WEBSTER TARPLEY ist linker amerikanischer Demokrat und schreibt trotzdem beim Kopp-Verlag:
"All diese Entwicklungen hatten damals Prinz Bernhard der Niederlande und seine Freunde alarmiert. Der niederländische Premierminister, der Chef von Unilever International und weitere einflussreiche Persönlichkeiten trafen sich. Sie planten, eine Lobby zu gründen zugunsten des Atlantizismus. Denn sie hatten eine neue Gefahr des Antiamerikanismus, der NATO-Verdrossenheit, ausgemacht, der es nun etwas entgegenzusetzen galt.
Bestandteil der Bilderberger-Gruppe sind traditionell vor allem Finanzoligarchen oder jedenfalls deren Helfer. Einige Besucher kommen aus dem hohen Feudal-Lager, besonders aus dem Haus Oranien-Nassau, nach Auskunft einiger Kommentatoren soll es das reichste Herrscherhaus der Welt sein, falls es nicht die Engländer sind. Andere kamen aus Spanien, aus Padua und dem Haus Bourbon. Führende Medienvertreter waren darüber hinaus ebenso anwesend wie hochrangige Militärs, und selbstverständlich spielten auch führende Regierungsbeamte eine entscheidende Rolle.
Das Vorbild dieses Treffens dürfte einst das Clifton Set gewesen sein, das auf dem Landsitz der berühmten, reichen Astor-Familie stattfand. Hier formierte sich zwischen 1935 und 1941 eine Gruppe Adliger, die regelmäßig zusammentraf, um die Beschwichtigungspolitik gegenüber dem britischen konservativen Politiker Arthur Neville Chamberlain durchzusetzen. Da kamen unter anderem Lord Astor, Lord Jacob Astor, Lady Astor, Lord Halifax, der später britischer Botschafter in Washington wurde, und natürlich Neville Chamberlain selbst. Dieser Kreis bestimmte weitgehend die damalige Politik Großbritanniens, vor allem, was die Konservative Partei angeht.
Und das ist auch mehr oder weniger die Rolle von Bilderberg, nämlich als Clifton Set der ganzen transatlantischen Welt zu dienen. Bilderberg hat einige Tochtergesellschaften, eine besonders wichtige ist die Trilaterale Kommission, gegründet von David Rockefeller, Bilderberger-Veteran der siebziger Jahre.
Manchmal sind diese Treffen wichtiger, ein anderes Mal sind sie weniger relevant. Nachfolgend einige Beispiele wirklich entscheidender Operationen, die im Rahmen der Bilderberger-Treffen entfesselt worden waren. Da wäre der Nahostkrieg von 1973 und die erste große Erdölkrise in diesem Jahr. Das Treffen fand im schwedischen Saltsjöbaden statt, die künstliche Verknappung des Rohöls soll auf dieser Konferenz beschlossen worden sein. Nach dem Sturz des Bretton-Woods-Systems vom 15. August 1971, nach der Freigabe der Wechselkurse, gab es zu viele Dollars in der Welt. Es drohte eine plötzliche Abwertung des Dollar, und somit drohte auch der Verlust des Status des Dollar als Leitwährung für die ganze Welt. Die einzige Antwort darauf war, eine sofortige künstliche Nachfrage nach Dollars zu erzeugen. Die Nachfrage musste also erhöht werden. Doch wie macht man das? Natürlich durch einen Krieg und den so genannten arabischen Ölboykott.
Auf dem besagten Bilderberger-Treffen im schwedischen Saltsjöbaden trat Walter Levy auf, ein hoher Beamter aus dem State Departement, damals unter der Kontrolle Henry Kissingers. Dieser war schon in den fünfziger Jahren am Sturz des iranischen Präsidenten Mossadegh beteiligt gewesen. Die Bilderberger-Konferenz, die Walter Levy in Schweden abhielt, befasste sich mit einer Erhöhung des Erdölpreises um 400 Prozent! Damit war das Problem des überflüssigen Dollars weitgehend erledigt. Alle brauchten dringend die Währung, und die Nachfrage stieg. Und diese Dollars wurden danach recycelt als so genannte Petro-Dollars, von Saudi-Arabien und den Golf-Staaten bis zur US-amerikanischen Chase Manhattan Bank. Inhaber: David Rockefeller, Gastgeber so mancher ominöser »Elitetreffen«.
Notwendige Voraussetzung für die Erdölkrise war natürlich der Nahostkrieg. Henry Kissinger sorgte dafür, dass dieser Krieg rechtzeitig stattfand. Die Araber, die Marionettenregierungen in Saudi-Arabien und anderswo hatten mit dem weitgehend rhetorischen Erdölboykott geantwortet. Europa ging damit in die schlimmste Rezession der Nachkriegszeit. Aber der Dollar war gerettet.
Nächstes Beispiel: das Jahr 2006. Vielleicht eine ähnliche Situation wie 1954. Es gab eine Hasswelle in Europa gegen US-Präsident George W. Bush und seine neokonservativen Freunde. Das Bilderberger-Treffen fand im Mai 2005 am Tegernsee im deutschen Oberbayern statt. Die Mobilmachung Europas für einen Krieg im Nahen Osten stand auf der Tagesordnung. Es war die Hochsaison der Neocons. Zu dem Geheimtreffen erschienen der amerikanische Terrorismus- und Geheimdienstexperte und Wallstreet-Journalist Michael Ledeen, der Politiker Richard Perle, der Sicherheitspolitiker und Bush-Berater William Luti, NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer und andere. Auch Anders Eldrup aus Dänemark war dabei, damaliger Chef von DONG Energy, (Danish Oil and Gas A/S). Und dieser Anders Eldrup ist der Ehemann von Marita Eldrup, Chefin der auflagenstärksten dänischen Tageszeitungen Jyllands-Posten und Politiken.
Welch eine Überraschung, dass ausgerechnet diese beiden Zeitungen einige Monate nach dem Treffen die infamen Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hatten. Bis dahin waren die Spannungen der arabischen Welt vor allem gegen die USA, Großbritannien, Israel und Frankreich gerichtet gewesen. Aber jetzt kam es vor allem auch zu Attacken auf die Botschaften in Norwegen, Dänemark, Schweden und anderen kleineren europäischen Ländern. Es ging nun um die Mobilmachung Europas in dem Gesamtkonzept der NATO. Natürlich kann man nicht mit Bestimmtheit behaupten, dass die Mohammed-Karikaturen bei dem Bilderberger-Treffen wirklich thematisiert wurden.
Drittes Beispiel: US-Präsident Barack Obama. Obama ist durch die Trilaterale Kommission, das heißt die Bilderberger-Treffen, als Präsident sozusagen entworfen worden, frei nach dem Muster Jimmy Carters. Dabei hat der polnisch-amerikanische Politikwissenschaftler Zbigniew Kazimierz Brzeziński eine Hauptrolle gespielt, ebenso David Rockefeller, Joseph Nye, Politiker und Erfinder des Begriffs der Soft Power, also der sanften Macht, und James Johnson, Mitglied des Lenkungsausschusses von Bilderberg, der von US-Präsident Obama aufgefordert worden war, er solle den Vizepräsidenten im Wahljahr 2008 bestimmen. Zwar flog Johnson nach kurzer Zeit wegen mehrerer Skandale raus, doch sorgte er noch dafür, dass Joe Biden diesen Posten bekam.
Natürlich sind all diese Leute nicht allmächtig. Man konnte unter anderem beobachten, dass Prinz Bernhard der Niederlande zum Beispiel dem Lockheed- Skandal zum Opfer gefallen war. Das war während der Amtszeit von George Bush als CIA-Chef. Weitere Bilderberger, die unter Beschuss gerieten: der frühere bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß, ebenso musste Lord Browne, damaliger Chef von BP, seinen Hut nehmen und sich vor Gericht wegen Meineides verantworten.
Auch der ehemalige IWF-Chef Strauss-Kahn, ein fleißiger Bilderberger, wurde durch eine gezielte Operation der US-Geheimdienste kaputtgemacht. Und der kanadische Pressemagnat Lord Conrad Black sitzt noch heute in einem amerikanischen Gefängnis wegen finanzieller Vergehen. Rupert Murdoch, der australische Massenmedien-Chef mit weltweit verbreiteten Zeitungen und TV-Sendern, schwebt derzeit ebenso in Gefahr.
Zum diesjährigen Bilderberger-Treffen in Chantilly, Virginia, hat sich eine Protestgruppe angemeldet. Die Frage hier lautet jedoch: Wie viele von den Demonstranten werden von den Bilderbergern selbst geschickt beziehungsweise kontrolliert werden? Ich schätze, nicht wenige.
Viele wichtige Fragen stehen im Raum, die bei diesem Treffen erörtert werden dürften, zum Beispiel: Wer kommt in den USA an die Macht? Obama oder Romney? Bislang war Barack Obama der Lieblingskandidat der Bilderberger-Gruppe. Doch ist seit Kurzem eine Neigung zu Romney erkennbar geworden.
Allein schon die Tatsache, dass das diesjährige Treffen im Marriott-Hotel, Chantilly, stattfindet, birgt eine gezielte Aussage: Die mächtige Marriott-Familie gehört den Mormonen an, und der Multimillionär Romney, ebenfalls Mormone, ist ein Vetter der Marriotts. Er heißt mit Vornamen eigentlich gar nicht Mitt, sondern Willard Romney, und der Name Willard stammt aus dem Marriott-Clan, nämlich von J. Willard Marriott, der der Begründer der Marriott-Gruppe International war.
Dass die Bilderberger also dieses Jahr in einem Marriott-Hotel tagen, könnte schon ein Anzeichen dafür sein, dass Mitt Romney der nächste amerikanische Präsident wird.
Fortsetzung folgt."
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/webster-g-tarpley/die-bilderberger-wurzel-der-macht-und-weltherrschaft.html (Archiv-Version vom 01.06.2012)