß die Anatomie des Erectus schon weitgehend mit unserer heutigen übereinstimmt. Sie watschelten nicht mehr, sondern konnten gut sprinten, nützlich in baumarmer Savanne, doch noch einen fernen Baum oder Felsen zu erreichen. Die verbesserten Werkzeuge/Waffen waren sicher auch zur Abwehr geeignet. Und selbst die Feuernutzung könnte schon in diese Zeit fallen (gibt gute Indizien wie etwa die Verkleinerung des Gebisses vor gut 2 Millionen Jahren; gegartes Fleisch läßt sich leichter abbeißen und kauen). Wirklich gesichert ist Feuernutzung aber erst für die Zeit vor rund einer Million Jahren.
Richtig befriedigend ist das jetzt nicht, aber
daß sie besseren Schutz vor Räubern hatten, steht angesichts der selteneren Raubtierspuren an den Knochen immerhin fest. Ja es gibt sogar Forscher, die auf den damaligen Rückgang von Raubtierarten, auch großen, verweisen und dafür unsere Vorfahren verantwortlich machen. Die hätten sowohl in deren Revieren gejagt und ihnen also die Beute streitig gemacht als auch aktiv die Raubtiere getötet. Andererseits erklärt auch der Rückgang von Räubern, wieso unsere Vorfahren sicherer lebten, selbst wenn sie gar nichts mit deren Verschwinden zu tun haben.