Also dafür, dass Craig Roberts Scharfschütze war und sich mit der Materie nachweislich auskennt, schreibt er teilweise schon etwas "komische" Sachen. Teilweise geht es vermutlich darum, die Geschichte durch etwas Dramatik interessanter zu machen, aber selbst wenn man das berücksichtigt, alle seine Ausführungen kann man damit nicht erklären.
Now it's time. The motorcade is approaching. You work the bolt on the Carcano, chambering an unpredictable round-nosed 6.5mm cartridge.
Was meint er hier mit unpredictable? Die fragliche Munition wurde von der amerikanischen Firma U.S. Western Cartridge Co. (WCC-Stempel auf Hülsenboden) hergestellt. Wann genau und für wen die Munition hergestellt wurde, ist allerdings nicht völlig geklärt. Angeblich wurden 1954 4 Millionen 6.5mm Carcano Patronen für das USMC hergestellt, allerdings hatte das USMC gar keine Gewehre, um diese Munition zu verschiessen. Wahrscheinlicher ist deshalb die CIA als eigentlicher Auftraggeber. Für welche "Revolution", bzw. welchen Empfänger die Munition eigentlich gedacht war, ist aber unklar.
Aber wie auch immer, die Munition kann man definitiv nicht als unpredictable bezeichnen. Die Qualität der Munition war sicher gut genug.
But wait, you are not a trained sniper. You have no idea of the "hig-low" formula, or the minute-of-angle rule. You don't realize that a sniper, shooting from high to low angle, has to aim low. You don't realize that if you don't aim low at the range you have selected, that you will miss the target by up to a foot. No one has told you that because of the effects of gravity, the bullet will not drop an appreciable amount, like it did on the rifle range which was a flat-trajectory shot.
Oswald war ein relativ guter Schütze, das ist belegt, auch wenn immer wieder das Gegenteil behauptet wird. Darauf gehe ich jetzt aber nicht näher ein, da ich dafür nur eine (sehr gut informierte) Sekundärquelle habe. Sofern ich die Originalunterlagen in die Hände bekomme, kann ich das bei Gelegenheit aber gerne mal noch im Detail erklären. Momentan werde ich aber nicht näher darauf eingehen.
Kommen wir jetzt aber zum zweiten Teil seiner Aussage. Craig Roberts erklärt hier in 4 Sätzen immer wieder den gleichen Sachverhalt. Ein Laie bekommt hier natürlich den Eindruck, dass es sich um verschiedene Faktoren handelt, die alle gegen Oswald sprechen, aber das ist nicht der Fall.
Um das näher zu erläutern, benötige ich nun ebenfalls etwas Raum, kann das Problem aber trotzdem nur ganz grob umreissen, sonst wird das schnell kompliziert. Zuerst gibt es mal einen kleinen Crashkurs in elementarer Ballistik.
Ein Geschoss fällt, sobald es den Lauf verlassen hat, in Richtung Erde (s=0.5*g*t^2), weil es der Schwerkraft unterliegt. Daneben wirkt auch der Luftwiderstand auf das Geschoss und bremst es ab (Fr=k*v(t)^2). Das Geschoss fällt mit einer gleichbleibenden Beschleunigung senkrecht in Richtung Erde (Y-Achse) und wird (X-Achse) mit einer Kraft abgebremst, die als Faktor das Quadrat der Geschwindigkeit enthält. Aus diesem Grund ist die Laufachse gegenüber der Horizontalen, bzw. der Visierachse, geneigt, der Lauf zeigt also etwas nach oben, wenn die Visierachse horizontal ist.
Eine Waffe wird meistens auf eine bestimmte Distanz eingeschossen, häufig auf die sogenannte Günstigste Einschussentfernung (GEE). GEE ist die Distanz zum Punkt, an dem das Geschoss zum zweiten Mal die Visierlinie kreuzt, ohne dass sie zuvor mehr als 4cm davon abgewichen (darüber gestiegen) ist. An dieser Stelle muss man sich aber eigentlich nur merken, dass eine Waffe im Normalfall auf eine bestimmte Entfernung eingeschossen wird.
Abhängig von der Distanz des Zieles, bzw. der gewählten Einschiessentfernung und der verwendeten Munition, kann die vertikale Abweichung des Geschosses von der Visierlinie natürlich beträchtlich sein, sobald die Schussdistanz die GEE übersteigt. Bei einer auf 600 Yard (548.64m) eingeschossenen Waffe mit Kaliber .308 Winchester (7.62x51mm NATO) wird das Geschoss (FMJ=11.404g, v0=777m/s) in einer Entfernung von 300m ca. 0.91m über der Visierachse liegen. Berücksichtigt der Schütze die Distanz zum Ziel nicht, dann überschiesst er ein Ziel auf 300m um fast einen Meter.
Nach diesem Crashkurs in Ballistik kommen wir aber erst jetzt zur eigentlichen Aussage von Craig Roberts. Die Waffe wird im Normalfall auf einem Schiessstand eingeschossen, Waffe und Ziel liegen also etwa auf gleicher Höhe. Wenn nun Schütze und Ziel auf unterschiedlicher Höhe liegen, es also einen Winkel von Visierlinie zur Horizontalen gibt, dann muss das berücksichtigt werden. Das Problem kennt jeder Jäger und die meisten haben zumindest den Spruch verinnerlicht "rauf und runter halt drunter". Das ist zwar eigentlich nicht ganz richtig, aber zeigt doch, dass das Problem durchaus bekannt ist. Dass Oswald nie davon gehört hat, darauf würde ich jetzt nicht unbedingt wetten.
Das ist jetzt eigentlich erst die Einleitung zur Ballistik von Steilschüssen, aber das ist völlig ausreichend, um die Aussage von Craig Roberts zu verstehen, denn genau darum geht es ihm.
Und obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass Craig Roberts in diesem konkreten Fall hier daneben liegt, habe ich mir das jetzt mal etwas näher angeschaut. Um das klar zu sagen, Craig Roberts Aussage ist nicht grundsätzlich falsch, aber sie trifft hier nicht zu, bzw. die Auswirkungen sind nicht so drastisch, wie er uns glauben machen will.
Oswald schoss auf relativ kurze Distanz auf JFK. Beim fatalen Kopfschuss betrug die Distanz gerade mal 81-82m. Bei einer auf 100 Yard eingeschossenen Waffe (Carcano, 6.5mm, v0=660m/s, mg=10.368g, Winkel=-17°) macht das beim letzten Schuss nämlich gerade mal ca. 1.6cm Abweichung in der Höhe aus. Ziel und Treffpunkt wären also trotzdem fast identisch. Wenn die Waffe auf 200 Yard eingeschossen wurde, dann wäre die vertikale Abweichung ca 12cm (zu hoch), also eigentlich immer noch kein Faktor, das Ziel deswegen komplett zu verfehlen.
Emodul